Salmiak kristallisiert im kubischen Kristallsystem und entwickelt nur selten kleine, kantengerundete Kristalle in Form von Deltoidalikositetraedern sowie Zwillinge mit der Oktaederfläche (111) als Zwillingsachse. Verzerrte Kristalle erscheinen zudem tetragonal. Meist findet sich das Mineral als stalaktitische, faserige oder erdige Mineral-Aggregate sowie als krustige Überzüge. In reiner Form ist Salmiak farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß sein und durch Fremdbeimengungen eine gelbliche bis bräunliche Farbe annehmen.
Die von antiken Autoren überlieferte, griechische Bezeichnung ἃλς ἀμμωνιακός háls ammoniakós bezeichnete nicht den Salmiak, sondern beschrieb ein Steinsalz aus Ägypten (aus der Umgebung eines in einer Oase gelegenen Jupiter-Ammon-Tempels). Der Ursprung des schon im Mittelalter fälschlich als sal ammoniacum[8] wiedergegebenen Wortes für Salmiak liegt jedoch wahrscheinlich im lateinischen Ausdruck sal armoniacum (richtiger sal armeniacum) bzw. griechischen ἃλς ἀρμενιακός háls armeniakós und hatte die Bedeutung „Armenisches Salz“ und weist nicht auf Jupiter Ammon, sondern auf in Armenien als unreines, vor allem mit anderen Ammoniumsalzen und Natron vermischtes, Ammoniumchlorid natürlich vorkommenden Salmiak hin.[9][10][11]
Die Verbindung Chlorammonium wurde erstmals 1546 durch Georgius Agricola beschrieben und als Salammoniac (von lateinisch salammoniacum[12]) bezeichnet. Er bezog sich dabei allerdings auf synthetisch erzeugtes NH4Cl, das im Orient aus Tiermist hergestellt[3] bzw. aus gefaultem Urin und Kochsalz gewonnen wurde.[13] Die synthetische Herstellung von Salmiak war nachweislich mindestens seit der Zeit um 1100 bekannt.[14]
Das aus sal armoniacum (gelegentlich auch sal armoniac und armoniacum geschrieben) entstandene Wort „Salmiak“ (früher auch „Salmiac“) wurde erst um 1700 gebräuchlich. Zuvor wurden in deutschsprachigen Texten meist die Formen salmiax oder salarmiax,[15] aber auch „Salarmoniak“[12] und Armoniac[16] verwendet.
Eine erste Erwähnung von natürlich gewachsenem Salmiak findet sich in der 1758 von dem Sankt Petersburger Apotheker Johann Georg Models verfassten Abhandlung „Versuche und Gedanken über ein natürliches und gewachsenes Salmiak“.[14] Als erste Fundorte für natürlichen Salmiak gelten die Vulkane Ätna und Vesuv in Italien, wo sich das Mineral an den Austrittsstellen vulkanischer Gase niederschlägt.[3] Die natürliche Entstehung von Salmiak wurde 1809 durch Leopold von Buch bestätigt. Er beobachtete am Vesuv die Abkühlung eines Lavastroms, der sich innerhalb von wenigen Stunden mit einer dicken, weißen Kruste aus Salmiak bedeckte.[14]
Salmiak war bereits lange vor der Gründung der International Mineralogical Association (IMA) bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt. Damit hätte Salmiak theoretisch den Status eines grandfathered Mineral. Im September 2007 wurde allerdings ein Vorschlag zur Korrektur von Mineralnamen mit fehlenden diakritischen Zeichen sowie aus zwei Wörtern bestehenden und mit überflüssigen Bindestrichen bzw. diakritischen Zeichen versehenen Mineralnamen eingereicht (Vorschlag IMA 07-C). Dieser wurde von der Commission on new minerals and mineral names genehmigt und die bis dahin aus zwei Worten bestehende, internationale (englische) Schreibweise sal ammoniac wurde zu salammoniac korrigiert.[17] Da dies automatisch eine nachträgliche Anerkennung für das Mineral bedeutete, wird es seitdem in der „Liste der Minerale und Mineralnamen“ der IMA unter der Summenanerkennung „IMA 2007 s.p.“ (special procedure) geführt.[1] Die seit 2021 ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) von Salmiak lautet „Sam“.[2]
Klassifikation
Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Salmiak zur Mineralklasse der „Halogenide“ und dort zur Abteilung „Einfache Halogenide“, wo er als einziger Vertreter in der Gruppe „Salmiak“ mit der Systemnummer III/A.03 steht.
Im zuletzt 2018 überarbeiteten „Lapis-Mineralienverzeichnis“, das sich im Aufbau noch nach der alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineralnummer III/A.04-010. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Einfache Halogenide“, wo Salmiak zusammen mit Lafossait eine unbenannte Gruppe mit der Systemnummer III/A.04 bildet.[5]
In der vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Dana hat Salmiak die System- und Mineralnummer 09.01.03.01. Dies entspricht ebenfalls der Klasse und gleichnamigen Abteilung „Halogenide“. Hier findet er sich innerhalb der Unterabteilung „Wasserfreie und wasserhaltige Halogenide mit der Formel AX“ in einer unbenannten Gruppe mit der Systemnummer 09.01.03, in der auch Lafossait eingeordnet ist.
