Der später annullierte erste Wahlgang der Präsidentschaftswahl in Rumänien 2024 fand am 24. November statt. Dabei lagen der als prorussisch geltende Călin Georgescu und die liberale Elena Lasconi (USR) vorn.[1][2] Der Verfassungsgerichtshof Rumäniens ordnete jedoch am 6. Dezember 2024 aufgrund eines „aggressiven russischenhybriden Angriffs“ die Wiederholung der Wahl an.[3] Der amtierende Präsident Klaus Johannis (PNL) konnte gemäß Verfassung nach seiner zweiten Amtszeit nicht mehr antreten.[4]
Nach dem vorläufigen Ergebnis konnte im ersten Wahlgang kein Kandidat eine absolute Mehrheit erreichen.
Am 28. November ordnete der Verfassungsgerichtshof Rumäniens eine Neuauszählung der Stimmen an.[5] Die Wahlbehörde habe dem Gericht das Ergebnis bis 29. November, 14 Uhr, vorzulegen. Der Oberste Rat für Landesverteidigung wies darauf hin, dass eine Analyse ergeben habe, dass der Kandidat Călin Georgescu unter Verletzung der Wahlgesetze von einer massiven Vorzugsbehandlung der Plattform TikTok profitiert habe, was sich auf das Endergebnis der Wahlen ausgewirkt habe.[6] Der Rat warf der Videoplattform außerdem vor, sie habe es unterlassen, Georgescu als Politiker zu markieren. Die Wahlbehörde hatte TikTok angewiesen, dafür einen Identifizierungscode zu nutzen, aus dem auch die Finanzierungsquellen der Kandidaten hervorgehen.[7][8][9]
Die von zwei unterlegenen Kandidaten mit der Begründung, Georgescu habe die Finanzquellen für seinen Wahlkampf nicht offengelegt und Geld aus dem Ausland erhalten, beantragte Annullierung der Wahl lehnte das Oberste Gericht ab.
Georgescu sagt, er habe seine Kampagne mit „null“ Finanzmitteln betrieben. Experten und einer Analyse mit der Spezialsoftware Osavul zufolge wurde seine Kampagne auf Social Media jedoch aus unklaren externen Finanzquellen und von prorussischen Netzwerken unterstützt.[10][11][12] Die Partei der hinter Georgescu in die Stichwahl gekommenen Kandidatin Elena Lasconi hat die Neuauszählungs-Anordnung angefochten. Dem Gericht wird Parteinahme vorgeworfen.[13]
Überdurchschnittlich viele Stimmen (rund 43 %) erhielt Georgescu im ersten Wahlgang von im Ausland lebenden Rumänen. Rumänien hat in Europa die größte Anzahl an Bürgern, die in anderen EU-Staaten leben. Von den rund 130.000 Rumänen, die in Deutschland wählten, stimmten 58 % für ihn, im Vereinigten Königreich, in Frankreich, Spanien und Italien etwa 40 %, im Inland dagegen prozentual viel weniger als im Gesamtergebnis. Der rumänische EU-Abgeordnete Siegfried Mureșan (PNL/EVP) führt die Diskrepanz im Wahlverhalten darauf zurück, dass sich Auslandsrumänen mangels Alternativen nur über soziale Medien über das Geschehen im Heimatland informieren könnten.[14]
Überprüfung der Einflussnahme und Annullierung
Die rumänische Kommunikationsbehörde Ancom bat die EU-Kommission, TikTok auf mögliche Verstöße gegen das Gesetz über digitale Dienste zu untersuchen. TikTok wies die Vorwürfe über seine angebliche Einflussnahme bei den Wahlen zurück. Die Plattform habe über 66.000 Schein-Konten, sieben Millionen Schein-Likes und zehn Millionen Schein-Follower entfernt und weitere 40 Millionen Schein-Likes verhindert. Zudem sei die Erstellung von mehr als 216.000 Spam-Konten blockiert worden.[15] Die Geheimdienstdokumente veröffentliche die rumänische Präsidentschaftskanzlei am 4. Dezember 2024.[16]
Nachdem die inländischen Stimmen neu ausgezählt worden waren, erklärte der Verfassungsgerichtshof Rumäniens am 2. Dezember 2024 den ersten Wahlgang für rechtmäßig.[17] Die im Ausland abgegebenen Stimmen waren noch nicht neu ausgezählt worden, allerdings stellte das Gericht fest, dass diese nicht angefochten worden waren.[18]
Am 4. Dezember 2024 drückte das Außenministerium der Vereinigten Staaten seine Besorgnis über die vermutete russische Wahlbeeinflussung und warnte vor Auswirkungen der Wahl auf die sicherheitspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit der USA mit Rumänien.[19]
Am 5. Dezember 2024 eröffnete die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen für zwei Strafverfahren, eines wegen der Finanzierung der tiktok-Kampagne.[20] Die Europäische Kommission gab bekannt, an TikTok eine Aufbewahrungsanordnung entsprechend dem Digital Services Act gegeben zu haben, um Beweismittel zu sichern.[21]
Am 6. Dezember 2024 ordnete der Verfassungsgerichtshof Rumäniens eine Annullierung des ersten Wahlgangs an, als der zweite Wahlgang im Ausland bereits angelaufen war und 33.000 Rumänen ihre Stimme abgegeben hatten.[22] Călin Georgescu bezeichnete diese Entscheidung als „Staatsstreich“. Elena Lasconi sprach von einer „illegalen und unmoralischen Entscheidung“ und dass der rumänische Staat die Demokratie mit Füßen trete. Der amtierende Premier und Chef der Sozialdemokraten (PSD), Marcel Ciolacu, der lange Zeit als Favorit in der ersten Wahlrunde gegolten hatte, nannte die Entscheidung hingegen „die einzige korrekte Lösung nach der Freigabe der Geheimdienstdokumente“.[23]
Am 21. Dezember berichtete das Politmagazin politico unter Berufung auf einen Bericht der rumänischen Investigativplattform Snoop[24] die proeuropäische Nationalliberale Partei PNL von Nicolae Ciucă hätte eine allgemeine politische Kampagne finanziert, deren Hashtags dann für die Werbung für Georgescu genutzt worden seien.[25]