Richard Schröder mischt sich immer wieder in öffentliche Debatten ein.
1999 beteiligte er sich mit einem eigenen Vorschlag an der Diskussion über das Berliner Holocaust-Mahnmal.[7] Auch in der Debatte über die Fortschritte in der Hirnforschung und Biomedizin meldete sich Schröder zu Wort.[8] Im Karikaturenstreit rügte er die dänische Zeitung Jyllands-Posten wegen der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen.[9] Dem Neuen Atheismus eines Richard Dawkins wirft er Verabsolutierung der naturwissenschaftlichen Perspektive und eine unzureichende Kulturtheorie vor sowie Sprache und Impetus, die dem alten Atheismus der ehemaligen DDR nahe stünden.[10][11][12] Gegenüber dem neuen Atheismus Dawkins’ und dem Kreationismus macht Schröder gleichermaßen eine geisteswissenschaftliche und theologische Tradition geltend, die zwischen verschiedenen Textgattungen unterscheidet, Erzählungen in ihren ideengeschichtlichen Kontext einordnet und Entwicklungen im auszulegenden Text berücksichtigt.[11][13]
Schröder geriet 2007 nach einem Interview mit dem Deutschlandfunk in die Kritik. Darin warf er der 68er-Bewegung eine „atheistische Propaganda“ vor. Eine atheistische Propaganda habe es auch in der DDR gegeben. Das Christentum sei von der 68er-Bewegung „auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen“ worden. Schröder kritisierte in dem Interview auch die Aufklärung.[14]
Abtreibung
Wolfgang Böhmer äußerte sich 2008 zu einer Serie von Kindstötungen in Ostdeutschland und machte dafür die DDR-Mentalität verantwortlich: Da in der DDR seit 1972 eine Abtreibung in den ersten drei Monaten ohne weitere Angabe von Gründen möglich war, hätte sich dort eine „leichtfertigere Einstellung zum werdenden Leben“ entwickelt, die bis heute nachwirke.[15] Schröder war einer der wenigen, die Böhmer unterstützen. Schröder argumentierte, die DDR habe in Abtreibungen ein willkommenes Mittel für die höhere Verfügbarkeit von Arbeitskräften gesehen.[16]
Migrationskrise
2017 und 2018 bewertete Schröder die deutsche Migrations- und Flüchtlingspolitik kritisch. Im September 2015 und danach hätte die Bundesregierung zahlreiche Fehler gemacht. Die Prinzipien, die in seinen Augen zu gelten hätten, fasste Schröder so zusammen: Es gebe kein Menschenrecht auf Einwanderung, schon gar nicht in das Land der eigenen Wahl. Jeder Migrant habe sich an der deutschen Staatsgrenze bzw. an der europäischen Außengrenze ordnungsgemäß mit Personalpapieren auszuweisen. Wer dies nicht tue, begehe illegalen Grenzübertritt. Kein Mensch sei illegal, aber jeder Mensch könnte illegal wo sein, als Einbrecher beispielsweise. Man müsse zwischen Flüchtlingen bzw. Asylberechtigten und Einwanderern unterscheiden: „Flüchtlingen schützenden Aufenthalt zu gewähren ist eine Forderung der Humanität, und das darf auch etwas kosten oder: Es muss sich für uns nicht lohnen […] Bei Einwanderern dagegen dürfen wir unsere Interessen geltend machen. Einwanderung muss sich für uns lohnen.“[17] Unsortierte Zuwanderung sei die unrentabelste Art, fehlende Arbeitskräfte zu gewinnen. Der Irrtum, zu uns kämen die Ärmsten, habe fatale Folgen. Denn wir würden dann die wirklich Ärmsten, die gar nicht reisen könnten, übersehen. Weil unsere Einwanderungsbedingungen zu restriktiv seien, würden diejenigen, die einwandern wollen, Asyl beantragen. Armut und wirtschaftliche Not, Krieg und Bürgerkrieg seien aber nach internationalem Recht kein Grund für den Status eines Asylberechtigten. Wer zu uns komme, solle sich nach unseren Regeln richten oder er müsse wieder gehen. Zudem hält es Schröder für besser, wenn Migranten bei Einreise in ein „Aufnahmelager“ gekommen wären bzw. künftig kommen würden.[18] So habe man es doch auch mit DDR-Flüchtlingen und Spätaussiedlern aus Osteuropa gemacht. Während jeder deutsche Staatsbürger sich mit Dokumenten ausweisen müsse, habe man es seit 2015 hingenommen, dass Migranten die Feststellung ihrer Identität behindern und die Behörden durch Falschangaben bewusst in die Irre führen würden. Von daher hätte es Terroristen, die als Flüchtlinge getarnt gekommen wären, gelingen können, schlimme Terrorakte in Deutschland auszuführen. Für die Zukunft rät Schröder: „Am besten wäre es, wenn die Ankommenden bis zur endgültigen Entscheidung über ihren Status im Aufnahmelager verbleiben.“[19]
Währungsunion 1990
In einem längeren Zeitungsartikel betonte er, dass die Währungsunion von 1990 ein „Signal zum Bleiben“ gewesen sei. Um die Währungsunion würden sich viele Mythen ranken, die „übelster Art“ seien und die das Zusammenleben in Ost und West bis heute „vergiften“.[20]
Schröder wurde zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit im Oktober 2015 das Große Verdienstkreuz mit Stern in Würdigung seiner Aktivitäten in der Politik und Gesellschaft verliehen.[21]
Am 19. Juni 2016 erhielt er den Point-Alpha-Preis für seine Verdienste um die Einheit Deutschlands und Europas.[22][23]
Ausgewählte Publikationen
Johann Gerhards lutherische Christologie und die aristotelische Metaphysik (= Beiträge zur historischen Theologie. Band 67). Tübingen 1983.
