Bei seinen Untersuchungen der Fischer-Tropsch-Synthese entdeckte Roelen 1938 als Forschungsleiter der Ruhrchemie die Hydroformylierung, ein Verfahren nach dem heutzutage mehrere Millionen Tonnen Oxo-Produkte hergestellt werden. Otto Roelen gilt dadurch als der Wegbereiter der technischen metallorganischen Komplexkatalyse.[1] In den Nachkriegsjahren überführte er die Herstellung von hochmolekularem Polyethylen nach dem Verfahren von Karl Ziegler in die chemische Technik.
Otto Roelen wurde im Jahr 1897 in Mülheim an der Ruhr geboren. Er besuchte das königliche Realgymnasium, wo er 1914 das Kriegs-Reifezeugnis erwarb.[2] Nach einem anschließenden halbjährigen Praktikum in der Friedrich-Wilhelm-Hütte nahm er 1915 das Chemiestudium an der Technischen Hochschule München auf. Nach der Einberufung zum Militärdienst im Juni 1915 diente er in verschiedenen Positionen bis zum Ende des Krieges. Nach dem Kriegsende nahm er 1918 das Studium an der Technischen Hochschule Stuttgart auf, wo er 1922 sein Diplom erwarb.[2]
Technische Entwicklung der Fischer-Tropsch-Synthese
Im November 1934 wechselte Roelen zur Ruhrchemie, wo er die Leitung des Forschungslaboratoriums übernahm. Sein Nachfolger bei Franz Fischer wurde Helmut Pichler, der später das Mitteldruckverfahren der Fischer-Tropsch-Synthese entwickelte. Roelens legte seinen Forschungsschwerpunkt auf der Überführung der Fischer-Tropsch-Synthese in die chemische Technik. Dazu gehörte die Entwicklung eines Verfahrens zur Entschwefelung des Synthesegases, die Optimierung des Katalysators sowie die Entwicklung eines Verfahrens zur Regeneration der eingesetzten Katalysatoren. Da zu dieser Zeit noch keine Anlage nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren arbeitete, gründete der Vorstandsvorsitzende der Ruhrchemie, Friedrich Martin, die Ruhrbenzin AG, um das unternehmerische Risiko auszugliedern. Das Unternehmen hatte sich verpflichtet, das Deutsche Reich mit nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren hergestellten Benzin zu versorgen.[4]
Im Zuge der Gründung der Braunkohle-Benzin AG (Brabag) erhielt die Ruhrchemie im Jahr 1934 vom Reichswirtschaftsministerium einen Garantievertrag, der den Bau von Fischer-Tropsch-Anlagen förderte und für die Forschung hohe Steuervergünstigungen versprach. Am 10. Februar 1935 wurde von der Brabag der Grundstein für das erste großindustrielle FT-Synthesewerk in Schwarzheide gelegt, dass gleichzeitig als Forschungseinrichtung diente. In der Folgezeit arbeitete Otto Roelen eng mit den Chemikern und Wissenschaftlern der Brabag zusammen.[5][4]
Hydroformylierung
Bei Versuchen zur Wiedereinspeisung von Ethen in die Fischer-Tropsch-Synthese entdeckte Otto Roelen 1938 die homogen katalysierteHydroformylierung zur technischen Synthese von Aldehyden aus Alkenen und Synthesegas.[2] Aus dem eingespeisten Ethen entstand Propionaldehyd, dessen Bildung Roelen richtigerweise als eigenständige Reaktion erkannte.[2] Im selben Jahr reichte er einen Patentantrag für die auch Oxosynthese genannte Reaktion ein.
Nach ersten Versuchen zur Optimierung der Reaktion in Richtung der Aldehydbildung, die er im Juli 1938 begann, reichte Roelen bereits Ende desselben Jahres ein Patent für die Oxosynthese ein.[2] Durch seine Versuche erkannte er Cobaltcarbonylhydrid als die aktive Katalysatorkomponente.[6] Neben der Hydroformylierung von Ethen untersuchte er auch die Herstellung von Fettalkoholen aus den bei der Fischer-Tropsch-Synthese anfallenden Olefinen. Eine technische Anlage dafür wurde 1940 gebaut, aber nicht mehr in Betrieb genommen. Daneben begann Roelen 1941 mit der Entwicklung einer technischen Verfahrens zur Methanisierung von Kohlenstoffmonoxid.
Nachkriegszeit
Nach der Beendigung des Krieges gehörte Otto Roelen zu den deutschen Wissenschaftlern, die von britischen Sondereinheiten in streng geheimen Aktionen oft unfreiwillig nach England verbracht wurden. Wie der Guardian 2007 in freigegebenen Akten herausfand, geschah das im Auftrag der britischen Regierung, „um das geistige Vermögen des besiegten Landes zu plündern, seine Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen und um gleichzeitig britischen Unternehmen Vorteile zu verschaffen“.[7]
Vom 5. November 1945 bis zum 12. August 1946 war Roelen in Wimbledon (London) interniert und intensiven Verhören durch britische sowie US-amerikanische Behörden ausgesetzt. In umfangreichen Dossiers musste er sein Wissen über den Forschungs- und Entwicklungsstand der Fischer-Tropsch-Synthese und der Hydroformylierung unter anderem dem Ministry of Fuel and Power (Britisches Energieministerium) preisgeben.[8] Seine Angaben sind in zahlreichen so genannten Field Intelligence Agency Technical (FIAT) und British Intelligence Objectives Sub-Committee (BIOS)-Reporten zusammengefasst.[9]
Roelen konnte nach seiner Rückkehr die Forschungsarbeit zunächst nicht fortsetzen, da die Alliierten ein Forschungsverbot für die Ruhrchemie erlassen hatten und dieses erst 1949 aufhoben. In diesem Jahr wurde Otto Roelen Direktionsassistent von August Hagemann und begann mit der Entwicklung eines technischen Verfahrens zur großtechnischen Herstellung von Polyethylen. Von 1955 bis zu seiner Pensionierung 1962 war Roelen Prokurist und Forschungsleiter der Ruhrchemie.[4]
Historische Stätten der Chemie: Otto Roelen, Oberhausen, 24. September 2013. Broschüre, herausgegeben von der GDCh anlässlich der Enthüllung einer Bronzetafel bei der OXEA im Werk Ruhrchemie zum 75. Jahrestag der Patentanmeldung der Hydroformylierung
Einzelnachweise
↑Boy Cornils, Wolfgang A. Herrmann, Christian W. Kohlpaintner: Otto Roelen: Vater der metallorganischen, homogenen Katalyse. In: Nachrichten aus Chemie, Technik und Laboratorium. 41, 1993, S. 544–550, doi:10.1002/nadc.19930410504.
↑Manfred Rasch: Eine Zufallsentdeckung und ihr Erfinder: 75 Jahre Oxo-Synthese. In: Nachrichten aus der Chemie, 61, 2013, S. 1113–1116, doi:10.1515/nachrchem.2013.61.11.1113.
↑ abcHistorische Stätten der Chemie: Otto Roelen, Oberhausen, 24. September 2013. Broschüre, herausgegeben von der GDCh anlässlich der Enthüllung einer Bronzetafel bei der OXEA im Werk Ruhrchemie zum 75. Jahrestag der Patentanmeldung der Hydroformylierung.
↑Helmut Maier: Gemeinschaftsforschung, Bevollmächtigte und der Wissenstransfer. Die Rolle der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im System kriegsrelevanter Forschung des Nationalsozialismus. Wallstein Verlag, 2007, S. 474 f.