Sonja Finck ließ sich zunächst an der Zirkusschule „Le Lido“[1] in Toulouse zur Artistin ausbilden und finanzierte sich zwischen 1998 und 2004 als Jongleurin das Studium für literarisches Übersetzen an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seit 2004 arbeitet Finck als freie Übersetzerin von Romanen, Erzählungen, Theaterstücken, Dokumentarfilmen und wissenschaftlichen Texten und überträgt aus dem Französischen, Englischen und Spanischen ins Deutsche.
Schon in ihrer Diplomarbeit über Assia Djebar erörterte Sonja Finck die Übersetzung kritisch als eine oft angestrebte „Unsichtbarkeit“ und „Transparenz“ zwischen Originaltext und Rezeption, da die Ebene des Übersetzens zumeist eher unbemerkt bleiben solle. Ohne dieses vorherrschende Prinzip völlig verwerfen zu wollen, sei es jedoch wünschenswert, dass es „zugunsten eines differenzierten Modells aufgegeben“ werde, in dem die „Vermittlungsinstanz“ der Übersetzung deutlicher als eine solche erkannt werde.[2] In diesem Sinn wiederholte Finck in einem Interview mit der Zeitung Der Freitag anlässlich der Übersetzung von Les Années von Annie Ernaux, sie versuche als Übersetzerin des Buches gewissermaßen „Annie Ernaux in der Stimme von Sonja Finck“ zu sein.[3]
Der Ansatz, das Prinzip der „Unsichtbarkeit“ der Übersetzenden selbst durch Sichtbarkeit zu differenzieren, wurde von Finck seit 2005 regelmäßig durch – sonst eher für Autoren typische – Lesungen und durch Moderationen von Podiumsdiskussionen bekräftigt, zum Beispiel auf der Frankfurter Buchmesse, dem „Fest des jüdischen Buches“ in der Synagoge Duisburg oder dem Internationalen Literaturfestival Berlin.
Für die Übersetzung des Romans Fever von Leslie Kaplan erhielt sie im Jahr 2006 den André-Gide-Preis. In ihrer Dankesrede wies sie darauf hin, dass sie für diese Arbeit von keinem Verlag beauftragt worden sei: „Ich habe mir diesen Text selbst ausgesucht, was in unserem Métier selten vorkommt. Und ich habe feststellen können, dass man nie besser übersetzt, als wenn man zum Text echte Verwandtschaft verspürt.“[4]
Finck unterzeichnete im Juni 2007 die Solidaritätserklärung von Navid Kermani und Michael Kleeberg für Salman Rushdie, der erneut bedroht worden war: …die Freiheit der Kunst (ist) ein nicht verhandelbares Gut.
Zwischen 2009 und 2013 erarbeitete Finck die Übersetzungen für Untertitel, Voiceover- und Voiceoff-Fassungen mehrerer Dokumentarfilme des Fernsehsenders Arte.
Denis Scheck bezeichnete Fincks neue Übersetzung von Annie Ernaux’ Der Platz als „brillant übersetzt“.[6] Der Suhrkamp-Verlag teilte im August 2020 einem Pressedienst mit, dass von den Ernaux-Übersetzungen Fincks bislang 150.000 Bücher verkauft wurden, dazu kommen noch CDs mit Lesungen oder die Bearbeitungen als Hörspiel.[7]
Die Jury des Eugen-Helmlé-Preises 2019 hob Fincks „intensive Auseinandersetzungen mit Werk und Autor“ hervor. „Die Arbeit von Sonja Finck endet nicht mit der Rekreation eines Textes in einer anderen Sprache. Sie lädt auf ihre Art dazu ein, an den großen Debatten und aktuellen Fragen unserer Gegenwart teilzuhaben.“[8]
Pierre Grimbert: Die Magier, Die Krieger, Die Götter (13 Bände, davon einige gemeinsam mit Nadine Püschel, Andreas Jandl und Bettina Arlt). Heyne, 2008–2012.
Frédéric Chaudière: Die Geschichte einer Stradivari. Wagenbach, 2007.[12]
Leslie Kaplan: Fever. Berlin Verlag, 2006; btv, Berlin 2008, OCLC214359425.
Régis de Sá Moreira: Joseph & Clara. Droemer Knaur, 2006.
Naomi Fontaine: Nutshimit.Sinn und Form, 42, 5, September–Oktober 2020 Leseprobe S. 636–646, online S. 636–639[14]
Naomi Fontaine: Tshinanu. In Jennifer Dummer (Hrsg.): Pareil, mais différent – Genauso, nur anders. Frankokanadische Erzählungen. Zweisprachig. dtv, München 2020, S. 92–109.
