Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Lesen (Begriffsklärung) aufgeführt.
Lesen im engeren Sinn bedeutet, schriftlich niedergelegte, sprachlich formulierte Gedanken aufzunehmen. Das Lesen eines Textes ist ein durch Übung und Kenntnisse des Lesers bestimmter heuristischer, kognitiver Vorgang, der zuvor erlernt oder vermittelt werden muss.
Lesen im übertragenen Sinne der menschlichen Wahrnehmung bedeutet, die richtige Auslese zu treffen: die richtigen Teile des Gesichtsfeldes beachten, um das Ganze möglichst effizient zu erkennen (Prinzip pars pro toto). Jemand, der lesen kann, wird als Alphabet[1] bezeichnet, das Gegenteil ist der Analphabet. Das Fehlen einer in einer Kultur verankerten Lese- bzw. Schreibfähigkeit[2] wird als Illiteralität bezeichnet.
Lesen kann als verkürzte Form für Vorlesen stehen. Ein Professor liest „über“ ein Thema, wenn er eine Vorlesung hält.
Im übertragenen Sinne wird die Deutung von Spuren aller Art „Lesen“ genannt, z. B. beim „Fährtenlesen“, wenn man „in einem Gesicht liest“, um aus der Mimik auf die Stimmung einer Person zu schließen, oder wenn Golfer oder Pétanque-Spieler „das Grün“ oder „den Boden lesen“, also Unebenheiten in der Rasenfläche suchen.[3]
Gleichgültig, ob nun jemand einzelne Buchstaben, Texte, Karten, technische Zeichnungen, Fährten oder Gesichtsausdrücke liest, Lesen bedeutet immer „eine Auslese der zu beachtenden Einzelheiten“. Es kommt also darauf an, dass man beim Lesen auf die Stellen schaut, wo die „im Augenblick gesuchte Information“ zu finden ist.
In der Informatik bezeichnet man die Datenwiedergabe von einem Datenträger als (Aus-)Lesen, (von einem Eingabegerät) auch als Einlesen. Im Gegensatz zum menschlichen Lesen werden Daten jedoch immer gleichartig behandelt – unabhängig von ihrem Inhalt. Sie werden nur kopiert, nicht beim „Lesen“ ausgewertet.
Wortherkunft
Lesen gilt heute als Lehnbedeutung aus der lateinischen Sprache (so lateinischlegere‚sammeln‘ ‚auswählen‘ ‚lesen‘) und findet sich in den deutschen Fremd- und Lehnwörtern Lektüre, Lektor und Legende. (vergleiche englischto read‚raten‘ ‚erraten‘.)[4]
Die Grundbedeutung findet sich in zahlreichen zusammengesetzten Wörtern wie auflesen (vom Boden aufsammeln), auslesen (nach Qualitätsmerkmalen aussuchen [s. aber auch o.]), handverlesen (nach Einzelbetrachtung ausgesucht) und erlesen (qualitativ hochwertig). Auch die Weinlese als sorgsame Ernte von Weintrauben geht darauf zurück – allgemein die Lese, d. h. Ernte von (geeigneten) Früchten. Ebenso bezeichnet ein belesener Mensch einen in der Literatur versierten bzw. einen gebildeten Menschen.
Die Auffassung, es handle sich ursprünglich um das Auflesen von Wahrsagestäbchen (vgl. Buchstabe, Runen), ist wissenschaftlich umstritten.
Kulturelle Bedeutung
Lesen gilt (neben Schreiben und Rechnen) als die wichtigste Kulturfertigkeit (Kulturtechnik); sie ist ein Teil der Kommunikation. Um sich zu orientieren, muss man Ortstafeln und Wegweiser, Warnungstafeln und Beschriftungen von Verkehrsschildern lesen und verstehen können. Höhere Ansprüche stellen bereits Beipackzettel von Medikamenten oder Bedienungsanleitungen von Geräten. Informationen – wie man sie in Büchern oder im Internet findet – setzen eine gute Lesefertigkeit voraus.
Das Lesen wurde, vor allem in der Antike und im Mittelalter, wo allerdings in der Regel laut gelesen wurde, auch als Therapieform vor allem in der Rekonvaleszenz angesehen.[6]
Ein wichtiger Teilaspekt des Lesens ist die Reflexion, also das Überdenken des Gelesenen. In Philosophie und Religion beispielsweise ist nicht nur das direkt vermittelte Wissen bedeutsam, sondern vor allem die Erkenntnisse, die der Leser durch das Nachdenken über das Gelesene gewinnt. Die erzählende Literatur (Unterhaltungsliteratur, Belletristik) erlaubt dem Leser, sich in andere Zeiten und Personen zu versetzen und so Erfahrungen aus zweiter Hand zu sammeln.
