Mira Lobe wurde 1913 in der niederschlesischen Handelsstadt Görlitz in einer jüdischenKaufmannsfamilie geboren. Sie absolvierte hier das Gymnasium, wo sie 1933 Abitur machte. Nach ihrer Schulzeit wollte sie Germanistik und Kunstgeschichte studieren, jedoch war ihr dies als Jüdin untersagt. Nach Abschluss der Textil- und Modeschule in Berlin wanderte sie 1936 nach Palästina aus; Mutter und Schwester kamen später nach. Im Sommer 1940 heiratete sie den deutschen Schauspieler und Regisseur Friedrich Lobe (* 1889),[1] der am Arbeitertheater „Ohel“ in Tel Aviv wirkte. 1943 wurde Tochter Claudia geboren. In dieser Zeit begann sie sich dem Verfassen und Illustrieren von Kinderbüchern zu widmen. Zunächst erschienen zwei Bilderbücher in hebräischer Sprache – die einzigen publizierten Kinderbücher, bei denen sowohl Text als auch Illustrationen von Mira Lobe stammen. 1947 kam Sohn Reinhardt zur Welt.
In ihrem 1948 in Tel Aviv in hebräischer Sprache erschienenen ersten Buch Insu-Pu (hebräischer Titel אי הילדים, „Insel der Kinder“) werden elf Kinder auf dem Weg nach Terranien, wo Frieden statt Krieg herrscht, zwar von einem versenkten Schiff auf ein Rettungsboot gebracht, von dort aber auf eine einsame Insel verschlagen. Sie schaffen es, einen perfekt funktionierenden Kinderstaat aufzubauen.
1951 kam Lobe mit ihrer Familie nach Wien, da ihr Mann ein Engagement am kommunistischen „Neuen Theater in der Scala“ erhalten hatte. Die sich zeitlebens als „alte Linke“ Bezeichnende trat der Kommunistischen Partei bei und blieb bis 1956 Mitglied.[2] Im Neuen Theater in der Scala wurde im März 1953 auch ihr sozialkritisches, nämlich Arbeitslosigkeit thematisierendes Theaterstück für Kinder Herr Hecht und der Geheimverein aufgeführt (Regie Otto Tausig). Lobe veröffentlichte in diesen Jahren im kommunistischen Globus-Verlag und in dem gleichfalls KPÖ-nahen Wiener Schönbrunn-Verlag sechs Bücher sowie zahlreiche Beiträge in der Kinderzeitung Unsere Zeitung (UZ), die von der KPÖ-nahen „Demokratischen Vereinigung Kinderland“ herausgegeben wurde.
1957, ein Jahr nach Schließung der „Scala“ und nachdem ihrem Ehemann ein Vertrag am Deutschen Theater in Berlin angeboten worden war, folgte sie ihm in die DDR nach. Nur ein Jahr später kehrte die Familie Lobe nach Wien zurück, wo Friedrich Lobe am Theater in der Josefstadt engagiert wurde. Er starb am 20. November 1958 an einem Schlaganfall.[3]
Mira Lobes Bücher erschienen seit 1958 hauptsächlich im SPÖ-nahen Jungbrunnen-Verlag, zu dem sie bereits 1954 im Zusammenhang mit der Weihnachtsaktion der Kinderfreunde Kontakte geknüpft hatte. Der Großteil der Bücher Mira Lobes wurde von Susi Weigel illustriert, die auch in den nächsten Jahrzehnten eng mit Lobe zusammenarbeitete. Ihre größten Erfolge feierte Lobe mit Die Omama im Apfelbaum (1965) und Das kleine Ich-bin-ich (1972). Insgesamt verfasste sie mehr als 100 Bücher für Kinder unterschiedlichen Alters, die in über 30 Sprachen übersetzt wurden. Ihr Erstling Insu-Pu wurde 1984 in Großbritannien unter dem Titel Children’s Island für das Fernsehen adaptiert.[4]
1997 wurde der Mira-Lobe-Weg in der Nähe der Wohnhausanlage Trabrenngründe in Wien-Donaustadt nach der Autorin benannt. An ihm liegen eine Volksschule und ein Kindertagesheim der Stadt Wien.
