Louisa Stuart war das jüngste der elf Kinder – sechs Töchter und fünf Söhne – von John Stuart, 3. Earl of Bute (1713–1792), der zur Zeit ihrer Geburt einer der engsten Freund des künftigen Königs Georg III. war. Ihre Mutter war Mary, eine Tochter der Schriftstellerin Mary Wortley Montagu. Bute war zwar Schotte, verbrachte aber die meiste Zeit in seinem Stadthaus in London am Berkeley Square.[1] 1762 kaufte er sich ein Herrenhaus in Luton Hoo, Bedfordshire. Von 1762 bis 1763 war Bute Premierminister, musste aber nach scharfer Kritik zurücktreten, lebte fortan auf seinem Familiensitz und widmete sich vor allem der Botanik.
Im Alter von zehn Jahren begann Louisa Stuart, in die Fußstapfen ihrer schriftstellernden Großmutter zu treten. Sie fürchtete ihre Geschwister, die sich wegen ihrer Gelehrsamkeit über sie lustig machten.[2] Zwar besuchte sie später gemeinsam mit ihrer Mutter gesellschaftliche Anlässe der Londoner Gesellschaft, verfolgte aber auch aufmerksam das aktuelle Literaturgeschehen und korrespondierte mit Freunden. Von Kind an besaß sie eine großartige Beobachtungsgabe und trug ihre Beobachtungen in Notizbücher ein, die erhalten sind.[1]
Als Lady Louisa 13 Jahre alt war, verliebte sie sich in ihren Großcousin William Medows (1738–1813), der zu diesem Zeitpunkt 41 Jahre alt war. Louisas Vater empfand diese Verbindung als unpassend und beendete sie.[1] Louisa Stuart war zutiefst enttäuscht. Später im selben Jahr heiratete Medows eine andere Frau.
Offensichtlich verliebte sich Louisa Stuart danach nie mehr, aber sie hatte zumindest zwei Verehrer, Henry Dundas (1742–1811) und John Charles Villiers (1757–1838). Villiers überwältige Louisa Stuart schier mit seiner Bewunderung, und ihre Familie hätte es gern gesehen, wenn sie ihn geheiratet hätte, aber sie entschied, dass eine „Liebesbeziehung ohne Liebe nichts anderes als eine schlechte Angelegenheit ist“ und blieb lebenslang unverheiratet.[1]
Später gab es offenbar falsche Gerüchte, Louisa hätte eine Liebesbeziehung mit dem wesentlich älteren Witwer William Wentworth, 2. Earl of Strafford. In den 1790er Jahren befreundete sie sich mit Walter Scott, der ihr regelmäßig seine Manuskripte zusandte und sie um ihre Meinung bat, die er sehr schätzte. Diese Freundschaft dauerte bis zu Scotts Tod im Jahre 1832.[1]
Louisa Stuart galt nicht als hübsch, aber Fanny Burney schrieb über sie 1786: „Teilweise ist Lady Louisa Stuart ihrer Mutter sehr ähnlich, aber mit einem Benehmen und einem Auftreten, dass unendlich erfreulicher ist; zwar ist sie weit entfernt davon, schön zu sein, aber sie beweist, dass die Vereinigung von Verständnis und Lebendigkeit gelegentlich an die Stelle fehlender Schönheit treten kann.“[3]
20 Jahre lang war Louisa Stuart als Begleiterin ihrer Mutter bei gesellschaftlichen Anlässen unterwegs. Nach deren Tod im Jahre 1794 erwarb sie ein Haus in Marylebone in London, von dem aus sie im Regent’s Park spazieren gehen konnte.[1] Zuhause saß sie über ihren Büchern und führte ein eher einsiedlerisches Leben, war aber gelegentlich auch gesellig. Sie zerstörte viele ihrer Manuskripte, schrieb aber weiterhin viele Briefe, führte Gespräche und besuchte Herrenhäuser.[2] Wenige Monate vor ihrem Tod wurde sie von George Hayter gemalt. Sie starb in ihrem Londoner Haus wenige Tage vor ihrem 94. Geburtstag. Sie überlebte alle ihre Geschwister, die letzte Schwester um rund 30 Jahre.
