Matthias Leupold ist Sohn von Harry Leupold, Berliner Bühnen- und Szenenbildner, (1928–2013) und der Modegestalterin Willfriede Leupold (geb. Lotz, 1922–2012). Er wuchs in Berlin-Prenzlauer Berg auf. Nach Verhaftungen (u. a. Februar 1982 Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Hohenschönhausen) und Ausstellungsschließungen (März 1986: Bauhaus Dessau, Mai 1986: Studentenclub der Hochschule für Bildende Künste Dresden) siedelte Leupold im Herbst 1986 legal nach Westberlin über. Dort studierte er von 1987 bis 1994 an der Hochschule der Künste (HdK) (seit 1995 UdK) Visuelle Kommunikation mit den Abschlüssen Diplom-Designer und Meisterschüler bei Harry C. Suchland und Ludwig Thürmer.[1] Seit 1985 ist er freischaffender Fotograf in den Bereichen Kunst sowie Medien und Industrie. Seit 2007 lehrt Leupold als Professor für künstlerische Fotografie und digitale Bildmedien an der BTK Berliner Technischen Kunsthochschule, ab 2017 an der University of Applied Sciences Europe.
Leupolds künstlerisches Ausdrucksmittel sind die szenische Fotografie[2] und der Dokumentarfilm. In seinen seriellen Arbeiten geht Leupold Erscheinungsformen von Bildgruppen und deren gesellschaftlichen Bezügen auf den Grund. 1988/89 re-analysierte er künstlerisch die III. Deutsche Kunstausstellung – Dresden, 1953. Dabei wurden Bilder des genauen Beginns des DDR-Formalismusstreits aufgegriffen und fotografisch re-inszeniert. 1994 zeigte das Militärhistorische Museum in Dresden diese Fotografien am Ort des damaligen Geschehens.
In einer weiteren schwarz-weißen Bildfolge wurde der Ideologiegehalt der deutschen Zeitschrift Die Gartenlaube um 1911/12 aufgegriffen und mit aufwendigen Requisiten, Hintergründen und historischer Kleidung re-inszeniert.
Neben den Serien fotografiert Leupold Einzelbilder und Tableaus, in denen emotionale Themen wie Einsamkeit, Heimkehr, Verletzung, Schutzbedürftigkeit, Überfluss und Verschwendung wie auch tagesaktuelle, gesellschaftliche Ereignisse und Beobachtungen verdichtend visualisiert werden. Die Bildvorgaben der realen Welt und deren reine Dokumentation genügten Leupold zunächst nicht. Spielräume für seine Arbeiten sind Naturlandschaften, urbane Plätze und Interieurs als, die er in Zusammenarbeit mit Laien, Fotomodellen und Schauspielern interpretiert. Inspiration erfährt er durch die unerhörte Begebenheit, den genius loci und in dem Beobachten menschlicher Beziehungen. Ebenso wenig wie Leupold als Fotograf ein zufälliger Augen- oder Zeitzeuge ist, bezieht er den Betrachter in seine künstlerische Arbeit mit ein: undistanziert und emotional teilhabend.
1997/1998 arbeitete Leupold als Stipendiat in der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom. Die dort und vor allem im Latium entstandenen Aufnahmen sind geprägt von Kunstwerken der italienischen Renaissance, dem südlichen Licht und den Farben des mediterranen Landes.[3]
Er war an den Ausstellungen Kunst in der DDR in der Berliner Nationalgalerie 2003,[4]Berlin-Moskau/ Moskau-Berlin Moskau 2004[5] und Übergangsgesellschaft. Porträts und Szenen 1980–1990 in der Akademie der Künste 2009[6] sowie Geschlossene Gesellschaft in der Berlinischen Galerie 2012[7] beteiligt.
Von 2011 bis 2015 erarbeitete Leupold den Dokumentarfilm Lighter than Orange – The Legacy of Dioxin in Vietnam, Kamera Armin Dierolf, in dessen Mittelpunkt die Biografien vietnamesischer Kriegsveteranen stehen. Als Opfer des Einsatzes dioxinhaltiger Entlaubungsmittel durch die Vereinigten Staaten sind sie besonders betroffen von den Folgen des Vietnamkrieges in den 1960er und 1970er Jahren. Weitere Dokumentarfilmarbeiten im Libanon, in der Schweiz und in Albanien folgten.[8]
Berlin, 1988–1990: Fahnenappell – Szenische Fotografien zur III. Deutschen Kunstausstellung in Dresden 1953[9][10][11]
Berlin, 1994: Leupolds Gartenlaube – Liebhaberaufnahmen in Erinnerung an das deutsche Familienblatt Die Gartenlaube
Berlin, 1995: Die Schönheit der Frauen – Fotografische Freilichtstudien
Rom, 1998: Cecilia, Deutsche Akademie Villa Massimo Rom
Berlin, 2021: Aus dem Gruppenbuch der Christiane P.
