Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).
Natriumcarbonat (fachsprachlich; standardsprachlich Natriumkarbonat) Na2CO3, wasserfrei auch calcinierteSoda, reine Soda[9] oder Waschsoda genannt, ist ein Salz der Kohlensäure. Als Lebensmittelzusatzstoff trägt es das Kürzel E 500i.
Wasserfreies Natriumcarbonat kommt in Natrokarbonatit-Vulkanen (z. B. dem Ol Doinyo Lengai) als Mineral Gregoryit im Ergussgestein vor, wandelt sich aber bei Kontakt mit Regenwasser sehr schnell zu Soda um.
Geschichte der Sodaherstellung
Zunächst wurde natürliche Soda aus Mineralien zum Beispiel an Salzseen gewonnen, am bekanntesten schon vor 4000 Jahren in Ägypten das Natron als Mischung von Natriumcarbonat und Natriumhydrogencarbonat, das zur Glasgewinnung genutzt wurde. Später wurde Soda (genannt auch Aschensalz) auch durch Einäschern getrockneter Pflanzen aus Salzsteppen oder vom Meeresstrand (mit besonders hohem Natriumgehalt) besonders im Mittelmeerraum gewonnen. Das Verfahren war ähnlich wie bei Pottasche aus Landpflanzen, die im Fall von Pottasche aber überwiegend Kalium enthielten. Einige der besten Sorten (mit 20–30 % Natriumcarbonat) kamen aus Alicante und wurden „Barilla“ oder „Bourdin“ genannt, was sich später allgemein auf Pflanzensoda übertrug. Andere Sorten kamen aus Südfrankreich und wurden als „Salicor“ und „Blanquette“ bezeichnet, solche aus Schottland und Irland als „Kelp“.[10]
Die Entwicklung künstlicher Soda insbesondere zur Seifenherstellung begann mit der analytischen Unterscheidung von Soda und Pottasche durch Henri Louis Duhamel du Monceau um 1730.[11] Außerdem zeigte er, dass man prinzipiell Soda aus Kochsalz herstellen konnte. Kochsalz war als Ausgangsmaterial jedoch zu teuer und zu hoch besteuert. Nach einem geeigneten Herstellungsverfahren wurde weiter geforscht. Duhamel stellte schon Glaubersalz (Natriumsulfat) her und zeigte, dass man daraus Soda herstellen kann. Die Methode wurde durch Andreas Sigismund Marggraf in Berlin verbessert. Karl Wilhelm Scheele gewann 1772 Soda durch Erhitzen von Sole mit Bleioxid in kleinen Mengen, was auch schon bei einigen Fabrikanten Anwendung fand. 1775 wurde ein Preis der französischen Akademie der Wissenschaften für die Sodaherstellung ausgelobt, der die Beschäftigung mit dem Problem beförderte (er wurde nie ausgezahlt). 1777 benutzte Joseph François Malherbe in Frankreich industriell Glaubersalz, um Soda herzustellen. Jean-Antoine Chaptal produzierte nach dem Verfahren in Montpellier (nach 1780) und P. L. Athénas in Javier bei Paris. 1789 schlug Jean-Claude Delamétherie vor, Glaubersalz mit Kohle zu glühen, das Ergebnis mit Essigsäure zu behandeln und daraus Soda zu glühen, was zwar nicht praktikabel war,[12] aber anregend auf den Arzt Nicolas Leblanc wirkte, der sich schon mehrere Jahre damit befasst hatte. Diesem gelang 1789 der eigentliche Durchbruch mit dem Leblanc-Verfahren. 1791 eröffnete er im Auftrag des Herzogs von Orléans eine Fabrik, er wurde aber durch die Französische Revolution um die Früchte seiner Entdeckung gebracht (er beging 1806 verarmt Suizid). Da er sich mit dem Herzog von Orléans zusammengetan hatte, wurde das Verfahren mit diesem enteignet, die Fabrik 1794 geschlossen und das Verfahren unentgeltlich zur Verfügung gestellt. 1806 entstand bei Paris eine Sodafabrik nach dem Verfahren und im 19. Jahrhundert entstanden bald vielfach in Frankreich, Deutschland (Hermania in Schönebeck bei Magdeburg 1843 und bald darauf die Chemische Fabrik Rhenania in Aachen) und England weitere Fabriken nach dem Verfahren. Die Fabriken lieferten nicht nur Soda, sondern auch Salzsäure, Alkalimetalle und Chlor. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde es durch das 1860 entwickelte Solvay-Verfahren verdrängt.
Durch Abbau natürlich vorkommender natriumcarbonathaltiger Minerale (s. o.): Wegen ihrer vielfältigen Verunreinigungen werden die Ausgangsminerale vor dem Transport und der Weiterverwendung umkristallisiert und anschließend in gereinigte, kristallwasserfreie Soda überführt (z. B. mit Hilfe des Trona-Verfahrens, benannt nach dem gleichnamigen Ausgangsmineral).
Das entstandene Kohlenstoffdioxid sowie der Ammoniak aus der Reaktion des Ammoniumchlorides mit Calciumoxid oder Calciumhydroxid werden dabei wieder in den Prozess zurückgeführt, was diesen sehr wirtschaftlich (und so zu einem der ersten in großem Stil praktizierten chemischen Kreisprozesse) machte.