Das nebenstehende Diagramm zeigt die Bedeutung der verschiedenen Textmedien nach Alter und Geschlecht der Leser.
Geschichte
Die Entwicklungsgeschichte des Lesens ist untrennbar mit der Geschichte der Entwicklung der Schrift verknüpft. Nach Todd sind Schrift und Lesen eng mit der Primogenitur verbunden: Beides sind Techniken der Weitergabe von Werten. Das Lesen wurde jedoch durch die Alphabetschriften wesentlich erleichtert.[7] Nach David Riesman trägt das Lesen dazu bei, dass der von den Zwängen der Tradition geprägte Mensch stärker durch Vernunft und innere Reflexion geleitet wird (inner-direction). Er arbeitet auch länger, ausdauernder und konzentrierter als zuvor. Allerdings sei seit dem Zweiten Weltkrieg in den USA der Druck in Richtung der other-directedness wieder gewachsen.[8]
Die Simulation zeigt ungefähr, wie und wie schnell die einzelnen Augenfixationen aufeinander folgen, wenn keine Rücksprünge für das Textverständnis nötig sind, um eventuell vorkommende Lesefehler zu korrigieren. Der unscharfe Text entspricht der peripheren Wahrnehmung.
Gute Leser können mit einer einzigen Fixation etwa fünf bis sechs Wörter gleichzeitig erfassen. Fortgeschrittene Leser erfassen Wortbündel, bei denen – ähnlich dem Lesen von Notenblättern – auch Wörter aus den darüber- und darunterliegenden Zeilen erfasst werden. Geübte Schnellleser können durch Einbeziehung des peripheren Sichtfeldes einen kompletten Absatz mit einer einzigen Fixation lesen.
Visuelle Worterkennung
Die visuelle Wahrnehmung erfolgt durch Fixationen. Während einer Fixation wird der Blick etwa 0,3 Sekunden auf einen Fixationspunkt gerichtet. Dann springt er in einer schnellen, ruckhaften Bewegung (Lesesakkaden[9]) zu einem anderen Fixationspunkt. In den Fixationsphasen werden hochauflösende visuelle Detailbilder über die Sehgrube des Auges (Fovea) aufgenommen, während der Sakkaden ist keine Wahrnehmung möglich. Der Eindruck des Sehens wird durch das periphere Gesichtsfeld sowie die bereits gespeicherten Seheindrücke aufrechterhalten.
Die Fixationen dienen dazu, innere Vorstellungsbilder mit der Realität abzugleichen. Insofern unterscheidet sich die Wahrnehmung von einem Computer-Input. Ein erfahrener Mensch benötigt weniger Fixationen, um etwas zu erkennen, als ein unerfahrener. Die Zahl der Fixationen pro Sekunde schwankt nur geringfügig und lässt sich willentlich nicht wesentlich beeinflussen.
Man unterscheidet im Gesichtsfeld die Bereiche foveal (bis 2 Grad Sehwinkel), und peripher (ca. 2 Grad bis über 90 Grad), nach ihrem Abstand von der Fovea, dem Zentrum des schärfsten Sehens auf der Netzhaut. Es handelt sich dabei um zwei ineinander übergreifende, in ihrer Funktion unterschiedliche Systeme:
Das foveale System liefert drei bis vier hochauflösende Teilbilder pro Sekunde.
Das periphere System liefert bis zu 90 komprimierte Gesamtbilder pro Sekunde.[5]
Das Zentrum des schärfsten Sehens auf der Netzhaut zeigt bei einem durchschnittlichen Leser, je nach Schriftgröße, vom Fixationspunkt aus ca. ein bis drei Buchstaben gegen und ein bis drei Buchstaben in Leserichtung. Das Erkennen von Wörtern hängt von deren Bekanntheitsgrad (visueller Wortschatz) ab. Je weniger Fixationen pro Wort zur Worterkennung nötig sind, desto schneller kann man einen Text (stumm) lesen.
Die Zahl der möglichen Augenfixationen kann nur geringfügig zwischen drei und vier pro Sekunde variieren. Bei einer Fixation pro Wort liegt die Lesegeschwindigkeit also bei 180 bis 240 Wörtern pro Minute.
Ein durchschnittlicher Drittklässler liest etwa 100 Wörter pro Minute. Erwachsene, die nicht geübte Leser sind und das Lesen nicht beruflich brauchen, kommen auch nicht über diese Geschwindigkeit hinaus. Die durchschnittliche Vorlesegeschwindigkeit liegt dagegen bei etwa 150 Wörtern pro Minute. Stilles Lesen wird daher erst spannend, wenn die Vorlesegeschwindigkeit zumindest erreicht oder noch überboten wird. Nur etwa 50 Prozent der Schüler des sechsten Schuljahres nehmen diese wichtige Hürde.