Filmografie (Auswahl)
2015: Lighter than Orange – The Legacy of Dioxin in Vietnam Dokumentarfilm, 72 min, Regie, Produktion: M.L. 2015 GRAND PRIZE Documentary Feature Award of Socially Relevant Film Festival New York;[12] Best Feature Documentary Los Angeles CineFest,[13] weltweite Ausstrahlung EN; DE, ES, AR 2015: Deutsche Welle[14][15][16][17][18]
2016: The Noise of Letea, Dokumentarfilm, 29 min, Regie, Produktion, M.L. Kamera M.L., Eric Berg[19]
2019: Der Fotograf Hugo Jaeggi – Zudem ist der Traum oft Realität genug, Dokumentarfilm, 52 min, Regie M.L., Jérôme Depierre, Weltpremiere Fine Arts Film Festival FAFF, Venice, Los Angeles CA, Europapremiere kult.kino Atelier, Basel, Ausstrahlung: SRF, Sternstunde Kunst 17.11.2019[20][21]
2020: The Song of the Valley, Dokumentarfilm, 52 min, Regie M.L., Marie Séférian, Weltpremiere Courage Film Festival, Berlin[22]
2021: In the Name of Vjosa, Dokumentarfilm, 14 min, Regie M.L., Eric Berg, Langzeitprojekt in dem albanischen Dorf Kuta
Veröffentlichungen (Bildbände)
Fahnenappell – Szenische Fotografie zur III. Deutschen Kunstausstellung in Dresden 1953. Jonasverlag, Marburg 1992, ISBN 3-89445-128-9; Text: Werner Kleinerüschkamp[23]
Die Schönheit der Frauen – Photographische Freilichtstudien. Connewitzer Verlagsbuchhandlung. 1996, ISBN 3-928833-43-X; Essay: Karl Corino.[24]
Die Vergangenheit hat erst begonnen. Schadenverlag, Köln 2003, ISBN 3-932187-28-8; Texte: Enno Kaufhold, T. O. Immisch, Kerstin Stremmel.
Aus dem Gruppenbuch der Christiane P. / From the Group Journal of Christiane P. Lukas Verlag, Berlin 2024, ISBN 978-3-86732-457-1; Texte: Matthias Flügge, Matthias Leupold.[25]
Ausstellungen (Auswahl)
Einzelausstellungen
1984: Inszenierte Fotografien, Jugendclub Schaufenster im Brecht-Haus, Berlin
1988: Scenic Photographs, Art-School, Portland/Maine, USA
1992: Fahnenappell – Szenische Fotografie zur III. Deutschen Kunstausstellung in Dresden 1953, Bauhaus Dessau
1987: Aktuelle Fotografie in der DDR, Landesbildstelle Hamburg
1992: Photographie als Kunst – Kunst als Photographie, Zehn Jahre Photografische Sammlung 1979–1989, Berlinische Galerie, Photographische Sammlung[33]
1992: Nichts ist so einfach wie es scheint, Ostdeutsche Photographie 1945–1989, Berlinische Galerie, Photographische Sammlung[34]
1993: Das letzte Jahrzehnt, Ostdeutsche Photographie der achtziger Jahre, Kommunale Galerie im Leinwandhaus, Frankfurt am Main
1996/98: 1. Ars Bartica-Triennale der Photokunst Das Ende der Utopien, Stationen: Schloss Gottorf, Schleswig; Haus am Waldsee, Berlin; Japanisches Palais, Dresden; Museet for Fotokunst Brandts Klaedefabrik Odense; (DK) Kunsthalle/Taidehalli Helsinki; Maison du Danemark, Paris; Center of Contemporary Art, Warzcawa; Center of Contemporary Art, Tallinn; Galeria Miesska, Arsenal Poznań
2018: Blick|Wendungen, Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst, Frankfurt/Oder[45]
2018 In einem anderen Land, Transformationsprozesse an Beispielen zeitgenössischer Fotografie in Deutschland, Haus am Kleistpark, Berlin, riesa efau, Kultur Forum Dresden, Kunsthalle Erfurt[46]
2018: No War No Vietnam, Galerie Nord, Berlin
2018: The Inner Eye: Aspects of GDR Documentary Photography, Amber, Side Gallery, Newcastle upon Tyne
2018: Inszeniert – Provoziert – Analysiert Drei fotografische Positionen der ehemaligen DDR: Kurt Buchwald, Manfred Paul, Matthias Leupold, Photo Edition Berlin[47]