Werk
Aus Angst, ihren Ruf als Dame der höheren Gesellschaft zu beschädigen, wollte Louisa Stuart nicht, dass ihre geschriebenen Werke unter ihrem Namen erschienen, und tatsächlich wurden sie das erst ab 1895, über 40 Jahre nach ihrem Tod.[2][4][5]John Gibson Lockharts Buch Life of Sir Walter Scott aus den Jahren 1837/38 enthält einige Briefe von Scott an Louisa Stuart.[2] In einem Brief an seinen Verleger schrieb Scott: „Ich hoffe, Sie haben die gedruckten Seiten von Lady Louisa Stuart erhalten, aber erwähnen Sie um den Preis Ihres Lebens nicht ihren Namen.“[6]
Vieles von dem, was Stuart geschrieben hat, liegt weiterhin nur in der Form unveröffentlichter Memoiren und Briefen vor, die meisten von ihnen an Frauen gerichtet, aber das Interesse an ihr als Zeitzeugin wuchs zum Ende des 19. Jahrhunderts.[2] Von 1895 bis 1898 gab Mrs. Godfrey Clark drei Bände mit Stuarts Schriften heraus Gleanings from an Old Portfolio (Correspondence of Lady Louisa Stuart) und 1899 folgte Lady Louisa Stuart: Selections from her Manuscripts, herausgegeben von James A. Home. 1901 und 1903 wurden in Edinburgh zwei Bände Letters of Lady Louisa Stuart to Miss Louisa Clinton publiziert.[7]
Louisa Stuart war kein „Blaustrumpf“, und obwohl ihre Werke auch Anflüge von boshaftem Humor haben, gab es keine gegenseitige Zuneigung. Als wohlerzogene Lady hegte sie stille Verachtung für Elizabeth Montagus Gepflogenheit, Menschen in die Gesellschaft einzuführen, die außerhalb der höheren Kreise geboren waren. Sie machte sich zudem lustig über „Universität-Genies, die nichts haben außer einem Buch in ihrer Hosentasche“.[4] Sie schrieb: „Die einzigen Blaustrumpf-Treffen, denen ich selbst jemals beiwohnte, waren solche von Mrs. Walsingham und Mrs. Montagu. Letzteres zu besuchen war allerdings wie das Schöpfen aus einer Quelle [...].“[9]
Professor Karl Miller würdigt Louisa Stuarts Werk im Oxford Dictionary of National Biography als „großartig“, aber spricht auch ihre Widersprüchlichkeit an. Sie sei sowohl für als auch gegen die weibliche Emanzipation gewesen, und während sie einerseits die alte gesellschaftliche Ordnung bevorzugte und eine Aversion gegen das gemeine Volk hatte, bewunderte sie andererseits „schlichten menschlichen Wert“. Miller spricht von Stuart als „die am wenigsten bekannte, aber, ohne Zweifel, eine der guten Schriftstellerinnen ihrer Zeit.“[2] Die Literaturwissenschaftlerin Jill Rubinstein beschreibt sie als „Tory bis auf die Knochen, die niemals den Schmerz vergessen hatte, der durch die verleumderischen persönlichen Angriffe von Wilkes und anderen auf ihren Vater verursacht worden war“ und vergleicht ihre politische Einstellung der von Walter Scott: „Ein prinzipientreuer und gleichbleibender Konservatismus.“[10]
↑Fanny Burney: The Diary and Letters of Madame D’Arblay. Hrsg. v. Charlott Barrett. 1842. Band 3. S. 237: „Lady Louisa Stuart has parts equal to those of her mother, with a deportment and appearance infinitely more pleasing: yet she is far from handsome, but proves how well beauty may be occasionally missed when understanding and vivacity unite to fill up her place.“
↑ abThe Cambridge History of English and American Literature in 18 Bänden (1907–21) Band 11: The Period of the French Revolution XV The Bluestockings, §3 Mrs Montagu auf bartleby.com
↑Devoney Looser: British Women Writers and the Writing of History, 1670-1820. JHU Press 2000. ISBN 0-8018-7905-1. S. 64
↑Gleanings from an Old Portfolio (Correspondence of Lady Louisa Stuart). Hrsg. v. Mrs Godfrey Clark. Privatdruck 1898. Band 3. S. 61: „The only blue stocking meetings which I myself ever attended were those at Mrs Walsingham’s and Mrs Montagu’s. To frequent the latter, however, was to drink at the fountain-head [...].“
↑Looser, op. cit., Fußnote 13, S. 215: „"Tory to the bone, never having forgiven the pain inflicted on her father by the scurrilous personal attacks of Wilkes and others" and compares her politics to those of Sir Walter Scott, ‚a principled and consistent conservatism‘.“