Ella Jane Fitzgerald wurde 1917 in Newport News als Tochter von William und Temperance „Tempie“ Fitzgerald geboren. Ihr Vater war Fahrer, er verließ die Familie kurz nach ihrer Geburt und starb ein Jahr später. Tempie heiratete später Joseph „Joe“ da Silva. Aus dieser Ehe stammt die 1923 geborene Halbschwester Frances.[4] Als Ella Fitzgerald zwei Jahre alt war, zog die Familie in ein Einzelzimmer in Yonkers bei New York, später in die Mühlenstadt.[5] Ihre Mutter arbeitete in einer Wäscherei und im Gastronomiebereich, ihr portugiesischer Stiefvater als Grubenbauer und Teilzeitchauffeur.[4]
Fitzgerald wuchs mit der Musik von Bing Crosby und Louis Armstrong auf.[6] Besonders gern mochte sie auch die Boswell Sisters, von denen Connee Boswell eines ihrer großen Vorbilder wurde. Fitzgerald tanzte leidenschaftlich gern. Sie war eine gute Schülerin, hatte in ihrer Nachbarschaft viele Freunde und fuhr manchmal mit Freunden ins Apollo Theater in Harlem.[5] Als Laufmädchen verdiente sie sich nebenbei Geld, indem sie Wetten für Spieler aufgab und ihnen den Gewinn brachte. 1932, nach anderen Angaben 1930,[5] starb ihre Mutter, zu der sie eine enge Bindung hatte, an den Folgen eines Autounfalls,[4] wiederum nach anderen Angaben an einem Herzinfarkt. Sie lebte weiterhin bei ihrem Stiefvater, der sie missbrauchte.[7] Er starb später an einem Herzinfarkt; sie wurde von ihrer Tante Virginia aufgenommen.[4] Fitzgerald vernachlässigte nach dem Tod ihrer Mutter die Schule.[5] Sie entwendete Geld und warnte als Wachposten ein Bordell vor der Polizei. In Harlem wurde sie von der Polizei aufgegriffen und zunächst im Colored Asylum Orphanage in Riverdale untergebracht. Aufgrund des überfüllten Waisenhauses wurde sie im April 1933 mit dem Vermerk „nicht erziehbar“ in die New York State Training School for Girls, eine Erziehungsschule für Mädchen in Hudson, eingewiesen.[5][7][8] Dort wurde Fitzgerald offenbar geschlagen und missbraucht; Fitzgerald sprach später nie über diese Zeit. Die Schule trennte strikt nach weißer und schwarzer Hautfarbe, weshalb Fitzgerald wohl auch nicht mit im Chor sang, obwohl ihr Gesang von manchen Angestellten bemerkt wurde.[7] Ein Jahr später floh sie nach Harlem.[5]
Karriere
Ihr Debüt als Sängerin gab Ella Fitzgerald im Alter von siebzehn Jahren am 21. November 1934 im Apollo Theater in HarlemNew York City; das Apollo Theater veranstaltete regelmäßige Amateurwettbewerbe, von denen sie einen gewann. Ursprünglich wollte sie bei diesem Talentwettbewerb als Tänzerin antreten.[A 2] Als der Moment des Auftritts gekommen war, zitterten ihr jedoch vor Aufregung so die Beine, da vorher bereits die Gruppe Edwards Sisters unter Applaus vorgetanzt hatte. Stattdessen sang sie das Lied Judy, komponiert von Hoagy Carmichael und ein Lieblingslied ihrer Mutter, wie auch The Object of My Affection, das im selben Jahr ein Nummer-eins-Hit der Boswell Sisters war. Ihr Debüt im Apollo als Sängerin brachte ihr gleichzeitig den ersten Platz ein, Fitzgerald trat hiernach in weiteren Konzerthäusern auf, wie zum Beispiel im Harlem Opera House oder im Minton‘s Playhouse, wo sie auch ihren späteren Ehemann, den BassistenRay Brown, kennenlernte.[4][5]
Anfang 1935 traf Fitzgerald erstmals den Bandleader und Schlagzeuger Chick Webb, der gerade auf der Suche nach einer Sängerin war, die neben dem Sänger Charles Linton auftreten sollte. Da Webb hinsichtlich ihres Aussehens und Auftretens skeptisch war, lud er sie ein, erst einmal bei einem Tanzabend an der Yale University zusammen mit seiner Band zu singen. Ihr Auftritt überzeugte sowohl das Publikum als auch die Bandmitglieder.[9]
Fitzgerald wurde daraufhin 1935 von Chick Webb in seine Big Band engagiert. 1936 nahmen sie mit Love and Kisses eine erste Platte auf; 1938 hatten sie einen Nummer-eins-Hit: Das fröhliche A Tisket A Tasket – eigentlich ein Kinderlied – machte sie mit Chick Webb zum Star.[10][11] Ein weiterer Nummer-eins-Hit gelang ihr 1944 mit Into Each Life Some Rain Must Fall. Ihre Songs erreichten Plätze in den Pop-Charts, den R&B-Charts- und den Country-Charts der USA.