2023 wurde der Gemeindebau in der Boschstraße 24 in Wien-Döbling, wo die Autorin bis zu ihrem Tod gelebt hatte, in Mira-Lobe-Hof benannt.[5]
Ihren Namen trägt eine Sprachheilschule (Schule mit dem Förderschwerpunkt Sprachheilförderung) in Eppertshausen, die für den Ostteil des Landkreises Darmstadt-Dieburg (Hessen) zuständig ist.[6] Zudem trägt seit 2014 eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung in Dortmund Hombruch den Namen Mira Lobe Schule.[7]
In Annaberg, wo sie einen Zweitwohnsitz hatte, fand von Mai bis September 2013 die Ausstellung 100 Jahre Mira Lobe statt.[8]
In Görlitz fand anlässlich von Mira Lobes 100. Geburtstag ein Symposium mit Festakt und Begleitprogramm statt. Unter dem Motto Zeit zu träumen, Zeit zu handeln gaben Referenten aus Wien, Salzburg und Görlitz Einblicke in Leben und Werk und Rezeptionsgeschichte.
Im Winter 2014/2015 war mit Ich bin ich – Mira Lobe und Susi Weigel[9] eine Ausstellung im Wien Museum zu sehen, die sich zu einer der bestbesuchten Ausstellungen der Ära Kos entwickelte.[10] Eine adaptierte Version dieser Ausstellung wurde vom 28. November 2015 bis 1. Mai 2016 im vorarlberg museum gezeigt.[11]
Hannes und sein Bumpam, 1961, Neuauflage 2014 in Originalversion, Preis der Stadt Wien für Kinder- und Jugendliteratur, in „Runners-Up-List“ des internationalen Hans Christian Andersen Award (IBBY)
König Tunix, 1962
Das große Rennen in Murmelbach, 1963
Bimbulli, 1964
Meister Thomas in St. Wolfgang, 1965
Laßt euch 3 Geschichten erzählen, 1965
Die Omama im Apfelbaum, 1965, Österreichischer Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur
Das große Rentier und zwei andere Geschichten, 1966
Pepi und Pipa, 1966
Martina, der reifende Engel, 1966
Meine kleine Welt, 1966
Eli Elefant, 1967
Das blaue Känguruh, 1968
Bärli hupft weiter und mit ihm Kasperl und Nunuk, das Eisbärenkind, 1968
Die Geggis, 1985 Kinderbuch, Jungbrunnenverlag; spätestens 1990 vertont von Erich Meixner für das Kindertheater Schmetterlinge, gespielt von Theater ASOU[14] und anderen
Die Yayas in der Wüste, 1986
Schweinchen Knut mit dem Hut, 1986
Lollo, 1987
Das Schloßgespenst, 1987
Die Zauberschleife, 1987
Das kleine Hokuspokus, 1988
Käptn Reh auf hoher See, 1989
Die Sache mit dem Heinrich, 1989
Ein Schnabel voll für Hoppala, 1989
Besser der Ball als du, 1989
Hokuspokus in der Nacht, 1990
Pitt will nicht mehr Pitt sein, 1990
Wirle Wurle Wasserkind, 1990
Der entführte Fridolin und andere Geschichten mit Anja und Niko, 1991
Das fliegt und flattert – das knistert und knattert Michi fliegt um die Welt, 1991
Karl Müller: 1936: Mira Lobe emigrates to Palestine. In: Sander L. Gilman, Jack Zipes (Hrsg.): Yale companion to Jewish writing and thought in German culture 1096–1996. New Haven : Yale Univ. Press, 1997, S. 512–519
Zeit zu träumen, Zeit zu handeln. Mira Lobe zum 100. Geburtstag. Symposium mit Festakt und Begleitprogramm, Sonderheft 2, 2014 von libri liberorum, Zeitschrift der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung. Hrsg. von Brigitte Pyerin (Hochschule Zittau/Görlitz) und Ernst Seibert (Universität Wien).
Krzysztof Kłosowicz: Von Görlitz nach Wien – Mira Lobe (1913–1995). In: Krzysztof Huszcua / Edward Bialek (Hrsg.): Schlesisch-österreichische Kulturbeziehungen vom Barockzeitalter bis zur Gegenwart. Literatur – Theater – Politik. Harrassowitz, Wiesbaden 2023, ISBN 978-3-447-12061-6, S. 125–134.
↑Theater Asou: Die Geggis, Trailer auf YouTube, 19. März 2013, abgerufen am 25. Februar 2024 (Das Bürofräulein: Die Geggis, Trailer, Theater ASOU; Laufzeit: 3:24 min).