Nikolai Apollonowitsch Belelubsky

Nikolai Belelubsky

Nikolai Apollonowitsch Belelubsky (russisch Николай Аполло́нович Белелю́бский, wiss. Transliteration Nikolaj Apollonovič Beleljubskij) (* 13. März 1845 in Charkow im Russischen Kaiserreich; † 2. August[1] 1922 in Petrograd in der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik) war ein russischer Bauingenieur. Er hat als langjähriger Professor für Brückenbau am Kaiserlichen Institut der Wegebau-Ingenieure in St. Petersburg den Bau russischer Eisenbahnbrücken in Theorie und Praxis maßgeblich beeinflusst.[1]

Leben

Nikolai Belelubsky[2] wurde am 13. März 1845 in Charkow als Sohn eines Eisenbahningenieurs geboren. Er verbrachte seine Jugend in Taganrog, wo er das Gymnasium 1862 mit einer Goldmedaille beendete.[3][4]

Nach dem Studium am Kaiserlichen Institut der Wegebau-Ingenieure in St. Petersburg wurde er dort 1867 Assistent für Baumechanik und Brückenbau. Nach nur fünf Jahren, im Jahre 1873, wurde er zum Professor für diese Fächer berufen. Er befasste sich dort bis an sein Lebensende als Lehrer und Forscher mit dem Brückenbau und der Materialkunde. Parallel dazu fertigte er die Entwürfe zahlreicher bedeutender Brücken, die in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg in Russland von Wladimir Beresin, Konstantin Michailowski, Andrzej Pszenicki u. a. gebaut wurden.[5]

1881 wurde er außerdem Mitglied des Ingenieurrates des Ministeriums der Verkehrswege. Im Zusammenhang mit seiner Lehrtätigkeit und seinen amtlichen Aufgaben gründete und leitete er auch die Versuchs-Anstalt für die Prüfung von Baumaterialien.[5]

Ende 1905 wurde Belelubsky in geheimer Wahl als Nachfolger Leopold Nikolais zum Direktor des Kaiserlichen Instituts der Wegebau-Ingenieure in St. Petersburg gewählt. Jedoch verweigerte das Ministerkabinett die Zustimmung, weil er einen Protestbrief gegen die Polizeimaßnahmen gegen Studentendemonstrationen während der Revolution 1905 mitunterzeichnet hatte, sodass er auf das Amt verzichten musste.

Er ist auf dem Friedhof des Nowodewitschi-Klosters in St. Petersburg begraben.

Leistungen

In seiner Lehrtätigkeit bildete er tausende von Ingenieuren aus, die später in allen Teilen Russlands tätig wurden. Dabei legte er zunächst die Grundlagen durch die Übertragung ausländischer wissenschaftlicher Werke, u. a. von August Ritter, Johann Wilhelm Schwedler, Hermann Scheffler, Emil Winkler und anderen, begann aber bald, eigene Werke über seine Brücken, über Baumechanik und die Prüfung von Baumaterialien zu veröffentlichen.[5]

Eisenbahnbrücke Sysran

Als entwerfender und bauüberwachender Ingenieur leitete er die Entwurfsverfassung für die Brücken von mehr als 30 Eisenbahngesellschaften, darunter die Eisenbahnbrücke Sysran (1880) über die Wolga, damals die längste Brücke Europas, die Eisenbahnbrücke in Ufa (1888) über die Belaja, die Doppelstockbrücke in Jekaterinoslaw (heute Dnipro) über den Dnepr, eine Brücke über die Msta und die große Brücke für die Transsibirische Eisenbahn im späteren Nowosibirsk (1897) über den Ob.[5]

Bei der Eisenbahnbrücke Sysran entwickelte er eine viel diskutierte Bauweise, die Querträger des Fahrbahnträgers gelenkig auf den Hauptträgern zu lagern und dadurch statische Unklarheiten zu vermeiden, die aus einer steifen Verbindung dieser Bauteile entstehen können. Diese Konstruktion wurde später auch in Westeuropa angewendet.[5]