Als Chick Webb 1939 starb, übernahm sie zunächst die Band, die nun unter dem Namen Ella Fitzgerald and Her Famous Orchestra auftrat. Da Ella Fitzgerald jedoch keine Noten lesen konnte, war die Rolle als Bandleaderin für sie weniger passend. So begann sie 1941 ihre Solokarriere und entwickelte sich zu einer der größten Jazzsängerinnen. 1946 tourte sie mit Dizzy Gillespie und trat in der Jazz-at-the-Philharmonic-Konzertreihe von Norman Granz auf, der sie auch in dem Musikfilm Improvisation (1950) mitwirken ließ.
Aufgrund der damaligen Rassentrennung wurde Ella, trotz ihrer Erfolge, immer noch bei vielen Auftritten ausgegrenzt. So sorgte Marilyn Monroe, die ein großer Fan von ihr war, mit ihrer Bekanntheit 1954 dafür, dass sie endlich für große Bühnen gebucht wurde, und half dadurch entscheidend zu ihrem endgültigen Durchbruch als Jazz-Star mit. Die beiden Frauen blieben Zeit ihrer Leben miteinander befreundet.[12]
Nach einem Auftritt im Film Pete Kelly’s Blues 1955 ging sie zu Verve Records, wo sie bis 1966 unter Vertrag blieb. Zu Fitzgeralds herausragenden Schallplatteneinspielungen bei Verve zählen ihre Songbooks der wichtigsten amerikanischen Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, denen sie damit Denkmäler setzte und nachfolgenden Sängerinnen Lehrbücher für die Interpretation der jeweiligen Songs gab.
Im Folgenden eine Auflistung ihrer klassischen Songbooks für das Label Verve und die dazugehörigen Arrangeure:
1963 – Ella Fitzgerald Sings the Jerome Kern Songbook (Riddle)
1964 – Ella Fitzgerald Sings the Johnny Mercer Songbook (Riddle)
Für andere Plattenfirmen nahm sie später ebenfalls Songbooks auf, unter anderem erneut mit Liedern der Gebrüder Gershwin sowie Cole Porter und Antônio Carlos Jobim. Kolleginnen wie Sarah Vaughan oder Dinah Washington folgtem ihrem Beispiel und nahmen ebenfalls Songbooks auf. Eine weitere bedeutende Einspielung Fitzgeralds gibt es von Gershwins OperPorgy and Bess, die sie gemeinsam mit Louis Armstrong aufnahm. Im Scatting (genannt auch Scatgesang), beim unsinnge Wörter mit prägnanten Rhythmen gesungen werden, übertraf sie Louis Armstrong und Fats Waller.[13] Darüber hinaus gibt es zahlreiche Live-Einspielungen der Konzerte von Fitzgerald, die zeigen, dass es keinen Unterschied zwischen einem Studio- oder Livegig bei ihr gab. Die einzigen qualitativen Unterschiede bestehen bei der Aufnahmetechnik.
Sie litt lange Jahre an Diabetes, der gegen Ende ihres Lebens zur Erblindung führte. Eine weitere Folge der Krankheit war die Amputation beider Unterschenkel im Jahre 1993. Drei Jahre später verstarb sie als eine der wichtigsten Jazzsängerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie liegt auf dem Inglewood Park Cemetery in Inglewood bei Los Angeles begraben.
2017 eröffnete zu ihrem 100. Geburtstag die Jubiläumsausstellung First Lady of Song: Ella Fitzgerald at 100 im National Museum of American History in Washington.[15] Auch das Grammy Museum widmete der Sängerin eine Ausstellung: Ella At 100: Celebrating the Artistry of Ella Fitzgerald.[16]
Privat
Fitzgerald war mindestens zweimal verheiratet. Ihre erste Ehe schloss sie 1939[17] – andere Quellen sprechen von 1941[18][19] – mit dem Hafenarbeiter Benjamin „Benny“ Kornegay, der ihr und ihrer Band als eine Art männlicher Groupie auf Schritt und Tritt folgte. Als sie nach kurzer Ehe von kriminellen Verwicklungen ihres Mannes erfuhr, ließ sie die Ehe annullieren. Ihr zweiter Ehemann war von 1946 bis 1952 – andere Quellen nennen wiederum abweichende Daten, wie z. B. 1947–1953 oder 10. Dezember 1947–1952 – der Bassist Ray Brown, mit dem sie ein Kind, Ray Brown jr., adoptierte. 1957 kursierten Berichte in der skandinavischen Presse, sie habe den jungen Norweger Thor Einar Larsen heimlich geheiratet.[20]
Diskografie (Auswahl)
Alben
1938: A-Tisket, A-Tasket (erster Single-Hiterfolg mit Chick Webb)
Folgende Lieder erschienen nicht als Single, wurden aber durch das Album zu Download und Streaming bereitgestellt und konnten somit eine Platzierung erlangen:
grau schraffiert: keine Chartdaten aus diesem Jahr verfügbar
a
Rudolph, the Red-Nosed Reindeer konnte sich nicht in den offiziellen deutschen Singlecharts platzieren, erreichte jedoch Rang 15 der Single-Trend-Charts (29. Dezember 2023).[23]
Ihren wohl größten Filmauftritt hatte Fitzgerald 1955 in Jack Webbs Jazz-Film Pete Kelly’s Blues. Die Nebenrollen des Films waren mit Janet Leigh und der Sängerin Peggy Lee besetzt.
