Lysipp

Statue des Apoxyomenos, römische Kopie in den Vatikanischen Museen

Lysippos (griechisch Λύσιππος Lýsippos; * wohl 400/390 v. Chr. in Sikyon; † gegen Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr.), deutsch meist Lysipp, war ein griechischer Bildhauer und Erzgießer, der vor allem in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. tätig war.

Leben

Lysipp war der bedeutendste Plastiker des 4. Jahrhunderts v. Chr. auf der Peloponnes, unterhielt eine große Bildhauerschule in Sikyon und schuf angeblich über 500 Statuen.[1] Er arbeitete für zahlreiche Auftraggeber aus dem gesamten griechischen Kulturraum, von Kleinasien und Rhodos über Thessalien und Makedonien, die Peloponnes und Boiotien, Delphi, Aitolien und Akarnanien bis nach Tarent. Unter seinen Werken waren alle Formate und zahlreiche Themen vertreten, darunter Götter, Heroen, Musen, Athleten und Porträts von Staatsmännern, Philosophen und Königen. Einer antiken Legende nach ließ sich Alexander der Große in Bronze nur von ihm darstellen, so wie er sich nur von Apelles malen ließ.[2]

Als Bildhauer führte er ein neues Naturverständnis ein, das ihm bereits in der Antike das Urteil einbrachte, am vollkommensten die natürliche Erscheinung zu berücksichtigen.[3] Plinius überliefert die sprichwörtliche Wendung, „er stelle Menschen dar, nicht wie sie seien, sondern wie sie erschienen.“[4] Er setzte sich hiermit bewusst vom Stil Polyklets ab, in dessen Nachfolge er als Künstler insbesondere aus Sikyon stand. Während er weiterhin an dem durch Ponderation ausgeglichenen Gegensatz von Standbein und Spielbein festhielt, das in seiner deutlichsten Ausprägung von Polyklet in die Kunst eingeführt wurde, veränderte er die Proportionen der Gliedmaßen, was sich zum Beispiel in einer Längung der Beine, einer schmaleren Körperdarstellung insgesamt und einer Verkleinerung der Kopfproportion ausdrückte. Bereits der antiken Kunstgelehrsamkeit waren diese abgrenzenden Eigenheiten seines Stils bekannt.[5] Insbesondere sein Apoxyomenos vermittelt eine Vorstellung seines Stils und zeugt von einem weiteren Moment lysippischen Kunstschaffens: Der Eroberung des Raumes, der durch das Vor und Zurück der Gliedmaßen den Betrachter in den Raum des Bildnisses einbezieht, den „Betrachter direkt angeht“.[6] Weitere zuweisbare Werke sind ein Alexanderporträt und das Porträt des Sokrates, die Lysipp in der schriftlichen Überlieferung zugeschrieben werden und die man mit seinem Stil verbinden kann.

Dennoch gestaltet sich die Auseinandersetzung mit seinem Werk, das nur in Form römischer Marmorkopien erhalten ist, schwierig, da sein immenser Einfluss zahlreiche Nachahmer seines Stils hervorbrachte. So arbeitete bereits sein Sohn Euthyktates in seinem Stil und eine Generation später brachte es Tysikrates so weit, dass man seine Statuen von denen Lysipps kaum unterscheiden konnte.[7] Einer seiner Schüler war Chares von Lindos, der den Koloss von Rhodos schuf.[8]

Angesichts einer ironischen Spitze des Petronius ist der unglaubliche Werkumfang Lysipps kaum zu erklären. Denn Petronius ließ ihn im Satyricon hungers sterben, während er über dem Entwurf zu einer Statue brütete.[9] Anderseits ist es Zeugnis seiner überlieferten Detailversessenheit und er wurde für die Details seiner Haargestaltung gerühmt.[10]

Werke

Lysipp als Namensgeber

Der Merkurkrater Lysippus[11] und der Asteroid (5984) Lysippus sind nach Lysipp benannt.

Anmerkungen

  1. Plinius, Naturalis historia 7, 38.
  2. Plinius, Naturalis historia 34, 17; die Angaben schwanken in den Manuskripten, auch 1500 Statuen werden genannt.
  3. Quintilian, Institutio Oratoria 12, 10, 9.
  4. Plinius, Naturalis historia 34, 19.
  5. Plinius, Naturalis historia 34, 19.
  6. Werner Fuchs: Die Skulptur der Griechen. 3. Auflage. Hirmer, München 1983, S. 104.
  7. Plinius, Naturalis historia 34, 61–67.
  8. Plinius, Naturalis historia 34, 41.
  9. Petronius, Satyricon 88.
  10. Plinius, Naturalis historia 34, 19.
  11. Lysippus im Gazetteer of Planetary Nomenclature der IAU (WGPSN) / USGS

Literatur

  • Karin Moser von Filseck: Der Apoxyomenos des Lysipp und das Phänomen von Zeit und Raum in der Plastik des 5. und 4. Jhs. v. Chr. (= Habelts Dissertationsdrucke. Reihe klassische Archäologie. Bd. 27). Habelt, Bonn 1988, ISBN 3-7749-2353-1.
  • Karin Moser von Filseck: Kairos und Eros. Zwei Wege zu einem Neuverständnis griechischer Bildwerke. Habelt, Bonn 1990, ISBN 3-7749-2449-X.
  • Hans-Christoph von Mosch: Hadrians „Sandalenlöser“ – Der Hermes des Lysipp (?) auf Münzen aus Trapezous, Amastris und Markianopolis. In: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte. Bd. 63, 2013, S. 93–149 (Digitalisat).
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