Im Ratinger Hof, der bis Ende 1975 eine gemütlich eingerichtete Kneipe mit Sternenhimmel an der Decke, teppichbedeckten Tischen und Musikbox war, trafen sich Punks, Rocker, Mods und auch Psychedeliker wie in der Bar Creamcheese.[3] Vergleichbare Institutionen in Berlin waren das SO36 und der Dschungel.
Carmen Knoebel ermöglichte es den Musikern, im Bierkeller des „Hofs“ tagsüber zu proben, was beispielsweise von der Band ZK mit Sänger Campino genutzt wurde und dazu führte, dass sich viele junge Musiker dort regelmäßig ab dem frühen Nachmittag trafen. Auch Bands wie Kraftwerk, Neu! und La Düsseldorf gehörten zu den Gästen. Die damaligen Germanistikstudenten Hubert Winkels, heute Literaturkritiker, Peter Glaser und der 2005 verstorbene Dichter Thomas Kling trafen sich dort ebenso wie die frühen Düsseldorfer Punks zum Pogo. Die Musik dazu wurde zwischen 1979 und 1984 von den DiscjockeysMarkus Oehlen, Jimmy Radant, Detlef Lamprecht, dem „dicken Reinhold“, Xaõ Seffcheque, Waldi (Waldemar Jaeger) und Ziggy P (Siegfried Abrolat) präsentiert. Im März 1981 berichtete das Magazin Stern über den Ratinger Hof und stellte ihn als Geheimtipp vor. Zur gleichen Zeit begann sich die Neue Deutsche Welle auszubreiten.[4]
Nach Schließung des Hofs 1989 beherbergte das Gebäude zeitweise eine Technodisco, die von Rolf Maier-Bode geführt wurde.
Seit November 2020 setzen sich die Kulturbanausen e.G. für den kulturhistorisch relevanten Ort ein. In Form einer Genossenschaft arbeitet das Kollektiv daran, dort ein Soziokulturelles Zentrum zu etablieren.
Bedingt durch die im Juni 2023 angemeldete Insolvenz der Kulturbanausen e.G. leitete ab Juli 2023 Stanislava Balueva als alleinige Geschäftsführerin den neu gegründeten Hof.[7] Die Lokalität schloss im Juni 2024.[8]
Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zeigte 2010 die Ausstellung Auswertung der Flugdaten, Kunst der 80er. Eine Düsseldorfer Perspektive, die Arbeiten von heute international bekannten Künstlern präsentierte, die im Ratinger Hof Stammgast waren.[10]
Der Titel der Ausstellung Auswertung der Flugdaten stammt von Thomas Kling, einem Düsseldorfer Dichter,
der in seinem Gedicht „Ratinger Hof, Zettbeh (3) – o nacht! ich nahm schon flugbenzin ..“[11] die nächtliche Atmosphäre im Hof poetisch verdichtet.
Die Ratinger-Hof-Szene ist Thema eines Dokumentarfilmes von Reda El Scherif und Konstantin Koewius mit Peter Hein, Andi Meurer, Carmen Knoebel, Jonny Bauer, Kurt Dahlke, Jürgen Krause, Monique Maaßen, Armin Campari und Eva Maria Goessling u. a.[12]
Auch ist die Szene im Ratinger Hof zentrales Thema in Jürgen Teipels Doku-Roman Verschwende Deine Jugend über Punk und New Wave in Deutschland.
Ralf Zeigermann (Hrsg.): Ratinger Hof – Fotos und Geschichten. Wiegner, Königswinter 2010, ISBN 978-3-931775-13-1.
Xao Seffcheque: Watergate Düsseldorf – Business-Fick und Neue Musik. Geschichte des Düsseldorfer Punk und Wave. In: Walter Hartmann, Gregor Pott (Hrsg.): 6. Rock session. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1982, ISBN 3-499-17463-4.
Enno Stahl: Ratinger Hof – Thomas Kling und die Düsseldorfer Punkszene. In: Dirk Matejovski (Hrsg.): Pop in R(h)einkultur. Oberflächenästhetik und Alltagskultur in der Region.Klartext, Essen 2008, ISBN 978-3-8375-0005-9, S. 205–226 (im Anhang Interviews mit Franz Bielmeier und Carmen Knoebel).
Enno Stahl: Bolz, Hörisch, Kittler und Winkels tanzen im Ratinger Hof. Was körperlich-sportiv begann, setzt sich auf anderer Ebene fort: Diskurs-Pogo. In: Kultur & Gespenster. Heft 6, Winter 2008, S. 107–117.
Theo Lücker: Die Düsseldorfer Altstadt Wie sie keiner kennt. I. Band Vom Ratinger Tor bis Kurze Straße. 2. Auflage. Verlag der Goethe-Buchhandlung, Düsseldorf 1985, ISBN 3-924331-06-5, S. 63 ff.
Karl Böcker (Autor), Addi Hansen (Autor) Die Ratinger Straße: Geschichte und Geschichten der Kunst- und Kultmeile in der Düsseldorfer Altstadt Bachem Verlag April 2010, ISBN 978-3-7616-2373-2.
Rüdiger Esch: Electri_City. Elektronische Musik aus Düsseldorf 1970–1986. Suhrkamp, Berlin 2014, ISBN 978-3-518-46464-9.
ar/gee Gleim: Guter Abzug. No Time Music Entertainment E.K, 1982.
Einzelnachweise
↑Stephan von Wiese (Vorw.): Brennpunkt 2. Die Siebziger Jahre, Entwürfe, Joseph Beuys zum 70. Geburtstag, 1970 1991, Kunstmuseum Düsseldorf im Ehrenhof, Düsseldorf 1991, S. 128
↑Harald Hordych: Auf der Suche nach dem verlorenen Krach. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 111, 14./15. Mai 2011, S. V2/