Naomi Fontaine: Neka. In Amun. Novellen. Hrsg.: Michel Jean. Wieser. Klagenfurt 2020, S. 70–79, Übers. zus. mit Michael von Killisch-Horn[15]
Louis-Karl Picard-Sioui: Hannibalo-God-Mozilla gegen die große kosmische Leere. In Amun. Novellen. Hg. Michel Jean. Wieser, Klagenfurt 2020, S. 43–59. Übers. zus. mit Michael von Killisch-Horn und Frank Heibert
Kamel Daoud: Der Araber und das weite Land O (L’arabe et le vaste Pays Ô). In: die horen. 267, 62. Jg. 2017, ISBN 978-3-8353-3121-1, S. 85–90.
Ryad Assani-Razaki: Olaosanmi. In: L’amour toujours – toujours l’amour? Hrsg. Annette Wassermann. Wagenbach Verlag, 2017.
Christine Montalbetti: Die Eskapade (L’escapade), zur Ausstellung beautifuldays von Jean-Marc Bustamante. Kunsthaus Bregenz, 2006.[16]
Theaterstücke
Annick Lefebvre: Stacheldraht. (Les barbelés, 2017) In Neue französischsprachige Theaterstücke. (= Scène, 22). Berlin 2020, ISBN 978-3-95749-300-2, S. 51–75
Florence Minder: Saison 1. (Season One) In Neue französische Theaterstücke (= Scène, 21) Berlin 2019 (mit Frank Weigand)
Catherine Léger: Babysitter. In Neue französische Theaterstücke (= Scène, 20) Hrsg. Leyla-Claire Rabih, Frank Weigand. Theater der Zeit, Berlin 2017
Olivier Sylvestre: Das Gesetz der Schwerkraft. (La loi de la gravité) – „Festival Primeur für frankophone Gegenwartsdramatik“, Saarländisches Staatstheater, 25. November 2016, Theaterstückverlag Wimmer, München[17][18]
Sachbücher
Alain Montandon: Der Kuß. Eine kleine Kulturgeschichte. (Le Baiser. Le corps au bord des lèvres) Wagenbach, Berlin 2006[19]
mit Nathalie Mälzer-Semlinger: Jean-Noël Jeanneney, Googles Herausforderung. Für eine europäische Bibliothek. Wagenbachs andere Taschenbücher, WAT, Berlin 2006
Didier Eribon: Eine Arbeiterin. Leben, Alter und Sterben (Vie, vieillesse et mort d’une femme du peuple), suhrkamp, Berlin 2024.
Aus dem Englischen
Chinelo Okparanta: Unter den Udala Bäumen. Das Wunderhorn, 2018 (zusammen mit Maria Hummitzsch)
Ramón Trigo: Las bombillas que se encienden y se apagan – Glühbirnen. Internationales Literaturfestival Berlin 2010
Ana Maria Machado: Niña bonita – Schönes schwarzes Mädchen. Internationales Literaturfestival Berlin 2009
Susana Guzner: Unberechenbare Geometrie der Liebe. Daphne Verlag, 2005
Dokumentarfilme (Untertitel, Voice-over und Voice-off)
Serge Bromberg, Eric Long: Charlie Chaplin, wie alles begann. Ein Tramp erobert die Welt. Frankreich 2013, 60 Min.
Sylvain Bergere: Ungarn erzählt von … Péter Esterházy und Péter Nádas. Frankreich 2013, 53 Min.
Jean-Jacques Lebel, Yavier Villet: Beat Generation: Jack Kerouac, Allen Ginsberg, William S. Burroughs. Frankreich 2013, 55 Min.
Reiner Holzemer: Alles kommt aus dem Schwarz und verliert sich im Weiß. Deutschland 2012, 54 Min.
Stephanie Lamorre: L.A. – Gang de femmes – Die Mädchenbanden von L.A. Frankreich 2012, 84 Min.
Patric Jean: La domination masculine – die männliche Herrschaft. Frankreich 2009, 103 Min.
Reiner Holzemer: Juergen Teller. Deutschland 2011, 43 Min.
Delphine Dhilly: Les Gars et les Filles – Les Lovers / Jungs und Mädels – Die Lover. Frankreich 2011, 49 Min.
