Die historische Landschaft des Poitou wird im Norden begrenzt vom Nantais (Gegend um Nantes), der Grafschaft Anjou und der Touraine, im Osten vom Berry und vom Limousin und im Süden von der Charente und der Saintonge. Das Gebiet teilt sich in das flache und erst spät besiedelte Sumpf- und Schwemmland des Bas-Poitou mit dem Zentrum La Roche-sur-Yon im Westen und in das historisch und kulturell bedeutsame hügelige Haut-Poitou mit dem Zentrum Poitiers im Osten.
Geschichte
Zur Zeit Caesars siedelte der keltische Stamm der Piktonen um ihren Hauptort Lemonum (Poitiers) südlich der unteren Loire. In der Spätantike gehörte die Region als civitas Pictavorum der römischen Provinz Aquitania secunda an und umfasste sechs pagi. Nach der Völkerwanderung gehörte das Gebiet zum Reich der Westgoten und nach deren Niederlage in der Schlacht von Vouillé 507 (in der Nähe von Poitiers) zum Reich der Franken.
Der heilige Warin von Poitou war im 7. Jahrhundert Statthalter des merowingischen Königs von Paris für das Poitou.
In der angrenzenden Touraine fand 732 die Schlacht von Tours und Poitiers zwischen den vordringenden Arabern und dem von Karl Martell geführten Heer der fränkischen Fürsten statt. In dieser Schlacht wurde die über Andalusien kommende muslimisch-arabische Expansion in Westeuropa begrenzt und gewendet.
Die Grafschaft Poitou war bedingt durch ihre Größe eine der wichtigsten Territorien des fränkischen Reichs der Karolinger und war dem Unterkönigreich von Aquitanien zugehörig. Neben den Grafen von Auvergne aus der Familie der Wilhelmiden (Gellones) waren die Grafen aus der Familie der Ramnulfiden (Haus Poitiers) im 9. Jahrhundert die mächtigsten Fürsten Aquitaniens und führten zeitweise den Titel eines Dux, allerdings ohne bestimmte Zuordnung, denn die Herzöge Aquitaniens wurden zuerst von den Gellones gestellt. Erst nach dem Aussterben der Gellones 927 gelang es Ebalus Mancer, deren Besitzungen zu übernehmen, womit er seine Familie als neue Herzogsdynastie etablierte.
Die berühmtesten Familienmitglieder sind jedoch zwei Frauen: Agnes von Poitou († 1077), die römisch-deutsche Kaiserin und Regentin des heiligen römischen Reichs von 1056 bis 1062, und Eleonore von Aquitanien († 1204). Durch die Ehe Eleonores mit Heinrich Plantagenet (1152) und dessen Thronbesteigung als englischer König (1154) wurde das Poitou mit dem restlichen Aquitanien in das Territorialkonglomerat der Plantagenets aufgenommen, heute bekannt unter dem Namen „Angevinisches Reich“. Gemeinsam mit ihrem Sohn, Richard Löwenherz, führte Eleonore in Poitiers einen der glänzendsten Höfe des hohen Mittelalters. Im Machtkampf mit König Philipp II. August wurden die Plantagenets 1204 all ihrer Besitzungen in Frankreich für verlustig erklärt, aber erst Phillips Sohn, König Ludwig VIII. der Löwe, konnte das Poitou 1224 militärisch erobern. Im Vertrag von Paris 1259 wurde dieser Verlust durch König Heinrich III. von England anerkannt.
Im 16. und frühen 17. Jahrhundert war das Poitou ein Zentrum der calvinistischen Reformation in Frankreich. Im Dritten Religionskrieg kam es 1560 in Moncontour (Vienne) zu einer blutigen Schlacht, in der ein katholisches Heer unter dem künftigen König Heinrich III. mit spanischen Hilfstruppen den Hugenotten unter Admiral Coligny eine vernichtende Niederlage beibrachte. Auf protestantischer Seite fielen 6.000 bis 10.000 Soldaten. Ab 1666[1] kam es zu massiven Zerstörungen der Temples, wie die protestantischen Kirchen genannt wurden.
Nach der Auflösung der historischen Provinzen in der Zeit der Französischen Revolution wird der Name der Provinz als geographische Bezeichnung weiterhin verwendet. Er lebte auch fort im Namen der 1960 gegründeten Region Poitou-Charentes, die 2016 in der Region Nouvelle-Aquitaine aufging.
Sehenswürdigkeiten
Während in der historischen Landschaft des Haut-Poitou der Kulturtourismus im Vordergrund steht, ist es im Bas-Poitou hauptsächlich der Bade- und Erholungstourismus. Interessante und geschichtsträchtige Orte sind:
Bekannt sind auch die von Entwässerungskanälen durchzogenen poitevinischen Sümpfe (Marais Poitevin), ein Sumpfgebiet (zum Teil Vogelschutzgebiet) am Golf von Poitou an der französischen Westküste nördlich und nordöstlich von La Rochelle.
Persönlichkeiten
Jehan Daniel (~1480–~1550), Organist und Komponist
↑Jean-Christian Petitfils: Louis XIV. Ouvrage couronné par l’Académie française (= Marguerite de Marcillac [Hrsg.]: Collection tempus. Nr.8). 6. Auflage. Éditions Perrin, Paris 2018, ISBN 978-2-262-07504-0, S.509.