Ein Science-Slam (englisch; im Deutschen auch Scienceslam; deutsch: Wissenschaftswettstreit, gebildet nach Poetry-Slam; auch Science Slam) ist ein wissenschaftliches Kurzvortragsturnier, bei dem Wissenschaftler (auch Science-Slammer) ihre Forschungsthemen innerhalb einer vorgegebenen Zeit vor Publikum präsentieren. Im Vordergrund steht die populärwissenschaftliche Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte; die Bewertung erfolgt durch das Publikum. Bewertet wird neben dem wissenschaftlichen Inhalt auch die Verständlichkeit und der Unterhaltungswert des Vortrags. Aufgrund der Kombination von wissenschaftlichem Fachvortrag, sportivem Wettbewerbscharakter und Unterhaltungselementen[1] kann ein Science-Slam als ein hybrides Event bezeichnet werden.[2]
Die Vortragenden sind überwiegend Nachwuchswissenschaftler. Sie präsentieren innerhalb von zehn Minuten eigene Forschungsthemen in populärwissenschaftlicher Sprache[3] und greifen im Wettstreit um die Gunst des Publikums tief in die Trick- und Rethorikkiste.[4] Im Anschluss wird der Vortrag vom Publikum (meist mittels Punktekarten oder Applaus) nach den obengenannten Kriterien bewertet und eine Siegerin bzw. ein Sieger gekürt. Der zu gewinnende Preis hat in der Regel nur symbolischen Charakter (beispielsweise das „goldene Gehirn“ in Braunschweig oder Münster[5] sowie die „goldenen Boxhandschuhe“ von science-slam.com).
Ein Science-Slam kann sowohl zur Förderung der Kommunikationsfähigkeit von (jungen) Wissenschaftler beitragen als auch dazu dienen, einem Laienpublikum verschiedene Wissenschaftsthemen zu vermitteln und Interesse daran zu wecken. Science-Slams bilden auf diese Weise ein Teilgebiet der Wissenschaftskommunikation.[6]
Das Vorbild der Science-Slams ist das Format des literarischen Vortragswettbewerbs Poetry-Slam. Das Format wurde Ende 2006 von dem Poetry-Slammer und Verständlichkeitsforscher Alex Dreppec in Darmstadt eingeführt, und ab 2008 von Markus Weißkopf (damals Haus der Wissenschaft Braunschweig) aufgenommen und verbreitet.
Die Vortragsform Science-Slam gilt als zeitgenössisches Phänomen. Theoretische oder empirische Untersuchungen über seine Auswirkungen auf den Wissenstransfer liegen bislang kaum vor.[7]
Ein verwandtes Format ist das FameLab, bei dem die Teilnehmenden nur drei Minuten zur Verfügung haben und von einer Jury bewertet werden.
Verbreitung
Deutschland
Der erste Science-Slam fand Ende 2006 in Darmstadt statt, weitere Städte folgten in den nächsten Jahren.
Regelmäßige Slams finden seit Juni 2008 in Deutschland im Braunschweiger Haus der Wissenschaft statt. Weitere Slams entwickelten sich seit 2009 in mehreren deutschen Städten. Gegenwärtig (Stand April 2016) finden in ganz Deutschland ca. 58 regelmäßige Science-Slams statt.[8][9][10]
Ein Vortrag von Giulia Enders mit dem Titel Darm mit Charme[11] aus dem Jahr 2012 wurde 2014 zur Grundlage ihres gleichnamigen Sachbuch-Bestsellers und sorgte für eine größere Popularität des Science-Slam im deutschsprachigen Raum.[12]
Der weltweit größte Science-Slam mit 4600 Besuchern fand Ende 2018 statt, veranstaltet durch Science-Slam.com (LUUPS Verlag) im RheinMain CongressCenter Wiesbaden.[30]
Deutsche Meisterschaften
Seit 2010 finden jährlich deutschsprachige Meisterschaften im Science-Slam statt. Seit 2012 sind dem Finale vier Vorentscheide vorgelagert, in denen sich die Slammenden in ihren jeweiligen Regionen (Nord, Ost, Süd, West) für das Finale qualifizieren müssen.[31] Die Meisterschaft 2023 im Theaterhaus Stuttgart gewann Lea Wirth mit ihrem Vortrag „EYE See YOU“ aus dem Bereich der Forensischen Toxikologie.[32] Am 9. November 2024 findet die nächste Deutsche Science Slam Meisterschaft in Göttingen statt[33].
Seit November 2010 findet auch in Österreich ein regelmäßiger Slam in Wien unter dem Titel „Science Slam Vienna“ statt. Dieser wird vom Verein „Die Wissenschaffer“ organisiert und auch als Fernsehformat aufgezeichnet. Die erste Ausstrahlung fand am 8. Januar 2011 im Programm des partizipativen TV-Senders Okto statt.
Schweiz
Ende November 2010 fand der erste Science-Slam in der Schweiz statt. Derzeit organisieren vier Universitätsstandorte dieses Event: Bern, Basel, Freiburg und Zürich.