Natriumcarbonat ist polymorph, kristallisiert also in Abhängigkeit von Druck und Temperatur bei gleicher chemischer Zusammensetzung in verschiedenen Kristallstrukturen. Es existieren auch Hydrate, die Kristallwasser enthalten.[13]
Wasserfrei, Na2CO3
Bekannt als MineralNatrit oder unter der Bezeichnung reine oder calcinierte Soda, weiße Substanz mit einem Schmelzpunkt von 854 °C und einer Dichte von 2,51 g/cm3. Bildet sich bei Temperaturen größer 107 °C.
Monohydrat, Na2CO3 · H2O
Bekannt als Mineral Thermonatrit, bildet sich bei Temperaturen > 35,4 °C aus dem Heptahydrat.
Heptahydrat, Na2CO3 · 7 H2O
Bildet sich bei Temperaturen oberhalb 32,5 °C aus dem Decahydrat.
Decahydrat, Na2CO3 · 10 H2O
Bekannt als Mineral Soda oder unter der Bezeichnung Kristallsoda, kristallisiert bei unter 32,5 °C aus gesättigten Natriumcarbonat-Lösungen aus (Dichte 1,45 g/cm3). Die Dehydratation führt ab 30 °C zunächst zum Monohydrat. Der Prozess verläuft mit einer Reaktionsenthalpie von 473,7 kJ·mol−1 endotherm.[14]
Darüber hinaus findet sich Natriumcarbonat
zusammen mit Natriumhydrogen- beziehungsweise Calciumcarbonat in der Natur in folgenden Mineralen:
Dissoziationsgleichgewicht des Carbonations in Wasser.
Vor der Verfügbarkeit größerer Mengen von Natriumhydroxid war Natriumcarbonat damit die wichtigste Base, da es sich in Wasser gelöst verhält wie eine Mischung aus Natriumhydrogencarbonat und Natriumhydroxid: Eine Lösung von 50 g Natriumcarbonat pro Liter Wasser weist einen pH-Wert von 11,5 auf.[5]
Kristallsoda muss gut verschlossen oder in feuchter Atmosphäre gelagert werden, da es an trockener Luft Kristallwasser abgibt und in ein weißes Pulver zerfällt.
Umgekehrt muss man calcinierte, d. h. wasserfreie Soda in trockener Atmosphäre aufbewahren, da sie – ohne dadurch sofort feucht auszusehen – leicht Feuchtigkeit aus der Luft aufnimmt und mit dieser in das Monohydrat Na2CO3 · H2O übergeht (Hygroskopie).
Verwendung
Natriumcarbonat wird seit langer Zeit durch den Menschen genutzt. Schon die alten Ägypter setzten es zum Mumifizieren ein („Nitron“).[16] Ebenso fand es seit dem Altertum Verwendung als Reinigungsmittel und bei der Glasherstellung.
Heute wird Natriumcarbonat von fast allen Industriezweigen eingesetzt und ist damit eines der vielseitigsten chemischen Produkte.
Natriumcarbonat wird in der Lebensmitteltechnik als Säureregulator, Aufschlussmittel oder Trägerstoff eingesetzt.
Jenes wie auch Natriumhydrogencarbonat sind in der EU als Lebensmittelzusatzstoff unter der Nummer E 500 ohne Höchstmengenbeschränkung (quantum satis) für alle Lebensmittel allgemein zugelassen und darf nach EG-Öko-Verordnung auch in ökologisch erzeugten Lebensmitteln zugesetzt werden.[1]
Weltweit wurden 1997 ca. 39 Millionen Tonnen Soda produziert. In Deutschland betrug das Marktvolumen 1999 ca. 2,4 Millionen Tonnen. Der größte Anteil an Soda wird dabei von den folgenden fünf Industriebranchen verbraucht:
Die Glasindustrie verwendet Soda als Rohstoff für ihre Glasschmelzen und ist damit der größte Sodaverbraucher. Soda fungiert dabei als Flussmittel,[17] das in der erstarrenden Glasschmelze deren Auskristallisieren verhindert und dadurch das Glasamorph hält. Der Anteil an Soda bestimmt dabei die Fließfähigkeit der Schmelze.
In der Papier- und Zellstoffindustrie dient Soda sowohl zum Aufschluss, zur Neutralisation, zum Reinigen und Bleichen als auch zur Aufarbeitung von Altpapier.
↑David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-20.
↑Erläuterung der Unterschiede zwischen Soda und Natron, abgerufen im Juni 2016.
↑H. W. Schmidt, Hj. Rothe: Natriumcarbonat und Natriumhydroxid. In: Wilhelm Foerst (Hrsg.): Ullmanns Encyclopädie der technische Chemie. 3. Auflage. Band12. Urban & Schwarzenberg, München / Berlin 1960, S.643–662.
↑Otto Krätz: Anfänge der technischen Chemie. In: Armin Hermann, Charlotte Schönbeck: Technik und Wissenschaft. VDI Verlag, 1991, S. 308.
↑Bernhard Neumann (Hrsg.): Lehrbuch der Chemischen Technologie und Metallurgie. Band 1. Springer, 1939, S. 364.
↑Yuto Zushi; Shun Iwasaki; Nobuyoshi Koga: Thermogravimetric approach to efflorescence of sodium carbonate decahydrate in Thermochim. Acta 724 (2023) 179503, doi:10.1016/j.tca.2023.179503.
↑ abcR. E. Dickerson, H. B. Gray, H.-W. Sichting, M. Y. Darensbourg: "Prinzipien der Chemie", Verlag Walter de Gruyter 1988, ISBN 978-3-11-009969-0, S. 976. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)