Pascal Vasselin: Prochain Arrêt: Montréal / Nächster Halt: Montreal (fünf Episoden). Frankreich 2011, 5 × 26 Min.
Béatrice Bakhti: Romans d’ados – Jugendgeschichten (in vier Teilen). Schweiz 2010, 1. Teil 97 Min., 2. Teil 104 Min., 3. und 4. Teil 98 Min.
Rémy Huberdeau: Transforming Family / Familie transformieren. Kanada 2012, 10 Min. (in Französisch auf Vimeo)
Marie-Pierre Grenier: Je les aime encore / I still love them. Kanada 2010, 13 Min. (zusammen mit Isabelle Mercier)
Essays
„Ihr Auftritt, bitte!“ Lesetraining in Wolfenbüttel. In: Übersetzen. 52. Jg., 1, 2018, S. 8 f. (zsue.de [PDF; 2,2 MB; Seminarbericht über Lesungen bei öffentlichen Auftritten]).
Die Literaturagenten vom 31.03.2019. (mp3) Themen der Sendung: … Jocelyne Saucier „Niemals ohne sie“ … In: Radio Eins.Rundfunk Berlin-Brandenburg, 31. März 2019, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. April 2019; abgerufen am 17. Juni 2019 (Interview mit Finck, 08:28–34:30 Min., über Saucier, Niemals ohne sie [2019], Besonderheiten der kanadischen Landschaft im Buch und über die Sprache Sauciers).
↑Sonja Finck: (Un-)Sichtbarkeit in der literarischen Übersetzung anhand von Assia Djebars L’Amour, la fantasia. Diplomarbeit, Düsseldorf 2004, S. 6.
↑Beate Tröger: „Vom Tod her denken“. Interview. Annie Ernaux’ „Die Jahre“ war Inspiration für Didier Eribon. Wir haben mit ihrer deutschen Übersetzerin gesprochen. In: Der Freitag. 46/2017, abgerufen am 17. Februar 2019.
↑Im Original: « Ce n’est pas une maison d’edition qui m’a proposé de traduire Fever. J’ai choisi moi-même ce texte – ce qui est rarement le cas dans notre métier. Et j’ai ainsi pu constater que l’on ne traduit jamais mieux quand on éprouve une vraie affinité envers le texte. » Aus Sonja Fincks Rede bei der Verleihung des André-Gide-Preises an sie: La traduction – un amalgame, une chimère, un mouvement infini (französisch, zu Deutsch: „Die Übersetzung – ein Amalgam, eine Chimäre, eine unabgeschlossene Bewegung“).
↑Internationaler Übersetzertag. Verband deutschsprachiger Übersetzer VdÜ, abgerufen am 12. März 2019 (Veranstaltungsankündigung zum Hieronymustag 2019).
↑direkt ausleihbar in der BRD nur in der Stadtbibliothek Bremen; ansonsten bei allen Fernleihen für Blinde.
↑Auszug aus Kuessipan. Mémoire d'encrire, Montréal 2011 u. ö., in frz. Sprache. Verfilmt unter dem gleichen Titel (auch: engl. UT). Inhaltsangabe in Deutsch. 2 Standbilder. In Frz., Engl. und Innu. Der Film konnte in Hamburg nicht öffentlich gezeigt werden wegen gesetzlicher Vorgaben (Pandemie).
↑Er ist alleiniger Übersetzer aller übrigen Novellen des Bandes außer den beiden hier genannten.
↑Uraufführung, französisch: 21. September 2017 durch die Compagnie „La Nuit te soupire“ auf dem „Festival des Francophonies en Limousin“, Limoges, unter der Regie von A. Thibault. Eine weitere deutsche Aufführung fand statt am 18. Januar 2019 im Landestheater Coburg, unter der Regie von Camille Hafner, Coburg. Das Stück erhielt den 1. Preis des „3. Coburger Forums für junge Autoren“. Weitere Auff.: Theater im Fridericianum, Kassel, ab 15. März 2020
↑Personalia: André-Gide-Preis für Sonja Ulrike Finck. In: HHU Uni-Magazin. Hrsg. von der Pressestelle der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. 2007, Nr. 1, S. 52 (uni-duesseldorf.de [PDF; 2,5 MB]).
↑Dazu Inger Lison, Jan Standke: Verwobene Schicksale. Jugendbuchpreis für Bonnie-Sue Hitchcock und Sonja Finck. In: JuLit. Jg. 43, Heft 4, Dezember 2017: Mischt Euch ein! S. 24–28.