Zum Islam fand sie eigenen Angaben zufolge während ihrer Oberstufenzeit durch Erlebnisse im schiitischen Islamischen Zentrum Hamburg. Dieser Verein wurde bis zu seinem Verbot 2024 als extremistisch eingestuft und stand unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.[9][10] Sie besuchte zwei Jahre lang einen Islamkurs in Berlin, um den islamischen Glauben kennenzulernen. Im Alter von 17 Jahren entschied sie sich aus religiösen Gründen zum Tragen eines Kopftuchs;[2] seit Sommer 2019 trägt sie dieses in der Öffentlichkeit nicht mehr. Sie bezeichnet sich selbst als religiöse Muslima.[8]
Journalistische Tätigkeit
Ab 2013 betrieb sie mit mehreren Partnern auf der Videoplattform YouTube den SatirekanalDatteltäter,[11] der seit September 2016 ein Angebot von funk ist und der über den Islam aufklären, den Multikulturalismus befördern und Islamfeindlichkeit entgegenwirken will. Sie bezeichnete ihre Tätigkeit unter satirischer Bezugnahme auf das islamische Konzept des Dschihad als „Bildungsdschihad“.[12][13]
El-Hassan schrieb als Journalistin Artikel und Kolumnen für die taz, den Tagesspiegel und Die Zeit.[14][15] Sie war von 2016 bis zur Einstellung der Sendung 2019 Moderatorin des Formats Jäger & Sammler.[16] Bei Frontal 21 war sie für verschiedene Beiträge als Autorin tätig.[17] Seit 2021 ist sie Moderatorin beim neu gestarteten True-Crime-Format von funkDer Fall.[18]
Auszeichnungen
Im Juni 2018 wurde sie mit dem von ARD/WDR mitgegründeten Europäischen CIVIS Online Medienpreis in der Kategorie „Web Videos“ für die Folge „Neue Rechte Welle“ (Redakteurin: Kyo Mali Jung) aus dem Funk-Videoformat „Jäger & Sammler“ ausgezeichnet, in der El-Hassan vom Festival „Rock gegen Überfremdung“ am 15. Juli 2017 in Themar berichtete. In der Begründung der Jury hieß es: „Dass sie provoziert, ist ihr bewusst. Nemi El-Hassan tritt selbstbewusst als Muslimin mit Kopftuch auf. (…) Die Reporterin begibt sich mutig in die Menge und fragt in der rechten Szene nach – schlagfertig, konfrontativ, angstfrei. Rhetorische Muster der Neonazis werden deutlich. Eine herausragende journalistische Leistung – visuell großartig umgesetzt.“[19][20] Im selben Jahr war sie für die Folge „Was ist Deine Geschichte?“ des Formats für den Preis nominiert worden.[21]
Im Jahre 2020 war Nemi El-Hassan für die Moderation des Formates Jäger & Sammler für den 56. Grimme-Preis nominiert.[22][23]
Kontroversen um die Beschäftigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Im Jahr 2021 sollte El-Hassan die Moderation des Wissenschaftsformats Quarks vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) übertragen werden. Diese Ankündigung löste im September 2021 eine Debatte in den deutschen Medien aus, in der El-Hassan Antisemitismus vorgeworfen wurde. Anfang November 2021 entschied sich der WDR gegen eine Zusammenarbeit mit El-Hassan. Das Zweite Deutsche Fernsehen teilte mit, dass Nemi El-Hassan weiterhin für das Jugendangebot „Funk“ tätig sein wird.[24]
El-Hassan hatte im Jahr 2014 am al-Quds-Marsch in Berlin teilgenommen. Ein Foto, das sie auf der Demonstration zeigt,[25] sowie Antisemitismus-Vorwürfe wurden zunächst innerhalb der rechten und antimuslimischen Szene verbreitet und später auch vom AfD-nahen Deutschland-Kurier und von der Bild aufgegriffen.[26][27]
2015 wirkte El-Hassan in einer Extremismus-Präventionskampagne der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) mit, die in Kooperation mit der Islamwissenschaftlerin Armina Omerika (Goethe-Universität Frankfurt) Kurzfilme zu islamischen Termini erstellte, um jenseits der Deutungen des Dschihadismus jungen Muslimen die Vielfalt muslimischer Interpretationen ihrer Religion aufzuzeigen.[28] El-Hassan wirkte hierzu im Dezember 2015 als Sprecherin in einem Kurzfilm über die begriffsgeschichtliche Entwicklung und die verschiedenen Bedeutungsebenen des „Dschihads“ mit[28][29] und traf im Februar 2016 auf einer Veranstaltung der BpB Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der das Projekt lobte.[29] Im Rahmen der Diskussionen im Jahr 2021 um eine mögliche Tätigkeit El-Hassans für den öffentlich-rechtlichen Sender WDR wurden einige ihrer Aussagen des Kurzfilms aufgegriffen und kontrovers diskutiert. So sah Abdel-Hakim Ourghi (Pädagogische Hochschule Freiburg) in der Aussage eine „absolute Relativierung“ bestimmter kriegerischer Traditionen des Islam.[30] El-Hassan selbst kritisierte auf Instagram, dass der besagte Videoausschnitt aus dem Zusammenhang – insbesondere der dahinter stehenden BpB-Kampagne – gerissen wurde und sie in diesem Beitrag keineswegs Terrorismus relativiere.[31][32]
Der WDR setzte nach Bekanntwerden der Vorwürfe Mitte September 2021 den Start der Moderation vorerst aus.[33][34][35]
