Sigismund Friedrich Hermbstädt (* 14. April1760 in Erfurt; † 22. Oktober1833 in Berlin) war ein deutscher Apotheker, Chemiker, Brauwissenschaftler, technischer Schriftsteller, Technologe und „Unternehmensberater“.
Hermbstädt setzte sich zeit seines Lebens für die Verbreitung handwerklicher und industrieller Techniken ein. Hierzu hielt er Unterrichtskurse für Gewerbetreibende ab und veröffentlichte eine Vielzahl von Abhandlungen und Büchern, in denen er auf die Technologien sowie die Physik und Chemie der dargestellten Verfahren einging. Er leistete einen wesentlichen Beitrag zur Modernisierung und Rationalisierung von Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe in Preußen zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Nachdem er in seiner Heimatstadt die St.-Michaelis-Schule, eine Volksschule, und 1773 bis 1774 das Ratsgymnasium besucht hatte, begann Hermbstädt in Erfurt eine Apothekerlehre, vermutlich in der Schwan-Apotheke von Wilhelm Bernhard Trommsdorff. Daneben besuchte er an der Universität Vorlesungen über Arzneiwissenschaft und Chemie. Nach der Promotion ging er als Repetent nach Langensalza in die von Johann Christian Wiegleb begründete pharmazeutische Lehranstalt. 1781 trat er eine Stelle als Gehilfe in der Ratsapotheke in Hamburg an.
1791 erfolgte in Berlin seine Berufung als ordentlicher Professor für Chemie und Pharmazie an das Collegium medico-chirurgicum. Gleichzeitig betraute man ihn auch mit der Verwaltung der königlichen Hofapotheke, eine Aufgabe, die er sieben Jahre lang wahrnahm. In dieser Zeit erfolgten die Ernennung zum Rat am Obercollegium medicum, zum Assessor des königlichen Manufactur- und Commerzcollegiums sowie zum Assessor bei der Salzadministration. Letzteres bewirkte seine Mitwirkung in chemisch-technologischen Fragestellungen im Ressort des Ministers Carl August von Struensee. Wegen eines Aufstandes auf der Zuckerinsel San Domingo (Haiti) wurde Zucker 1791 in Preußen knapp und teuer. Hermbstädt sollte daher nach Ersatzlösungen suchen. Obwohl Andreas Sigismund Marggrafs und Franz Karl Achards Arbeiten bekannt waren, führte Hermbstädt eigene Untersuchungen an einheimischen Pflanzen wie Türkischem Weizen, Bärenklau, Birken, Rüben und anderen Pflanzen durch. Letztlich blieben seine Arbeiten, wie die seines „Widersachers“ Achard, im ausgehenden 18. Jahrhundert ohne Erfolg.
Hermbstädt beschäftigte sich mit fast allen Anwendungen der damaligen Technologie, der Landwirtschaft und der Pharmazie, veröffentlichte darüber Abhandlungen und sorgte so für eine Verbreitung des vorhandenen Praxiswissens. Er befasste sich u. a. mit der Einrichtung einer Zuckersiederei, Druckverfahren, Herstellung von Bleiweiß, Färberei, Gerberei, Branntweinherstellung, Bierbrauen, Veredelung von Flachs und Hanf, Kultivierung der Tabakpflanze und vielen anderen Technologien.
Bereits im November 1810 versuchten Rektor und Senat der Universität Berlin die „Section für öffentlichen Unterricht“ im Innenministerium dafür zu gewinnen, beim König „den Herrn Geheimen Rath und Profeßor extraordinarius Hermbstaedt zum ordentlichen Profeßor der Technologie, jedoch ohne eine eigene Besoldung“ vorzuschlagen.[1] Die Sektion jedoch hielt „es überhaupt nicht für gut, wenn Männer, die schon in andern Geschäfts Verhältnißen leben, Antheil an den, mit den ordentlichen Professuren in der Regel verbundenen, Facultäts-Arbeiten erhalten.“[2]
Ab 1811 war er dort ordentlicher Professor für Chemie und Technologie.
Ab 1816 hielt Hermbstädt auch Vorlesungen an der Bergakademie.
Wesentlichen Einfluss hatte Hermbstädt auch auf das chemische Denken seiner Zeit. Seine Übersetzung der Werke Lavoisiers, dessen Traité élémentaire des chimie er als Des Herrn Lavoisiers System der antiphlogistischen Chemie 1792 herausgab, führte zu einer raschen Abkehr von der Phlogiston-Theorie. Auch um die rasche Verbreitung der neuen chemischen Nomenklatur (Lavoisier, Berthollet, Guyton de Morveau, 1787) hat sich Hermbstädt verdient gemacht.
Beitrag zur Geschichte der Krankheit und letzten Lebenstage des Königs Friedrich Wilhelm II., 1798, Digitalisat
Handbuch der pharmaceutischen Praxis oder Erklärung der in den Apotheken aufgenommenen chemischen Zubereitungen : mit ganz vorzüglicher Rücksicht auf die neue preussische Pharmacopoe und nach physisch-chemischen Grundsätzen entworfen. Berlin 1801. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Allgemeine Grundsätze der Bleichkunst oder theoretische und praktische Anleitung zum Bleichen des Flachses, der Baumwolle, der Wolle und Seide, so wie der aus ihnen gesponnenen Garne, und gewebten oder gewürkten Zeuge : nach den neuesten Erfahrungen der Physik, Chemie und Technologie bearbeitet / von Sigismund Friedrich Hermbstädt. Realschulbuchhandlung, Berlin 1804 Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Archiv der Agrikulturchemie für denkende Landwirte, 7 Bde. 1804–1817.