Obwohl sie bereits zuvor eine kleine Rolle in einem Film hatte (Helden im Sattel, 1942), war sie darüber begeistert, dass Norman Granz ihr die Rolle anbot.
Nach Pete Kelly’s Blues war sie nur noch in Cameo-Auftritten zu sehen. So zum Beispiel in St. Louis Blues (1958) mit Nat King Cole oder Let No Man Write My Epitaph (1960).
Um einiges später, in den 1980er Jahren, spielte sie in dem Fernsehdrama The White Shadow.
1952: All Star Summer Revue (Fernsehserie, Folge 1.8)
1955: Es geschah in einer Nacht (Pete Kelly’s Blues)
1958: St. Louis Blues
1960: Die Saat bricht auf (Let No Man Write My Epitaph)
1966: All My Life (Kurzfilm)
1980: The White Shadow (Fernsehserie, Folge A Day in the Life)
Rezeption
Die Version 2.1 „Ella“ der beliebten Blogsoftware Wordpress ist Ella Fitzgerald gewidmet.
Das Lied Ella, elle l’a von France Gall (im Jahre 1988 auf Platz 1 der deutschen Hitparade) ist eine Hommage an Ella Fitzgerald.
Ella Fitzgerald und andere berühmte Musiker wurden in dem Song Back in the Day von Christina Aguilera verewigt.
Into Each Life Some Rain Must Fall, das Ella Fitzgerald mit den Ink Spots aufnahm, wird im Videospiel Fallout 3 von der fiktiven Radiostation ‚Galaxy News Radio‘ gespielt.
Stone Cold Dead in the Market, das Ella Fitzgerald mit Louis Jordan aufnahm, wird im Videospiel L.A. Noire von der fiktiven Radiostation ‚KTI Radio‘ gespielt.
↑In älteren Enzyklopädien wird 1918 angegeben. Das Geburtsjahr 1917 wird hier nach den Forschungen von Stuart Nicholson zu seiner Biografie Ella Fitzgerald – The First Lady of Jazz, Scribners 1993 verwendet.
↑Auch Sängerinnen wie Sarah Vaughan debütierten bei solchen Wettbewerben.
Einzelnachweise
↑Stuart Nicholson: Ella Fitzgerald: A Biography of the First Lady of Jazz. Routledge, New York and London 2004, ISBN 978-0-415-97119-5, S.3 (englisch).
↑100 Jahre Ella Fitzgerald: Zum Tanzen zu schüchtern, zum Singen geboren. In: FAZ.NET. ISSN0174-4909 (faz.net [abgerufen am 2. April 2022]).
↑ abcdeBiography. 11. März 2015, abgerufen am 16. Juli 2020 (englisch).
↑ abcdefgReggie Nadelson: The Theater Where Ella Fitzgerald Got Her Start. In: The New York Times. 25. Juni 2020, ISSN0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 16. Juli 2020]).
↑ abcNina Bernstein: Ward of the State;The Gap in Ella Fitzgerald's Life. In: The New York Times. 23. Juni 1996, ISSN0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 16. Juli 2020]).
↑Paul McCartney: The Lyrics: 1956 to Present. W. W. Norton & Company, New York 2021; deutsch: Lyrics. 1956 bis heute. Hrsg. mit einer Einleitung von Paul Muldoon. Aus dem Englischen übersetzt von Conny Lösche. C. H. Beck, München 2021, ISBN 978-3-406-77650-2, S. 75 (zu Check My Machine von Paul McCartney).
↑Paul McCartney: The Lyrics: 1956 to Present. W. W. Norton & Company, New York 2021; deutsch: Lyrics. 1956 bis heute. Hrsg. mit einer Einleitung von Paul Muldoon. Aus dem Englischen übersetzt von Conny Lösche. C. H. Beck, München 2021, ISBN 978-3-406-77650-2, S. 64.
↑Single Trending Charts. In: mtv.de. GfK Entertainment, 29. Dezember 2023, abgerufen am 30. Dezember 2023.