In einer Stellungnahme bezeichnete El-Hassan ihre Teilnahme am al-Quds-Marsch im Jahr 2014 daraufhin als „Fehler“. Mit den Hintergründen der Demonstration habe sie sich erst später genauer befasst. Sie verurteile „jegliche antisemitischen Äußerungen und Aktionen, sämtliche Arten von Gewalt und insbesondere die Gewalt, die auf diesen Demos stattgefunden hat“.[36][37] Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte sie: „Der Mensch, der ich heute bin, hat nichts mehr mit dem Menschen von damals zu tun.“[38]
Andererseits solidarisierten sich in einem offenen Brief 385 Menschen, darunter auch prominente Künstler, Publizisten und Wissenschaftler, mit El-Hassan und forderten den WDR dazu auf, die Zusammenarbeit mit ihr fortzusetzen. El-Hassan habe „glaubhaft ihren Wandel dargelegt“ und setze sich „als Journalistin seit Jahren dezidiert gegen Antisemitismus und Rassismus ein“.[44][45][46][47]
Danach wurde bekannt, dass sie zusätzlich selbst noch im Sommer 2021 israelfeindliche Beiträge, unter anderem der Organisation Jewish Voice for Peace, auf der Plattform Instagram „geliked“, also mit „gefällt mir“ markiert, hatte.[48][49]
Ende September 2021 teilte der WDR mit, dass El-Hassan Quarks zwar nicht moderieren werde, aber als Autorin für die Sendung engagiert werden solle,[50] was weitere Kontroversen auslöste.[51][52][53][54][55][56][57][58][59] Für El-Hassan selbst war die Absetzung als Moderatorin nicht nachvollziehbar, sie habe sich stets gegen Antisemitismus engagiert. Zudem sei ihre durch Flucht und Vertreibung geprägte Familiengeschichte zu berücksichtigen.[60] In einem Gastbeitrag in der Berliner Zeitung Anfang November 2021[61] erklärte Nemi El-Hassan, sie sei Opfer einer gezielten Kampagne zur Demontage ihrer Person geworden, die speziell von der Bild gegen sie geführt worden sei. Dem WDR warf sie vor, er habe sich den Argumenten der Bild angeschlossen.[62][63][64]
Nach wochenlanger Prüfung und Diskussionen im Rundfunkrat gab der WDR Anfang November 2021 bekannt, El-Hassan endgültig nicht zu beschäftigen, da für eine Zusammenarbeit kein Vertrauen vorhanden sei.[65][66] Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte die Entscheidung,[67][68][59] während der ehemalige israelische Botschafter Avi Primor und der israelische Historiker Moshe Zimmermann El-Hassans Suspendierung scharf kritisiert hatten.[69]
Nach der Entscheidung des WDR äußerte sich El-Hassan in einem Beitrag in der Berliner Zeitung und wiederholte ihre Vorwürfe einer systematischen Verleumdungskampagne. Auch kritisierte sie, dass Deutschland blind sei für die innerjüdischen Debatten und kritische Haltung gegenüber der israelischen Politik und verwies auf Primors und Zimmermanns Worte, dass die Bild versuche „eine Frau mit palästinensischem Hintergrund zu diskriminieren“. El-Hassan verwies weiterhin auf ihre Familiengeschichte, darunter die Vertreibung ihrer Familie während der Nakba 1948, die Zerstörung des Heimatdorfes und die Erfahrung der israelischen Besatzung im Südlibanon. „Ich bin und bleibe Palästinenserin, ob das der deutschen Öffentlichkeit nun genehm ist oder nicht. Und ich verwehre mich dagegen, diesen Teil meiner Identität zu verleugnen.“[70]
↑Nemi El-Hassan. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Oktober 2021; abgerufen am 18. Oktober 2021.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/re-publica.com; Sebastian Maas: Nemi El-Hassan von „Datteltäter“ über Vorurteile über Muslime und Integration. 19 Gesichter für 2019. In: Der Spiegel. 29. Dezember 2018, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 18. Oktober 2021]).
↑Nemi El-Hassan. In: re-publica.com. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. September 2021; abgerufen am 15. September 2021.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/re-publica.com
↑Über Uns – Datteltäter. In: datteltaeter.de. 9. November 2020, abgerufen am 15. September 2021.
↑Friedrich Küppersbusch: Wahlkampf, Özil und Gorleben: Unschuldige Kinder mit Knopf im Ohr. In: Die Tageszeitung: taz. 19. September 2021, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 20. September 2021]).
↑Nemi El-Hassan: Kontroverse Debatte im WDR-Rundfunkrat. In: Der Spiegel. 29. Oktober 2021, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 30. Oktober 2021]).
↑WDR: Nemi El-Hassan soll WDR-Sendung »Quarks« offenbar nicht moderieren. In: Der Spiegel. 28. September 2021, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 28. September 2021]).
↑Debatte um WDR-Moderatorin: El-Hassan wird nicht moderieren. In: Die Tageszeitung: taz. 29. September 2021, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 1. Oktober 2021]).
↑Michael Thaidigsmann: »Ein absurder Kompromiss«. In: Jüdische Allgemeine. 7. Oktober 2021; abgerufen am 11. Oktober 2021.
↑Nemi El-Hassan: „Ich bin Palästinenserin – deal with it!“ In: Berliner Zeitung. 2. November 2021 (berliner-zeitung.de [abgerufen am 3. November 2021]).
↑Nach Debatte zu Antisemitismus: WDR stellt Nemi El-Hassan nicht als Moderatorin ein. In: FAZ.NET. 3. November 2021, ISSN0174-4909 (faz.net [abgerufen am 3. November 2021]).