Das Seerecht ist das älteste Sonderrecht eines Transportmittels. Das Rhodische Seerecht galt als das erste und umfassendste Seerecht überhaupt, es war jedoch ungeschriebenes Gewohnheitsrecht.[3] Das Recht des Seehandels ist auf das Rhodische Seerecht (lateinischlex Rhodia) von Rhodos des 8. und 9. Jahrhunderts vor Christus zurückzuführen.[4] Rhodos war dem HistorikerStrabon (etwa 63 v. Chr. – nach 23 n. Chr.) zufolge wegen seiner gesetzlichen Ordnung und des Seewesens berühmt.[5]Isidor von Sevilla sprach nach 560 n. Chr. davon, dass es rhodische Gesetze über den Seehandel gebe.[6]
Im Mittelalter beteiligte sich Gottfried von Bouillon um 1000 an der Verfassung der Assisen von Jerusalem, die teilweise auch Seerecht enthielten. Jacob I. erließ 1258 eine Seemannsordnung. Inzwischen entstanden zwischen 1160 und 1286 die Rôles d’Oléron, die heute als älteste schriftliche Fixierung von Seerechtssätzen gelten. Sie beschrieben das Gewohnheitsrecht auf See, die Handelsbräuche des Seehandels und beinhalteten einen Katalog von Bußbestimmungen bei Zuwiderhandlungen. Das Seerecht von Wisby (schwedischWaterrecht tho Wisby) erschien wohl nach 1350 und enthielt sowohl einen Teil aus Lübecker Satzungen als auch der Rôles d’Oléron;[12] die frühesten erhaltenen Drucke sind in mittelniederländischer (1532, Amsterdam) und mittelniederdeutscher (1537, Lübeck) Sprache verfasst. Der französische Meeresführer (französischGuidon de la mer) lässt sich auf die Zeit zwischen 1556 und 1584 datieren und beinhaltete die Seekontrakte (beispielsweise die Großaventurei) und die Seeversicherung. Teile hiervon übernahm 1681 die Ordonnanz Ludwigs XIV. Das alte Hanseatische Seerecht entstand 1591[13] und wurde als „Hansestädte Schiffsordnung und Seerecht“ am 23. Mai 1614 publiziert. Dänemark führte sein erstes einheitliches Seerecht 1561 ein, England folgte 1651, Schweden 1667; Frankreich vereinheitlichte 1681 sein Seerecht mit dem Seegesetz (französischOrdonnance de la Marine), die Niederlande folgten im Jahre 1711.[14]
In Preußen begann die Kodifikation mit dem preußischen Seerecht vom Dezember 1727, dessen Inhalt in das Allgemeine Preußische Landrecht (APL) vom Juni 1794 einging.[15] Es behandelte als erstes gesamtdeutsches Gesetz ein einheitliches Seerecht (II, 8, § 1389 ff. APL).[16] Nach II 8, § 1658 APL war dem Befrachter ein „Empfangsschein, oder sogenanntes Connoissement (Konnossement; d. Verf.)“ auszustellen.[17] Das ADHGB vom Mai 1861 erfasste erstmals ein gemeines deutsches Seehandelsrecht und regelte unter anderem in den Art. 557 ff. ADHGB den Seefrachtvertrag,[18] dessen Bestimmungen vom HGB im Januar 1900 wörtlich übernommen wurden. Der Seefrachtvertrag bezog sich auf das ganze Schiff, einen Teil hiervon oder auf einzelne Güter („Stückgüter“; Art. 557 ADHGB), worüber eine Charter-Partie („Chartepartie“) auszustellen war (Art. 558 ADHGB).[19] Gemäß Art. 480 ADHGB und Art. 481 ADHGB hatte der Verfrachter („Schiffer“) für Seetüchtigkeit bzw. Ladungstüchtigkeit des Schiffs zu sorgen. Dem Verfrachter stand gemäß Art. 624 ADHGB ein gesetzliches Pfandrecht am Frachtgut wegen nicht bezahlter Fracht zu. Das Konnossement regelten die Art. 645 ff. ADHGB.
Im Jahre 1864 entstanden in York die York Antwerp Rules (YAP), die bis 1877 in Antwerpen ausgearbeitet und 1890 mit der Empfehlung veröffentlicht wurden, sie allen Seefrachtverträgen zugrunde zu legen. Sie betreffen die Versicherung großer Havereien und verteilen die Schäden an Schiff und Ladung.
Seestrafrecht: Regelt unter anderem die Gehorsams- und Disziplinarpflicht der Seeleute an Bord oder die Verkehrsbestimmungen auf See.
Als Sondergebiet gibt es zudem das Seeversicherungsrecht. Die Seeversicherung gehört zur Transportversicherung, doch sind gemäß § 209VVG die Regelungen des VVG über die Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt (Seeversicherung) nicht anzuwenden (siehe Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen).
Didier Ortolland: Weltseerecht. Die Verfassung der Meere und ihre Tücken. In: Le Monde Diplomatique. Nr.12/2022, 8. Dezember 2022, ISSN1434-2561, ZDB-ID 2650336-0, S.1, 12–13 (monde-diplomatique.de [abgerufen am 3. Januar 2023]).
↑Johann Andreas Engelbrecht, Corpus iuris nautici oder Sammlung aller Seerechte der bekanntesten handelnden Nationen, Band 1, 1790, S. 9
↑Johann Andreas Engelbrecht, Corpus iuris nautici oder Sammlung aller Seerechte der bekanntesten handelnden Nationen, Band 1, 1790, S. 23
↑Christoph Krampe: Römisches Recht auf hoher See. In: Iole Fargnoli, Stefan Rebenich (Hrsg.): Das Vermächtnis der Römer: Römisches Recht und Europa. Haupt Verlag, Bern 2012, ISBN 978-3-258-07751-2, S.111–150, S. 123 (Leseausschnitt [abgerufen am 12. Juli 2019]).
↑Karl von Kaltenborn, Grundsätze des praktischen europäischen Seerechts, besonders im Privatverkehre, 1851, S. 27
↑Meno Pöhls, Darstellung des Seerechts nach gemeinem und Hamburgischen Rechte, 1830, S. 27 ff.
↑Götz Landwehr, Das Preußische Seerecht vom Jahre 1727 im Rahmen der europäischen Rechtsentwicklung, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte, 1986, S. 113