Der Tower of London diente von 1101 bis 1941 als Gefängnis der englischen und britischen Könige. Meist ließen sie in dieser Festung in London höhergestellte oder wichtige Gefangene inhaftieren. Viele Gefangene waren Gefangene des Staates oder des Königs. Andererseits kamen auch vollkommen unbekannte Häftlinge in den Tower. In den 800 Jahren seiner Geschichte wurde kein anderes englisches Gefängnis zu so verschiedenen Zwecken benutzt wie der Tower of London.[1]
Im 13. Jahrhundert beispielsweise diente der Tower als gewöhnliches Kriminalgericht. Mindestens vier des Mordes Verdächtige waren im 13. Jahrhundert im Tower eingesperrt, drei Räuber und ein Kronzeuge für andere Verbrechen. Die genaue Zahl oder gar die Namen der Häftlinge aus jeder Zeit sind nicht mehr überliefert. Bis in das Jahr 1337 hinein lassen sich aber Quellen finden, die den Tower als mögliches Gefängnis für Kriminelle bezeichnen.[2] 1312 kam es zu einem Gefangenenausbruch, als es bewaffneten Gefangenen gelang, auf den Tower Hill zu fliehen und die Glocken von All Hallows-by-the-Tower zu läuten, um die Londoner Bevölkerung zur Hilfe zu rufen. Die herbeigelaufene Menge brach Löcher in Tore und Wände. Es gelang ihr, zwei weitere Gefangene zu befreien. Dies fand zu einer Zeit statt, als der Tower als normales Kriminalgefängnis bereits im Niedergang begriffen war.[3]
Vermutlich stand auf dem Festungsgelände im 12. und 13. Jahrhundert ein Gefängnisgebäude, das keinem anderen Zweck diente, als Gefangene zu beherbergen. In späteren Jahrhunderten wurden die Gefangenen in anderen Teilen der Festung untergebracht, wobei so gut wie jedes Gebäude irgendwann in seiner Geschichte auch Gefangene beherbergte.[4] Im White Tower waren spätestens seit dem 13. Jahrhundert hochgestellte Gefangene in den oberen Stockwerken untergebracht. Allerdings konnten diese hier nicht allzu lange gefangen gehalten werden, ohne den Ablauf des Alltags im Tower zu stören. Mit dem Bau der äußeren Festungswälle unter Heinrich III. und Eduard I. entstand Platz für weitere Bauten. Die wichtigsten Gefängnisse waren vermutlich der Beauchamp Tower und der Martin Tower.[5]
Das Ende des Towers als Kriminalgefängnis kam, nachdem einerseits in London das Newgate-Gefängnis im 13. Jahrhundert etabliert war, zum anderen fand die Monarchie auch außerhalb Londons sichere Aufbewahrungsorte für Gefangene und musste diese nicht mehr in die Hauptstadt bringen lassen.[2]
Der Tower eignete sich besonders gut als Gefängnis auch für schwierige oder populäre Gefangene, da er direkt mit der Person des Königs verbunden und stark geschützt war. Ein System aus Wällen und Festungsanlagen trennte ihn von der möglicherweise unruhigen Bevölkerung Londons. Bis in das 20. Jahrhundert war der Tower zudem immer Standort militärischer Einheiten, die neben den regulären Wächtern als zusätzlicher Schutz des Gebäudes dienten. Da im Tower oft Elitetruppen des Königs stationiert waren, war die Zuverlässigkeit und Einsatzbereitschaft meist höher als in anderen Gefängnissen.[1]
Zugleich verfügte der Tower über vergleichsweise üppig ausgestattete Räumlichkeiten und Wohnmöglichkeiten. So war es möglich, hochgestellten Gefangenen ein Leben zu bieten, das ihrem Stand angemessen schien, und sie doch sicher zu verwahren.[1] Auch gewöhnlichen Gefangenen bot der Tower bessere Haftbedingungen als die anderen Gefängnisse der Stadt, und so konnte der König als besonderen Gnadenakt Gefangene in den Tower bringen lassen.[4] Außerdem ließen sich die Haftbedingungen im Tower verbessern, indem man den Wärtern oder der Gefängnisverwaltung entsprechende Geldbeträge bezahlte. Bis in das 14. Jahrhundert hatte sich daraus ein offizieller Gebührenkatalog entwickelt.[6] Das Prestige des Towers ließ ihn auch als angemessene Haftanstalt erscheinen bei allen Verbrechen, die direkt die Interessen des englischen oder des britischen Königshauses involvierten.[4]
Im Juni 1533 ins Newgate Prison verlegt, im Juli 1534 hingerichtet
Eingesperrt auf Veranlassung von Thomas Morus, der wenig später selbst im Tower gefangen war. Schrieb im Tower A Boke . . . answeringe vnto M.mores lettur – eine Kampfschrift gegen die Transsubstantiation, die endgültig sein Schicksal besiegelte.
Ralph B. Pugh: Imprisonment in Medieval England. Cambridge University Press, 1968, ISBN 0-521-06005-2.
Brian A. Harrison: The Tower of London Prisoner Book: A Complete Chronology of the Persons Known to have been Detained at Their Majesties Pleasure 1100–1941. Royal Armouries, Leeds 2004, ISBN 0-948092-56-4.
Anmerkungen
↑ abcdefghijPugh: Imprisonment in Medieval England. 1968, S. 122.
↑ abPugh: Imprisonment in Medieval England. 1968, S. 123.
↑Pugh: Imprisonment in Medieval England. 1968, S. 222–223.
↑ abcPugh: Imprisonment in Medieval England. 1968, S. 125.
↑ abcPugh: Imprisonment in Medieval England. 1968, S. 126.
↑ abPugh: Imprisonment in Medieval England. 1968, S. 168.
↑ abPugh: Imprisonment in Medieval England. 1968, S. 55.
↑Pugh: Imprisonment in Medieval England. 1968, S. 162.
↑Ruth Ahnert: Writing in the Tower of London during the Reformation, ca. 1530–1558. In: Huntington Library Quarterly. Vol. 72, No. 2 (June 2009), S. 173.
↑Ruth Ahnert: Writing in the Tower of London during the Reformation, ca. 1530–1558. In: Huntington Library Quarterly. Vol. 72, No. 2 (June 2009), S. 174.
↑ abTom Masters, Steve Fallon, Vesna Maric: Lonely Planet London City Guide. Lonely Planet, 2010, ISBN 978-1-74179-226-3, S. 119.
↑John Milton, Paul Fadio Bandia: Agents of translation. John Benjamins Publishing Company, 2009, ISBN 978-90-272-1690-8, S. 6.
↑Simon Bradley, Nikolas Pevsner: London 1. The city of London. Penguin, London 1997, ISBN 0-14-071092-2, S. 369.
↑W. J. Loftie: The Tower of London: A Guide. S. 4.
↑Simon Bradley, Nikolaus Pevsner: London 1. The city of London. Penguin, London 1997, ISBN 0-14-071092-2, S. 367–368.
↑ abcGeoffrey Parnell: The Tower of London: Past and Present. The History Press, 2009, ISBN 978-0-7524-5036-0, S. 80.
↑Historic Royal Palaces: Tower of London World Heritage Site - Management Plan. 2007, PDF (Memento vom 18. Dezember 2007 im Internet Archive), S. 33.