In der Präambel des Chemnitzer Programms der sächsischen Volkspartei verpflichtete sie sich dazu, „[…] die Feinde der deutschen Freiheit und Einheit unter allen Umständen und auf allen Gebieten zu bekämpfen […]“. Sie forderte „[…] das unbeschränkte Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes […]“, die Förderung des „[…] allgemeinen Wohlstands […]“ und „[…] die Befreiung der Arbeit und der Arbeiter von jeglichem Druck und jeglicher Fessel […]“.
Unmittelbar nach Preußens Sieg gegen Österreich im Deutschen Krieg und der Gründung des Norddeutschen Bundes am 18. August 1866 stellte diese Partei ein Zweckbündnis zwischen Radikaldemokraten, Marxisten und Bürgerlichen dar, die das gemeinsame Ziel der Eindämmung der preußischen Vorherrschaft im neuen Staatenbund miteinander verband. Dieses Ziel teilte sie mit den süddeutschen Liberalen, die sich in der Deutschen Volkspartei, einer Abspaltung der Deutschen Fortschrittspartei, gesammelt hatten. Den Unterschied zwischen den süddeutschen und den sächsischen „Liberalen“ bildete allerdings die sozialistische Komponente, die bei der Sächsischen Volkspartei mit dem Anspruch einer Interessenvertretung der Arbeiterbewegung eine deutlich größere Gewichtung hatte.
Im Gegensatz zu Preußen und der dortigen sozialdemokratischen Konkurrenzpartei, dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV), favorisierte die Sächsische Volkspartei eine stärker am Föderalismus orientierte „großdeutsche Lösung“, d. h. eine deutsche Reichseinigung unter Einbeziehung Österreichs mit mehr Rechten für die einzelnen Länder, während in Preußen mehrheitlich eine „kleindeutsche Lösung“ (ohne Österreich) bevorzugt wurde, um eine politische Dominanz Preußens in einem deutschen Nationalstaat zu gewährleisten.
Der Sieg Preußens über Österreich und die Gründung des norddeutschen Bundes, der den seit dem Wiener Kongress 1815 bestehenden deutschen Bund ablöste und der die deutschen Fürstentümer nördlich der Mainlinie enger an Preußen band, war ein erster Schritt des konservativen preußischen Ministerpräsidenten und norddeutschen BundeskanzlersOtto von Bismarck, die kleindeutsche Lösung durchzusetzen und damit das monarchische Prinzip unter Hoheit der preußischen Hohenzollern zu sichern. Bismarck stand einer Reichseinigung im Grunde immer reserviert gegenüber, er war aber realistisch genug, um zu erkennen, dass er die liberalen und nationalstaatlichen Ideen auf Dauer nicht unterdrücken konnte.
Für die Sächsische Volkspartei stand die Bismarcksche Politik für antidemokratische Reaktion, Militarismus und Polizeistaat. Bei den Wahlen zum Norddeutschen Reichstag errang die Sächsische Volkspartei 1867 drei Mandate. Neben dem eher Liberalen Reinhold Schraps zogen auch Wilhelm Liebknecht und August Bebel, die für den sozialistisch-marxistischen Flügel der Partei standen, als Abgeordnete in den neuen Reichstag in Berlin ein, wo sie gemeinsam mit der linksliberalen Deutschen Volkspartei gegen die preußische Regierungspolitik opponierten. Die Partei war aber von Anfang an zu schwach, ihre Flügel zu uneinheitlich und die politische Faktenlage zu eindeutig, um ihre Ziele bezüglich der nationalen Frage noch durchsetzen zu können. Dagegen gewannen die soziale Frage und die politische Interessenvertretung der Arbeiterklasse umso mehr an Gewicht in der Partei. Der bürgerliche Flügel bröckelte ab.
Nachgeschichte: Entwicklung zur SPD
Nach dreijährigem Bestehen wurde die Sächsische Volkspartei schließlich aufgelöst und durch eine neue Partei ersetzt, in der deren linker marxistischer Flügel aufging: Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) wurde am 7./8. August 1869 unter Federführung Bebels und Liebknechts in Eisenach als überregionale Partei gegründet. Beide behielten, nun für diese neue sozialistische Partei, ihre Reichstagsmandate.
Karsten Rudolph: Die Sächsische Volkspartei 1866–1869. Ein „flackerndes Irrlicht“ in der deutschen Geschichte? In: James N. Retallack (Hrsg.): Sachsen in Deutschland. Politik, Kultur und Gesellschaft 1830–1918 (= Studien zur Regionalgeschichte. Bd. 14). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2000, ISBN 3-89534-322-6, S. 83–96.