Liu Shipei (chinesisch劉師培 / 刘师培, W.-G.Liu Shih-p'ei; 1884–1919), auch Shenshu (Zi) bzw. Zuo’an (Hao), war ein chinesischer Philologe, konfuzianischer Historiker, Anarchist, Revolutionär, Philosoph und Publizist aus Yizheng (Yangzhou) in Jiangsu. Er war ein Theoretiker des Nationalismus und Internationalism in der Revolution von 1911.[1]
Als Nachkomme mehrerer Vertreter der konfuzianischen Schule von Yangzhou (Yangzhou xuepai 揚州學派)[2] erhielt er seit seiner Kindheit er eine klassische chinesische Ausbildung. Nach seiner Rückkehr aus Peking von der nicht bestandenen juren-Prüfung besuchte er Shanghai, wo er für zwei Jahre blieb, und wo er Zhang Taiyan (Zhang Binglin) und Cai Yuanpei (1868–1940) begegnete, die ihn mit revolutionären Ideen bekannt machten.
1904 schloss er sich der Anti-Qing-Gesellschaft Guangfuhui 光復會 an und 1907 der Tongmenghui, während er sich mit seiner Frau, der Anarchistin He Zhen[3], in Japan aufhielt. Auf Einladung von Zhang Binglin (Zhang Taiyan) wurde er einer der Mitarbeiter des Minbao (People’s Journal) in Tokyo. In Japan interessierte sich Liu für die Ideen des Anarchismus bzw. die japanischen radikalenSozialisten und wies auf Parallelen zu den Lehren von Xu Xing und Bao Jingyan hin. Er publizierte in Zeitschriften wie Tianyi bao 天義報 und Hengbao 恒报. Seine Leidenschaft dafür ebbte jedoch ab. 1908 kehrte Liu Shipei nach China zurück und trat in den öffentlichen Dienst am Qing-Hof ein.
Unter Yuan Shikai (1859–1916) trat er zusammen mit mehreren anderen Aktivisten (siehe „Friedensplanungsgesellschaft“ Chouanhui) für die Wiederherstellung des monarchistischen Systems ein. Er empfahl die Einführung eines neuen chinesischen Kalenders, beginnend mit der Geburt des Gelben Kaisers.
Liu Shipei starb im Alter von 35 Jahren an Tuberkulose.
Als klassischer Gelehrter ist sein Name mit vielen exegetischen Studien verbunden.[4] Er warb für die (zweifellos richtige) Ansicht, dass die Bedeutung der Schriftzeichen aus ihrer Aussprache gesucht werden müsse. Er gilt als einer der letzten Vertreter der Alt-Text-Schule (guwenxue, guwenjia).[5]
Von seinen Schriften gilt als die repräsentativste das Buch über die Vertreibung (Rangshu), worin er für die Idee der Vertreibung der Mandschus und die Wiederherstellung einer chinesischen Herrschaft eintritt.[6] 1915 schrieb er Über die Restauration der Monarchie (Junzheng fugu lun 君政復古論 / 君政复古论), um Yuan Shikai zu unterstützen.
Seine Werke sind in der Ausgabe unter dem Titel Liu Shenshu xiansheng yishu 刘申叔先生遗书 (Hinterlassene Werke von Liu Shenshu) vereint.
Some say that the Han [Chinese] ethnicity’s character has a certain power as their maxim. No matter for what race or ethnicity this power is used in order to adjoin it—everyone attaches and follows [the Chinese ethnicity]. Unless I see it myself, I do not dare to believe in this statement!
Some say that the Han [Chinese] ethnicity has a special spirit. No matter what race or ethnicity migrates to China it is finally rejected by the Han [Chinese] ethnicity. Looking at the Manchu ethnicity night and day I do not dare to believe in this statement![7]
Publikationen
Rangshu 攘书 1903 / Buch über die Vertreibung (in Zhongguo baihua bao /China colloquial journal)
Huangdi hun (Die Seele des Gelben Kaiser) 1904
Zhongguo minzu zhi 中国民族志 / 中國民族志 1905
Liu Shenshu xiansheng yishu 刘申叔先生遗书. Ningnan Wushi paiyin ben 宁南武氏排印本 1936
Studien zu folgenden alten Texten werden in der Bibliographie des Hanyu da zidian (Abk. HYDZD) aufgeführt (mit Angabe der jeweiligen Bibliographie-Nummer, Bezeichnung der Werke, ggf. Verfasser, Titel, Congshu usw.):
↑Zum Einfluß des Sozialdarwinismus und Rassismus vgl. z. B. auch Zhang Taiyan (1869–1936): Buch der Bedrängnis (Qiushu 訄書/訄书, 1900/1904) und Zou Rong (1885–1905): Die Revolutionäre Armee (Geming jun 革命軍, 1903).
↑brill.com (Julia C. Schneider) - abgerufen am 3. September 2019
Literatur
汉英中国哲学辞典. 开封 2002
Gotelind Müller: China, Kropotkin und der Anarchismus: Eine Kulturbewegung im China des frühen 20. Jahrhunderts unter dem Einfluss des Westens und japanischer Vorbilder. (Freiburger Fernostliche Forschungen, Band 5). 2001 (Online-Teilansicht
"Liu Shi-p'ei," in Howard L. Boorman: Biographical Dictionary of Republican China. Hrsg.: Richard Howard. Vol II. Columbia University Press, New York 1968., pp. 411–413.
Julia C. Schneider: Nation and Ethnicity: Chinese Discourses on History, Historiography, and Nationalism (1900s–1920s). (Leiden Comparative Historiography) 2017 Online-Teilansicht*
Peter Zarrow: "Liu Shipei", in Wang Kewen (Hrsg.): Modern China. 1998 (Online-Teilansicht)
Liu Shih-p'ei (1884–1919) and His Literary Theories: 劉師培及其文學理論. University of Hong Kong (Pokfulam Road, Hong Kong), 1986
Frank Dikötter: The Discourse of Race in Modern China. London: Hurst & Co. 1992 Online-Teilansicht
Marc André Matten: Die Grenzen des Chinesischen: Nationale Identitätsstiftung im China des 20. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Ostasien-Instituts der Ruhr-Universität, Bochum, Band 54). 2009 (Online-Teilansicht)
Anne Shen Chao: Chen Duxiu's Early Years: The Importance of Personal Connections in the Social and Intellectual Transformation of China 1895–1920. Houston, Texas 2009 Online