2019: Die anderen sind Wir. Bilder einer dissonanten Gesellschaft, Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst, Dieselkraftwerk, Cottbus: u. a. mit Anna und Bernhard Blume, Gerd Bonfert, Kurt Buchwald, Klaus Elle, Thomas Florschuetz, John Heartfield, Matthias Leupold, Ulrich Lindner, Evelyn Richter, Rudolf Schäfer, Michael Schmidt und der Gruppe Apparat
2019: 1000 Wirklichkeiten – 100 Jahre GDL/DFA, Haus der Photographie, Deichtorhallen Hamburg
2019: Utopien und Werke, riesa efau, Dresden
2020: Staged and Documentary Photography, Die Schönheit der Frauen, mit V. v. Keuren Galerie Bernd A. Lausberg, Photo+, Düsseldorf
2021: Staged Photography, mit der Gruppe Engelberg, Katharina Mayer, Kurt Buchwald, Andrej Glusgold, Galerie Pankow, Berlin[48]
2022: Wir haben kein Rezept, riesa efau, Dresden, Kurator: Frank Eckhardt
2022: An den Rändern taumelt das Glück. Die späte DDR in der Fotografie, ACC Galerie Weimar Curatorinnen: Annett Jahn, Ulrike Mönnig
2023: The Vjosa River-The Last Untamed River in Europe, Malzfabrik Berlin, European Month of Photography
2023: Engelberg+ Inszenierte Fotografie, Kurt Buchwald, Matthias Leupold, Andrej Glusgold, Katharina Mayer, + Claus Bach, Kunsthalle Erfurt, Kuratoren: Kai Uwe Schierz, Susanne Knorr,[49]
↑Andreas Krase: Fahnenappell. Matthias Leupolds fotografische Inszenierungen zur III. Deutschen Kunstausstellung 1953. In: neue bildende kunst, Zeitschrift für Kunst und Kritik. 1. Jahrgang, Heft 1, hrsg Interessengemeinschaft neue bildende kunst e. V. 1991, S. 56–58.
↑SRF, Sternstunde Kunst 17.11.2019, Interview mit Jérôme Depierre Seine Euphorie für die Fotografie war ansteckend, Zur Entstehung des Dokumentarfilmes Der Fotograf Hugo Jaeggi - Zudem ist der Traum oft Realität genug
↑Werner Kleinerüschkamp: Atelierhaus Worpswede 1992, 1993, 1994. Stipendiatenkatalog Hrsg. Martin Kausche, Atelierhaus Worpswede e. V., 1995, ISBN 3-89299-181-2, S. 114–118.
↑Janos Frecot, Virginia Heckert: Photographie als Kunst – Kunst als Photographie. Zehn Jahre Photographische Sammlung 1979–1989, Ausstellungskatalog Berlinische Galerie, Museum für Moderne Kunst, Photographie und Architektur, 1989, S. 198.
↑Ulrich Domröse: Nichts ist so einfach wie es scheint. Ostdeutsche Photographie 1945–1989, Ausstellungskatalog Berlinische Galerie e. V., 1992, ISBN 3-927873-15-2.
↑Chimaera. Aktuelle Photokunst aus Mitteleuropa. hrsg. von T.O. Immisch, John P. Jacob, Connewitzer Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1997, ISBN 3-928833-97-9, S. 33, 74–81.
↑Klaus Honnef, Kai-Uwe Schierz: Signaturen des Sichtbaren. Ein Jahrhundert Fotografie in Deutschland, Ausstellungskatalog Galerie am Fischmarkt Erfurt, Rheinisches Landesmuseum Bonn u. a., 1998, ISBN 3-923755-56-2, S. 140, 141, 211.
↑Vom Mythos zum Fragment, Aktphotographien, Ausstellungskatalog Galerie Moritzburg Halle, Verlag Locher, Köln 1999, ISBN 3-930054-37-X, S. 19.
↑Die Kunst in der DDR. Eine Retrospektive der Nationalgalerie. hrsg. von Eugen Blume und Roland März.; Berlin: G+H Verlag 2003, ISBN 3-931768-73-2.
↑Berlin–Moskau Moskau–Berlin, Staatliches Historisches Museum Moskau [1]
↑Gabriele Muschter, Uwe Warnke: In einem anderen Land, Transformationsprozesse an Beispielen zeitgenössischer Fotografie in Deutschland. Ausstellungskatalog Haus am Kleistpark 2018, S. 86–93.