Die Augenbewegungen beim Lesen unterscheiden sich deutlich von Augenbewegungen, welche nicht dem Erfassen von Text dienen.[10]
Blickbewegungen und Lesegeschwindigkeit
Menschen lesen einen Text, indem ihr Blick entlang der Leserichtung über die Schrift auf einzelne Wortteile oder Wörter springt. Während einer Fixation von durchschnittlich 250 bis 350 ms Dauer werden Teilwahrnehmungen mit gespeicherten Daten abgeglichen (visuelle Worterkennung).
Ist ein Wort unverständlich oder unbekannt, wird häufig auf die Buchstabiermethode oder das Lautieren zurückgegriffen, was den Leseprozess verlangsamt. Findet man im bisher Gelesenen keinen Sinn, kommt es oft zu Regressionen (Rücksprüngen zu bereits gelesenen Textteilen).
Die Anzahl und Art der Augenbewegungen sind u. a. abhängig von:
Lesekompetenz, Schwierigkeit des Textes, inhaltlichem Interesse.
Müdigkeit oder Ablenkung durch äußere Einflüsse.
Emotionale Rührung durch den Leseinhalt kann ein vorübergehendes Anhalten der Augenbewegungen bewirken.
Augenbewegungen variieren etwa in der folgenden Weise:
Je schwieriger ein Text und bzw. oder je kleiner der visuelle Wortschatz des Lesers, desto kürzer die Blicksprünge (Lesesakkaden).
Auch die Fixationsphasen verlängern sich etwas – allerdings nur innerhalb der Spanne von etwa 250 bis 450 ms.
Regressionen werden häufiger. Regressionen zeigen an, dass der Text für den betreffenden Leser zu schwierig oder zu umständlich geschrieben ist.
Geübte Leser sind in der Lage, über 250 Wörter pro Minute zu lesen. Schnellleser schaffen über 1000 Wörter pro Minute.
Beim Lesen wird also nicht jedes einzelne Wort fixiert. Dagegen benötigen lange und seltene Wörter je nach vorhandenem visuellen Wortschatz mehrere Fixationen für eine korrekte Worterkennung. In welchen Fällen die Vorhersagbarkeit der nächsten Worte aus der grammatischen Struktur oder dem Bedeutungskontext des bisher Gelesenen eine Rolle spielt, ist von der Leseerfahrung und vom Text abhängig. Jedenfalls sind sprachliche Erfahrung, Wortschatz und Leseerfahrung von großer Bedeutung, weil häufige Wörter mit zunehmender Übung auch aus der Unschärfe der peripheren Wahrnehmung erkannt werden können.
Arten des Textlesens
Für das Lesen eines Textes in einer gesprochenen Sprache ist eine hörsprachliche Kompetenz Voraussetzung. Diese umfasst ein Allgemeinwissen und einen Wortschatz. Beides muss dem zu lesenden Text entsprechen.
Die nachfolgend beschriebenen Arten des Textlesens sind für einen guten Leser Voraussetzung und ergänzen sich gegenseitig.
Buchstabieren
Beim Buchstabieren alphabetischer Schriften müssen die Buchstaben einzeln erkannt und ihr Lautwert zugeordnet werden (Lautieren).
Der Abfolge dieser Buchstaben wird ein hörsprachlich bekanntes Wort zugeordnet und ausgesprochen.
Buchstabieren ist typisch für Leseanfänger, die bereits die Buchstaben kennen und unterscheiden können.
Besondere Schwierigkeiten beim Buchstabieren entstehen dort, wo die Lautwerte der Buchstaben nicht mit der Aussprache des ganzen Wortes übereinstimmen – z. B. bei Zwielauten oder Umlauten.
Auch geübte Leser buchstabieren, wenn ein unbekanntes fremdsprachliches Wort im Text vorkommt. Buchstabieren ist also ein Teil der Lesefertigkeit.
Bei nicht geläufigen Schriftarten oder alten Handschriften muss ebenfalls auf das Buchstabieren zurückgegriffen werden. Beim Lesen von Kurrentschrift kann Nicht-Buchstabieren sogar zu Irrtümern führen.
Buchstabieren ist ein sehr langsamer Vorgang: Um ein Wort von sieben bis acht Buchstaben zu buchstabieren, benötigt man rund zwei Sekunden. Die Buchstabiergeschwindigkeit beträgt daher maximal 30 Wörter pro Minute. „Buchstabieren ist mindestens fünfmal langsamer als fließendes Vorlesen.“
Wörter erkennen
Mit zunehmender Übung können Wörter richtig zugeordnet werden, auch wenn nur ein Teil der Buchstaben fixiert wird.
Mit der Zeit werden sehr häufige kurze Wörter – wie ist, oder, und – nicht mehr direkt angeschaut.
Von den etwas längeren und häufigen Wörtern werden nur noch Anfang und Ende kontrolliert.