Die Kristallstruktur besteht aus zwei kubisch primitiven Teilgittern. Das eine wird von den Cl−-Ionen und das andere von den (NH4)+-Gruppen gebildet. Beide Teilgitter sind so ineinander geschoben, dass jeweils ein Cl−-Ion von acht (NH4)+-Gruppen umgeben ist und umgekehrt. Der kristalline Aufbau von Salmiak entspricht damit der Caesiumchlorid-Struktur.
Als seltene Mineralbildung konnte Salmiak nur an wenigen Fundorten nachgewiesen werden, wobei bisher (Stand 2024) rund 120 Fundorte[19] als bekannt gelten. In Italien kennt man das Mineral noch aus anderen vulkanischen Vorkommen wie den Phlegräischen Feldern und dem Stromboli.
Bekannt für ihre außergewöhnlichen Kristallfunde sind unter anderem die brennenden Kohlehalden bei Kladno in der tschechischen Region Mittelböhmen, wo Kristalle von über einem Zentimeter gefunden wurden.[20]
In Österreich fand man das Mineral unter anderem am Muttlkogel im Kohlebergbaurevier Zangtal sowie bei Münzenberg und im Bergbau Seegraben in der Steiermark. Des Weiteren wurde es in einem Salzbergwerk bei Hall in Tirol entdeckt.
Der bisher einzige bekannte Fundort in der Schweiz ist das Salzbergwerk Bex im Kanton Waadt.
Weitere Fundorte liegen unter anderem in Belgien, Chile, China, Frankreich, Island, Japan, Mexiko, den Niederlanden, Norwegen, Peru, Polen, Portugal, Russland, Spanien, Südafrika, Tadschikistan, Tschechien, der Ukraine, Ungarn, Venezuela, im Vereinigten Königreich (UK) und in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[21]
Johann Georg Models: Versuche und Gedanken über ein natürliches oder gewachsenes Salmiak, nebst Erörterung einiger vom Hrn. Baron gemachten Einwürfe über das persische Salz. Joh. Friedrich Gleditschens Handlung, Leipzig 1758 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Julius Ruska: Sal ammoniacus, nusâdir und Salmiak. In: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften: philologisch-historische Klasse. Band14, Nr.5, 1923, S.3–23.
Georgius Agricola: De Re Metallica. Dover Publications, New York 1950, S.560, Sal-ammoniac (englisch, rruff.info [PDF; 216kB; abgerufen am 20. Dezember 2019] Latein: De Re Metallica. 1556. Übersetzt von Herbert Clark, Lou Henry Hoover).
B. K. Vainshtein: Refinement of the structure of the group NH4 in the structure of ammonium chloride. In: Trudy Instituta Kristallografii Akademiya Nauk SSSR. Band12, 1956, S.18–24 (englisch).
Helga Dittberner: Zur Geschichte des Salmiaks in der islamischen und vorislamischen Chemie. In: Rete. Band1, 1972, S.347–362.
Salammoniac search results. In: rruff.info. Database of Raman spectroscopy, X-ray diffraction and chemistry of minerals (RRUFF); abgerufen am 20. Dezember 2019 (englisch).
↑ abcdHugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S.150 (englisch).
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Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
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Otto Zekert, Österreichischer Apothekerverein, Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S.154 (Latein, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – Sal ammoniucum: Unreines ägyptisches Natronsalz, Salmiak).
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Dieter Lehmann: Zwei wundärztliche Rezeptbücher des 15. Jahrhunderts vom Oberrhein. Teil I: Text und Glossar (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Nr.34). Horst Wellm, Pattensen/Han. 1985, ISBN 3-921456-63-0, S.245.
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Gundolf Keil: Die „Cirurgia“ Peters von Ulm. Untersuchungen zu einem Denkmal altdeutscher Fachprosa mit kritischer Ausgabe des Textes (= Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm. Band2). Stadtarchiv, Ulm 1961, S.454 (zugleich Philosophische Dissertation Heidelberg 1960).
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Wilhelm Hassenstein, Hermann Virl: Das Feuerwerkbuch von 1420. 600 Jahre deutsche Pulverwaffen und Büchsenmeisterei. Verlag der Deutschen Technik, München 1941, S.40 und 106 (Erstausgabe: 1529, Neudruck mit Übertragung ins Hochdeutsche und Erläuterungen von Wilhelm Hassenstein).
↑Wolfgang Schneider: Untersuchungen über den Arzneischatz der Vergangenheit, 3. Mitteilung: Die wichtigsten pharmazeutisch-chemischen Produkte der alchemistischen und vorchemiatrischen Zeit. In: Arzneimittel-Forschung. Band10, 1960, S.509–513, hier: S. 510 f..
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