Lisette Model studierte ab 1920 neben Harmonielehre und Kontrapunkt bei Arnold Schönberg sowie Gesang bei Marie Gutheil-Schoder. Nach dem Tod ihres Vaters verließ sie 1926 mit ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester Olga Wien und pendelte zwischen Paris und Nizza in Südfrankreich. In Paris setzte sie ihre Gesangsausbildung fort, wandte sich jedoch um 1933 völlig von der Musik ab und widmete sich der Fotografie.
Bei einer Reise nach Nizza lernte sie ihren Mann, den Maler Evsa Model, kennen. In Nizza produzierte sie 1934 eine ironische Bilderserie über die Nobelurlauber an der Promenade des Anglais, die 1935 mit einem sozialkritischen Kommentar in der ZeitschriftRegards, einem Organ der kommunistischen Partei, veröffentlicht wurde. Damit gelang ihr der Durchbruch im Bereich der Straßenfotografie. 1937 war sie Schülerin bei der surrealistischen Fotografin Florence Henri.
1938 emigrierte sie mit ihrem Mann in die Vereinigten Staaten. Dort bekam sie Kontakt zu einflussreichen Persönlichkeiten wie Alexei Brodowitsch, dem Art Director von Harper’s Bazaar, für das sie auch Aufträge übernahm, und den Fotografen Ansel Adams und Berenice Abbott. Model fotografierte in New Yorker Hotels, Bars und Nachtlokalen der Lower East Side und Badende in Coney Island. Außerdem entstanden die formalistischen Arbeiten Schaufenster-Spiegelungen und Laufende Beine.
Um das FBI während der McCarthy-Ära von ihrer Bilderserie in Regards abzulenken, datierte sie ihre Fotoserie über die Promenade des Anglais im Nachhinein auf 1937 um.