Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Wiedereröffnung der Universitäten in der Sowjetischen Besatzungszone richtete die Sowjetische Militäradministration (SMAD) eine akademische Ausbildung für Journalisten einzig in Leipzig ein. Im August 1951 wurde Wilhelm Eildermann zum Professor an der Universität Leipzig und Direktor des neugeschaffenen Instituts für Journalistik und Zeitungswissenschaft berufen. Eildermann, der vor 1933 Chefredakteur von KPD-Zeitungen und von 1947 bis zu seiner Berufung 1951 Redaktionsleiter des Pressedienstes im ZK der SED, wurde ohne Promotion berufen, was selbst in der DDR der 1950er Jahre an Universitäten ungewöhnlich war.[1] 1954 wurde aus dem Institut offiziell die „Fakultät für Journalistik“, und Hermann Budzislawski übernahm als Dekan die Leitung.[2] 1963 ging die Leitung der Fakultät an Wolfgang Rödel über.[3] Von 1965 bis 1967 folgte darauf das Dekanat von Franz Knipping.[4] Von 1967 bis 1978 war Emil Dusiska Dekan.1968 wurde die Fakultät in „Sektion Journalistik“ umbenannt. Letzter Direktor der Sektion Journalistik vor der „Wende“ war von 1978 bis 1989 Gerhard Fuchs, der vorher für 15 Jahre Chefredakteur bei den SED-Bezirkszeitungen Das Volk bzw. Freies Wort gewesen war.[5]
1951 bezog die Fakultät für Journalistik eine Villa mit Verkleidungen aus Rochlitzer Porphyrtuff in der Tieckstraße 2–6,[6] südöstlich der Galopprennbahn Scheibenholz.[7] Auf dem Areal zwischen Tieckstraße, Fockestraße und Kurt-Eisner-Straße befanden sich auch Wohnunterkünfte für die Studenten. Später zog die Sektion in das 1972 fertiggestellte Universitäts-Hochhaus ein.
Zulassung, Studieninhalte und politische Beeinflussung
Zulassungsvoraussetzung war neben dem Abitur ein einjähriges Volontariat in einer Presse-, Hörfunk- oder Fernsehredaktion. Spezifisch für die DDR war die zentrale Vergabe aller Studienplätze und in den 1950ern und 1960ern die Delegation zum Studium durch Volkseigene Betriebe. Beides sorgte dafür, dass nur „politisch zuverlässig“ erscheinende Studienbewerber zugelassen wurden. Eine Parteimitgliedschaft in der SED war bei Bewerbern von Vorteil, aber nicht zwingend. In den 1980er Jahren mussten die Studienbewerber nach dem Volontariat eine einwöchige Aufnahmeprüfung bestehen, die in Bad Saarow stattfand.[8] Von den 100 Dozenten waren 1989 nur drei nicht Mitglied der SED.[9]
Das Studium dauerte vier Jahre. Es war in ein Jahr Grundstudium, zwei Jahre Fachstudium und ein Jahr Spezialstudium eingeteilt. Im Grundstudium standen die „sozialistische Gesellschaftstheorie“ und die Grundlagen des Journalismus im Vordergrund. Im Fachstudium erfolgte die theoretische und praktische Ausbildung, während im Spezialstudium die Fächer der Spezialisierung auf ein bestimmtes Medium folgten. Ziel der sozialistischen Konzeption von Presse war die Verbreitung des Marxismus-Leninismus in alle Teile der Bevölkerung. Offiziell wurde der Journalist von der DDR-Staatspartei wie folgt definiert: „Funktionär der Partei der Arbeiterklasse, einer anderen Blockpartei (bei Mehrpareiensystemen im Sozialismus) bzw. einer gesellschaftlichen Organisation und der sozialistischen Staatsmacht, der mit journalistischen Mitteln an der Leitung ideologischer Prozesse teilnimmt. Er hilft, das Vertrauensverhältnis des Volkes zu Partei und Staat zu festigen. (…) Durch Wort und Bild nimmt er zielgerichtet auf die Herausbildung, Entwicklung und Festigung des sozialistischen Bewusstseins des Volkes Einfluß.“[10]
Da die Planung der Absolventenzahlen nach den Bedarfsplänen der Medien erfolgte, war den Absolventen ein Platz in einer Redaktion so gut wie sicher. Die Zuweisung des Diplom-Journalisten an ihre zukünftigen Arbeitgeber erfolgte durch die Abteilung Agitation im Zentralkomitee der SED bzw. durch das Presseamt beim Ministerrat der DDR. Der einzige andere Weg zum Journalistenberuf in der DDR führte über die Leipziger Fachschule für Journalistik des Verbands der Journalisten der DDR. Die theoretische Ausbildung an dieser eher einer Journalistenschule vergleichbaren Einrichtung übernahmen hauptsächlich Dozenten der Sektion Journalistik.[11]