Denken im Zwielicht. Vorträge und Aufsätze aus der Alten DDR. Tübingen 1990.
Deutschland schwierig Vaterland. Freiburg 1993.
Vom Gebrauch der Freiheit. Stuttgart 1996.
Einsprüche und Zusprüche. Kommentare zum Zeitgeschehen. Stuttgart 2001.
Die wichtigsten Irrtümer über die deutsche Einheit. Freiburg im Breisgau 2007.
Abschaffung der Religion? Wissenschaftlicher Fanatismus und die Folgen. Freiburg im Breisgau 2008.
Gunter Weißgerber, Richard Schröder, Eva Quistorp: Weltoffenes Deutschland? Zehn Thesen, die unser Land verändern. Herder, Freiburg im Breisgau 2018.
mit Karl-Heinz Paqué: Gespaltene Nation? - Einspruch! : 30 Jahre Deutsche Einheit, Basel : NZZ Libro 2020, ISBN 978-3-907291-00-9.
Was dürfen, was können wir tun? Fragen eines Philosophen zu den Fortschritten der Biomedizin. In: FAZ. 21. Juli 2001.
„Auf deutschen Sonderwegen ruht kein Segen.“ Theologieprofessor Richard Schröder votiert für den befristeten Import von Stammzellen. Interview. In: Evangelischer Pressedienst (epd) sozial. Nr. 3, 25. Januar 2002.
Das Volk hat die Politiker, die es verdient. In: Politik als Marke. Politikvermittlung zwischen Kommunikation und Inszenierung (= Public affairs und Politikmanagement. Bd. 3.). Hrsg. von Axel Balzer, Marvin Geilich, Shamim Rafat. Münster 2005; 2. Aufl., Axel Balzer, Deutsches Institut für Public Affairs (Potsdam/Berlin) (Hrsg.), Lit, Berlin/Münster 2006, ISBN 3-8258-8146-6 (Kongressbeiträge, Berlin 2004).
„Ruin – lieber mit als ohne Einheit, ... Ein Lob der Herkulesarbeit der Treuhand“. In: FAZ. Nr. 29 vom 4. Februar 2013, Seite 7.
↑R. Schröder: So nicht! Ein fauler Kompromiss über das Mahnmal bahnt sich an. In: Die Zeit. 21. Januar 1999; ders.: Du sollst nicht morden. Das Mahnmal als Mahnung formuliert. In: FAZ. 22. März 1999; ders.: Verbietet das Morden! Antwort auf sechs Einwände zu meinem Mahnmalvorschlag. In: Die Zeit. 29. April 1999. Kritisch zu Schröders Vorschlag äußerten sich Karl Heinz Bohrer: Theologischer Eskapismus. Adresse an Richard Schröder. In: SZ. 27./28. März 1999; Eberhard Jäckel/W. Boeckh: Du sollst ein Mahnmal bauen. Die unendliche Geschichte des Berliner Holocaust-Mahnmals: Ist Richard Schröders Vorschlag besser als der Entwurf von Peter Eisenman? In: FAZ. 23. Juni 1999.
↑Philipp Oehmke, Dietmar Pieper: Die DDR-Prägung hält an. In: Der Spiegel. Nr.10, 2008 (online – 3. März 2008).
↑Gunter Weißgerber, Richard Schröder, Eva Quistorp: Weltoffenes Deutschland? – Zehn Thesen, die unser Land verändern. Herder, Freiburg im Breisgau 2018. S. 26.
↑Gunter Weißgerber, Richard Schröder, Eva Quistorp: Weltoffenes Deutschland? – Zehn Thesen, die unser Land verändern. Herder, Freiburg im Breisgau 2018. S. 46 ff.
↑Gunter Weißgerber, Richard Schröder, Eva Quistorp: Weltoffenes Deutschland? – Zehn Thesen, die unser Land verändern. Herder, Freiburg im Breisgau 2018. S. 50.
↑Richard Schröder: Ein Signal zum Bleiben, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Dezember 2021, Seite 6
↑die Kirche. Nr. 19, 8. Mai 2016, Rubrik Personen und Zitate,ISSN0949-8664, S. 9: „Als Vorsitzender der SPD-Fraktion [der einzig frei gewählten Volkskammer der DDR 1990] habe er sich in den entscheidenden Monaten der Vorbereitung der deutschen Einheit über Parteigrenzen hinweg hohe Anerkennung und außerordentliche Wertschätzung erworben, hieß es zur Begründung der Preisverleihung. Auch beim Wiederaufbau der neuen Länder und der Gestaltung der inneren Einheit Deutschlands ‚war er ein engagierter und vielgefragter Begleiter und Ratgeber von Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft‘, so das Kuratorium Deutsche Einheit.“