Unter einem Reflektor (englischreflector), auch als Umkehrwalze (UKW) bezeichnet, versteht man in der Kryptologie, speziell in Zusammenhang mit Rotor-Chiffriermaschinen, eine Komponente, die ein Signal in die Richtung wieder zurückleitet („reflektiert“) aus der es gekommen ist.
Willi Korn erreichte durch die Umkehrwalze, dass das Schlüsselverfahren involutorisch wird, das heißt, wenn bei einer bestimmten Textstelle ein U in ein X verschlüsselt wird, dann würde an dieser Stelle auch ein X in ein U verschlüsselt werden. So vereinfachte er Bedienung und Konstruktion der Maschine, denn man muss nicht mehr zwischen Verschlüsselung und Entschlüsselung unterscheiden. Darüber hinaus erhoffte er sich auch eine Steigerung der Sicherheit, denn der Strom durchfließt den Walzensatz ja nun zweimal. Korn erläutert die (vermeintlichen) Vorteile seiner Umkehrwalze in der Patentschrift:[3]
„Durch diesen Rückgang des Stromes durch den Chiffrierwalzensatz findet eine weitere Verwürfelung statt. Infolge dieser Anordnung ist es möglich, mit verhältnismäßig wenig Chiffrierwalzen auszukommen und trotzdem eine große Chiffriersicherheit aufrechtzuerhalten.“
Nachteile
Dies war jedoch ein Trugschluss mit weitreichenden Konsequenzen. Zum einen bewirkt die UKW, dass nun kein Buchstabe mehr in sich selbst verschlüsselt werden kann, denn der Strom kann ja in keinem Fall genau den Weg durch den Walzensatz wieder zurücknehmen, den er gekommen ist. Er wird stets auf einem anderen Weg zurückgeleitet, als er zur Umkehrwalze hingeflossen ist. Mathematisch spricht man hier von fixpunktfreien Permutationen. Diese Einschränkung mag als unwesentliche Kleinigkeit erscheinen, tatsächlich bedeutet dies jedoch eine drastische Reduzierung der zur Verschlüsselung verfügbaren Alphabete und darüber hinaus eine neue Angreifbarkeit des Geheimtextes. Durch die Vermeidung von Fixpunkten werden Aussagen über den Text möglich, die bei der Entzifferung eine ganz wesentliche Hilfe sind. Die britischen Codebreakers von Bletchley Park prägten dafür den Merksatz „Nichts ist jemals es selbst.“[4] Weiß der Angreifer, dass niemals ein Buchstabe die Verschlüsselung seiner selbst ist, dann eröffnet ihm diese Kenntnis Abkürzungen, und er muss nicht mehr mühsam jeden einzelnen Fall abarbeiten (siehe auch: Kryptographische Schwächen und Entzifferung der Enigma).
Erfolgreiche – in der Praxis sich als „unbrechbar“ erweisende – Chiffriermaschinen, wie beispielsweise die amerikanische Sigaba, vermieden die Verwendung eines Reflektors.
Literatur
Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin 2000, ISBN 3-540-67931-6.
Friedrich L. Bauer: Historische Notizen zur Informatik. Springer, Berlin 2009, ISBN 3-540-85789-3.
Einzelnachweise
↑Louis Kruh, Cipher Deavours: The commercial Enigma – Beginnings of machine cryptography. Cryptologia, Rose-Hulman Institute of Technology, Taylor & Francis, Philadelphia PA 26.2002,1 (Januar), S. 2, ISSN0161-1194, PDF; 0,8 MB, abgerufen am 22. Februar 2019.
↑Patentschrift Elektrische Vorrichtung zum Chiffrieren und Dechiffrieren DRP Nr. 452 194, S. 1. cdvandt.org (PDF; 404 kB), abgerufen am 22. Februar 2019.
↑Patentschrift Elektrische Vorrichtung zum Chiffrieren und Dechiffrieren DRP Nr. 452 194, S. 1. cdvandt.org (PDF; 404 kB), abgerufen am 22. Februar 2019.
↑Robert Harris: Enigma. Roman. Weltbild, Augsburg 2005, S. 71. ISBN 3-89897-119-8.