Als Mitglied des Ingenieurrates des Ministeriums der Verkehrswege war er maßgebend an der Abfassung der amtlichen Vorschriften über Brückenbau und die dabei verwendeten Materialien beteiligt. Als Ministerialbeamter hatte er außerdem alle größeren Bauten zu inspizieren, was bei der enormen Ausdehnung des Zarenreiches und den damaligen Verkehrsmitteln eine zeitaufwendige und anstrengende Aufgabe war.[5]

In der Versuchsanstalt für die Prüfung von Baumaterialien erwarb er sich große Verdienste mit der Einführung von einheimischen Zementen und des im Siemens-Martin- bzw. im Thomas-Verfahren hergestellten Flusseisens, so dass Stahl dadurch in Russland früher als in Westeuropa zum Brückenbau zugelassen wurde und das bis dahin verwendete Schmiedeeisen ablöste. Er führte mit seinen Materialuntersuchungen auch den Nachweis, dass Natursteine vor der Verwendung im Brückenbau auf ihre Frostbeständigkeit geprüft werden müssen.[5]

Er hielt Vorträge vor Kongressen und in zahlreichen technischen Vereinen der westeuropäischen Hauptstädte in deutscher oder französischer Sprache und veröffentlichte eine Reihe seiner Abhandlungen[5] z. B. auch in der Rigaschen Industrie-Zeitung.[6]

Ehrungen

In Russland erhielt er den Titel des Wirklichen Staatsrates. Er war Ehrenmitglied der französischen Société des Ingénieurs Civils.[7] 1907 wurde ihm die Ehrendoktorwürde (als Dr.-Ing. E.h.) von der Abteilung Bauingenieurwesen der Technischen Hochschule (Berlin-)Charlottenburg verliehen.[8] 1909 wurde er Ehrenmitglied im Architekten-Verein zu Berlin.[9]

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Einzelnachweise

  1. a b Nachruf: Russ. Staatsrat v. Belelubsky. In Zentralblatt der Bauverwaltung. 45. Jahrgang, Nr. 24 vom 17. Juni 1925, S. 298.
    In der russischen und der englischen Wikipedia wird der 4. August als sein Todestag genannt.
  2. Die Schreibweise Belelubsky war zu seinen Lebzeiten in den westeuropäischen Fachkreisen üblich, in denen er selbst verkehrte (vgl. die zitierten Quellen) und wird bis heute in der internationalen Fachliteratur verwendet (vgl. Simon A. Blank, Vadim A. Seliverstov: Bridge Engineering in Russia. In: Wai-Fah Chen, Lian Duan (Hrsg.): Handbook of International Bridge Engineering. CRC Press, Boca Raton 2014, ISBN 978-1-4398-1029-3, S. 635, 637 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).).
  3. Юрлов: Инженер, учёный, патриот. In: Наша школа, №2 (111)-2010, S. 39@1@2Vorlage:Toter Link/www.kykymber.ru (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (N. Jurlow: Ingenieur, Wissenschaftler, Patriot. In: Unsere Schule №2 (111)-2010, S. 39)
  4. Das Gymnasium ist das heutige Tschechow-Literaturmuseum
  5. a b c d e f g h B.P.: Ein russischer Meister der Ingenieurkunst. In: Deutsche Bauzeitung, XXXII. Jahrgang. N° 2 (vom 8. Januar 1898), S. 15 (Digitalisat (PDF S. 12; 13,6 MB) auf opus4.kobv.de)
  6. Rigasche Industrie-Zeitung. Organ des technischen Vereins zu Riga. Zehnter Jahrgang 1884, J. Deubner, Riga und Moskau, Nr. 9 (S. 97, 98), Nr. 10 (S. 108), Nr. 24 (S. 277) (Volltext in der Google-Buchsuche)
  7. Société des Ingénieurs Civils. Séance du 30 janvier 1894. In: Le Genie Civil. 40. Jahrgang, Band 24, Nr. 19 (N° 613 vom 10. März 1894), S. 303 (Digitalisat auf Gallica)
  8. Auszeichnungen. In: Zentralblatt der Bauverwaltung, 27. Jahrgang 1907, Nr. 55 (vom 6. Juli 1907), S. 372.
  9. Das Schinkelfest des Berliner Architektenvereins. In: Zentralblatt der Bauverwaltung. 29. Jahrgang 1909, Nr. 23 (vom 20. März 1909), S. 158.