Chemisch-technologische Grundsätze der gesammten Ledergerberey : oder theoretische und praktische Anleitung zur rationellen Kenntniß und Ausübung der Lohgerberey, der Corduan- und Saffiangerberey, der Juftengerberey, der Weiß- und Sämischgerberey, und der Pergamentfabrikation. Berlin 1805–1807. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Grundriß der theoretischen und experimentellen Pharmacie zum Gebrauch bey Vorlesungen und zur Selbstbelehrung beym Mangel des mündlichen Unterrichts für angehende Aerzte, Wundärzte und Apotheker entworfen / von Sigismund Friedrich Hermbstädt. – 2., durchaus umgearb. u. verb. Aufl. – Berlin, 1808 (Band 1–2) Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Bulletin des Neuesten und Wissenswürdigsten aus der Naturwissenschaft, so wie den Künsten, Manufakturen, technischen Gewerben, der Landwirthschaft und der bürgerlichen Haushaltung. Amelang, Berlin 1809–1813 (Digitalisat)
Fabrikation des Rums in Indien, 1813
Anleitung zur praktisch-ökonomischen Fabrikation des Zuckers aus den Runkelrüben : nebst e. Anweisung zur Fabrikation des Syrups und Zuckers aus Stärke, aus Ahornsaft, aus Aepfeln und Birnen, aus Weinmost, aus Pflaumen, aus Moorrüben, aus Mais etc., so wie zur Benutzung jener Substanzen auf Branntwein und auf Essig ; mit 5 Kupfern. Realschul-Buchhandlung, Berlin 2. Ausg. 1814 Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Chemische Grundsätze der Kunst Bier zu brauen, 1814
Gewinnung und Raffination des Zuckers, 1815
Grundriss der Technologie, 1816
Chemische Grundsätze der Kunst, Branntwein zu brennen, theoretisch und practisch dargestellt : nebst e. Anweisung zur Fabrikation der wichtigsten Liqueure ; mit 12 Kupfertaf. . Amelang, Berlin 1817 Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Chemische Grundsätze der Destillirkunst und Liquörfabrikation; oder theoretisch-praktische Anleitung zur rationellen Kenntniß und Fabrikation der einfachen und doppelten Branntweine, der Créme's, der Oele, der Elixire, der Ratafia's und der übrigen feinen Liquöre : mit vier Kupfertafeln. Amelang, Berlin 1819 Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Chemische Grundsätze der Kunst, Bier zu brauen : oder Anleitung zur theoretisch-praktischen Kenntniß und rationellen Beurtheilung der neuesten und wichtigsten Entdeckungen und Verbesserungen in der Bierbrauerei, nebst Anweisung zur praktischen Darstellung der wichtigsten in Deutschland und in England gebräuchlichen Biere und einiger ganz neuen Arten derselben. Amelang, Berlin 3. Aufl. 1826 (Band 1–2) Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Gemeinnütziges Handbuch oder Anleitung, wollene, seidene, baumwollene und leinene Zeuge ächt und dauerhaft selbst zu färben, zu bleichen und ohne Zerstörung der Farben zu waschen : so wie zur Selbszubereitung der gemeinen und der feinen Seifenarten, der Essige, Moutarden, künstlichen Weine, wein- und bierartigen Getränke, künstlichen Hefen, verschiedener Arten Tinte, Räuchermittel und anderer nützlicher Gegenstände ; zur wirthschaftlichen Benutzung für städtische und ländliche Haushaltungen / von Sigismund Friedr. Hermbstädt. Amelang, Berlin 1827 Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
Anleitung zur chemischen Zergliederung der Vegetabilien überhaupt und der Getreidearten insbesondere, 1831
Christoph Friedrich: Verteidiger der modernen Chemie. 250. Geburtstag Hermbstaedts. In: Pharmazeutische Zeitung, Jg. 155 (2010), H. 15, S. 70–76.
Werner E. Gerabek: Herm(b)städt, Sigismund Friedrich. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 573.
Theophil Gerber: Persönlichkeiten aus Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau und Veterinärmedizin. Biographisches Lexikon. Band 1: A–L. 4. Auflage, Nora Verlag, Berlin 2014, S. 295.
Einzelnachweise
↑GStA PK I. HA Rep. 76 V a Sekt. 2 Tit. IV Nr. 5, Bd. 1, fol. 1 r
↑GStA PK I. HA Rep. 76 V a Sekt. 2 Tit. IV Nr. 5, Bd. 1, fol. 2 f.
↑Karlheinz Gerlach: Die Freimaurer im Alten Preußen 1738–1806. Die Logen in Berlin. Teil 1 (= Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei 14.1). Innsbruck 2014, S. 300 (Nr. 154).