Die Studenten, Dozenten und anderen Mitarbeiter der Sektion Journalistik standen aus zwei Gründen im Mittelpunkt des Interesses der Staatssicherheit: Einerseits galt es, die Sektion Journalistik und damit die zukünftigen Vertreter des „parteiischen Journalismus“ vor dem befürchteten Einfluss der „politisch-ideologischen Diversion“ abzuschirmen, und möglicherweise „unzuverlässige“ Studenten auszusieben. Andererseits waren Journalisten durch häufige Reisen, Interviews, eine Vielzahl an Kontakten und Einblick in die verschiedensten Lebenswelten ideal als Inoffizielle Mitarbeiter (IM) geeignet. Dazu fanden an der Sektion Journalistik flächendeckend Sichtung und gegebenenfalls Perspektivwerbung von Studenten statt. Das erste Zugriffsrecht hatte dabei die für die Auslandsspionage zuständige Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), die primär Journalisten mit der Aussicht auf Tätigkeit als Reisekader – und damit Reisen in das westliche Ausland – anwarb. Nach MfS-Oberstleutnant Günter Bohnsack, selbst Absolvent der Sektion Journalistik, wurden grundsätzlich alle Studenten an der Sektion durch die HVA erfasst und für den Zugriff durch andere MfS-Diensteinheiten gesperrt. Diese konnten erst dann auf Studenten zugreifen, wenn die HVA eine Werbung nicht durchführen wollte oder konnte.[12] Ein ehemaliger HVA-Führungsoffizier gab 2002 an, dass immer „[z]wei bis drei Leute pro Seminargruppe“ zur Staatssicherheit gehörten, d. h. IM waren.[13] Eine Seminargruppe bestand aus 18 bis 20 Studenten.
Ende und Nachwirkung
Unter dem Eindruck der friedlichen Revolution in der DDR wurde im November 1989 eine neue Sektionsleitung eingesetzt. Neuer Direktor wurde Günter Raue, vorher Prorektor für Erziehung und Ausbildung. Seine Stellvertreter waren Klaus Preisigke, vorher Lehrstuhlleiter Fernsehjournalistik und der Pressehistoriker Hans Poerschke. Bei einer Vertrauensabstimmung im Dezember 1989 wurden Raue und Preisigke abgesetzt, die Leitung fiel an Poerschke. Ende 1989 wurde das erste und zweite Studienjahr nach Hause geschickt, um ein neues Lehrprogramm zu erarbeiten. Im Dezember 1990 wurde das Institut abgewickelt.[14]
Zu den Absolventen der Sektion Journalistik, deren berufliches Fortkommen im westdeutschen Medien- und Politikbetrieb durch ihre IM-Tätigkeit erschwert wurde,[13] gehören Dörte Caspary, die 1999 als Parteisprecherin der SPD vorgesehen war,[17] der MDR-Moderator Ingo Dubinski, der allerdings schon vor seinem Studium in Leipzig angeworben wurde, und der ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf. Nach Boßdorfs Erinnerung sei sein erstes Treffen mit einem Stasi-Mitarbeiter durch einen Lehrbeauftragten der Sektion Journalistik während Boßdorfs Studium arrangiert worden.[18]
Professoren
Diese Liste enthält die insgesamt 25 ordentlichen und außerordentlichen Professoren an der Fakultät für Journalistik (1954–1968) bzw. Sektion Journalistik (1969–1990) nach dem Professorenkatalog der Universität Leipzig. Personen, die nur einen Lehrauftrag innehatten, sind nicht aufgeführt.
1958–1966 stellv. JW-Chefred., 1974–1989 Chefred. der TPSJ
Literatur
Patrick Conley: Der parteiliche Journalist. Metropol, Berlin 2012, ISBN 978-3-86331-050-9, S. 33–46 (Kapitel: „Institutionelle Rahmenbedingungen“).
Bernd Freise: Journalisten – Funktionäre des Staates: acht Jahre Journalistische Fakultät in Ostdeutschland. In: International Communication Gazette, Vol. 3, Nr. 4 (November 1957), S. 333–336, doi:10.1177/001654925700300405.
↑Lothar Mertens: Priester der Klio oder Hofchronisten der Partei? Kollektivbiographische Analysen zur DDR-Historikerschaft. V & R unipress, Göttingen 2006, ISBN 3-89971-307-9, S. 93.