Europameisterschaften
Seit 2014 finden jährlich Europameisterschaften im Science-Slam statt. Dabei wird das Finale immer im Herkunftsland des Vorjahressiegers abgehalten.
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Am 30. November 2011 wurde der Science-Slam mit dem goldenen Bürgerpreis der Stadt Münster ausgezeichnet, der mit 5000 Euro dotiert ist und zum siebten Mal vergeben wurde, unter dem Motto „Münster und seine Hochschulen. Miteinander – Füreinander“.[61]
Das Haus der Wissenschaft Braunschweig ist Preisträger im Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“, der von der Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“ in Kooperation mit der Deutschen Bank durchgeführt wird. Als „Ausgewählter Ort“ ist das Haus der Wissenschaft für die Etablierung des Science-Slams im Jahr 2011 Botschafter für das Land der Ideen und repräsentiert das Innovationspotenzial Deutschlands.[62]
Die Molekularbiologin und Wissenschaftskommunikatorin Julia Offe, die das Format „Science Slam“ maßgeblich mitentwickelt und in Deutschland etabliert hat, wurde von der Standortinitiative „Deutschland - Land der Ideen“ auch dafür als eine der „100 Frauen von morgen“ ausgezeichnet.[63]
Literatur
Eisenbarth, Britta; Weißkopf, Markus: Science Slam: Wettbewerb für junge Wissenschaftler. In: Dernbach, Beatrice, Kleinert, Christian, Münder, Herbert (Hrsg.): Handbuch Wissenschaftskommunikation. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-531-17632-1, S.155–163.
Hill, Miira: The New Art of Old Public Science Communication: The Science Slam. Routledge, 2022, ISBN 978-1-000-54816-7.
Hill, Miira: Innovative Popular Science Communication? Materiality, Aesthetics and Gender in Science Slams. In: Morcillo, Jesus Munoz; Robertson-von Trotha, Caroline Y. (Hrsg.): Genealogy of Popular Science : From Ancient Ecphrasis to Virtual Reality. transcript Verlag, Bielefeld 2020, ISBN 978-3-8376-4835-5.
Niemann, Philipp; Bittner, Laura; Hauser, Christiane; Schrögel, Philipp (Hrsg.): Science-Slam. Multidisziplinäre Perspektiven auf eine populäre Form der Wissenschaftskommunikation. Springer VS, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-658-28860-0.
Stimm, Maria: Science Slam: ein Format der Wissenschaftskommunikation aus erwachsenenpädagogischer Perspektive. transcript Verlag, Bielefeld 2019, ISBN 978-3-8376-4933-8.
Niemann, Philipp; Bittner, Laura; Hauser, Christiane; Schrögel, Philipp: Science-Slam, Multidisziplinäre Perspektiven auf eine populäre Form der Wissenschaftskommunikation, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-658-28860-0
Bertemes, Jean Paul, Haan, Serge and Hans, Dirk. 50 Essentials on Science Communication, Berlin, Boston: De Gruyter Mouton, 2024. https://doi.org/10.1515/9783110763577
scienceslam.ch – Website des Netzwerks Science Slam Schweiz
Einzelnachweise
↑Niemann, Philipp; Bittner, Laura; Hauser, Christiane; Schrögel, Philipp: Prodesse et delectare: Science-Slams in der Wissenschaftskommunikation. In: Niemann, Philipp; Bittner, Laura; Hauser, Christiane; Schrögel, Philipp (Hrsg.): Science-Slam. Multidisziplinäre Perspektiven auf eine populäre Form der Wissenschaftskommunikation. 2020, S.1–7, doi:10.1007/978-3-658-28861-7_1.
↑Kirchner, Michaela., Knoll, Thomas., Jansen-Meinen, Vanessa., Moldrzyk, Uwe., Kirchner, Michaela,: Events in der Wissenschaft. 1., neue Ausg Auflage. innokomm Forschungszentrum, Berlin 2013, ISBN 978-3-9814811-4-3.
↑Kleinert, Christian., Münder, Herbert.: Handbuch Wissenschaftskommunikation. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2013, ISBN 978-1-283-91363-8.
↑Philipp Niemann, Laura Bittner, Christiane Hauser, Philipp Schrögel: Science-Slam: Multidisziplinäre Perspektiven auf eine populäre Form der Wissenschaftskommunikation. Springer-Verlag, 2020, ISBN 978-3-658-28861-7, S.41.
↑Titus Arnu Wiesbaden: Am Ende gewinnt der stahlharte Keksologe. In: sueddeutsche.de. 25. November 2018, ISSN0174-4917 (Online [abgerufen am 5. Februar 2019]).
↑Bürgerstiftung vergibt den Bürgerpreis 2011 / Science Slam vor Kompetenzzentrum. In: Westfälische Nachrichten. Münster 1. Dezember 2011 (Online [abgerufen am 24. April 2017]).