Auf diese Weise erreicht der Leser eine Lesegeschwindigkeit von 120 bis 150 Wörtern pro Minute. Das Erkennen von Wörtern allein und auch das Vorlesen eines Textes gewährleistet nicht das Textverständnis.
Lesemodelle
Über die Zeit haben sich zwei Positionen entwickelt, die unterschiedliche Ansätze betrachten, wie einzelne Wörter erkannt und zusammengesetzt werden. Das „Dual-Route-Cascaded“-Modell vertritt die Position, die Wortidentifikation finde unter dem Zusammenspiel von linguistischen „Regeln“ statt, nach welchen die Aussprache und Bedeutung von der Orthographie abgeleitet wird.
Die andere Position des „Triangel“-Modells geht davon aus, dass unterschiedliche Arten von lexikalischer Information leichte Einschränkungen während der Wortidentifikation generieren, wodurch die Aussprache und damit die Bedeutung eines Wortes beeinflusst wird.[13]
Dual-Route-Cascaded-Modell
Das Dual-Route-Cascaded-Modell (DRC) verfolgt zwei Ansätze zur Wortidentifikation: Zum einen werden über die Graphem-Phonem-Korrespondenz-Regeln (GPK) die individuellen Grapheme eines Wortes zunächst in deren zugehörige phonologische Repräsentation übertragen (Phoneme) und durch das direkte Mapping der Schreibweise des Gesamtwortes wird im nächsten Schritt auf die Aussprache des Wortes geschlossen. Wie der Name bereits verrät, handelt es sich bei dem DRC um ein Modell, bei dem zwei Wege zur erfolgreichen Prozessierung genutzt werden können. Eine Möglichkeit ist die Anwendung spezifischer linguistischer Regeln, um die Aussprache zu generieren. Diese Regeln spezifizieren, wie die individuellen Grapheme ausgesprochen werden müssen und ergeben so die gesamte Aussprache eines Wortes. Oder das gesamte Wort wird direkt aus dem Lexikon abgerufen.
Dieser zweite Weg setzt dabei voraus, dass die orthografische Form und die phonologische Form eines Wortes holistisch in zwei Lexika repräsentiert werden. Bekannte Wörter werden dadurch identifiziert, dass Grapheme so auf die orthografische Einheit übertragen werden (mapping), dass die beste Übereinstimmung gefunden wird, wodurch die zugehörigen phonologischen Einheiten aktiviert werden, die mit der Aussprache der Grapheme übereinstimmen.
Im Kontrast zu anderen Modellen arbeiten die zusammenstellende (assembled) und direkte Route im DRC parallel, wodurch die Aussprache des Wortes durch die Ergebnisse beider Prozesse beeinflusst wird und Wörter mit einer regulären Aussprache schneller und genauer ausgesprochen werden, als Wörter mit irregulärer Aussprache.
Ist die zusammengesetzte (assembled) Route im DRC beeinträchtigt, können die Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln nicht mehr korrekt angewendet werden, wodurch das Lesen und die Aussprache von Nicht-Wörtern oder neuen Wörtern, die noch nicht ganzheitlich im Lexikon gespeichert sind, beeinträchtigt werden. Eine solche Störung lässt sich zum Beispiel bei der phonologischen Legasthenie beobachten.
Im Vergleich dazu hat eine Beeinträchtigung in der direkten Route zur Folge, dass Wörter nur über die GPK-Regeln gelesen werden können, wodurch das Lesen von irregulären Wörtern schwerfällt, da diese nicht nach den GPK-Regeln zusammengesetzt werden. Diese Störung findet sich zum Beispiel bei der Oberflächenlegasthenie.[14]
Triangel-Modell
Im Vergleich zu dem DRC-Modell wird die Aussprache beim Triangel-Modell durch fortschreitende Aktivierung von Verarbeitungseinheiten des orthografischen Inputs über Verbindungen zu Einheiten der phonologischen Ausgabe generiert.
Das Wissen, welches dem Leser erlaubt, geschriebene Wörter zu identifizieren, ist hierbei in einem einzelnen Set an Input-Output-Verbindungen enthalten, wodurch die Summe allen Wissens die Aussprache jedes generierten Wortes beeinflusst.
Es wird im Triangel-Modell daher nicht angenommen, dass die lexikalische Information durch diskrete Verarbeitungseinheiten im Lexikon repräsentiert wird, sondern dass die Information in den Verbindungen enthalten ist, die zwischen orthografischem Input und phonologischem Output vermitteln. Frequentere Wörter werden schneller und genauer artikuliert, weil die Verbindungen, die phonologische Information vermitteln, für reguläre Wörter einheitlicher genutzt werden, als für infrequente.[15]
Sinn erfassen auf Satzebene
Um den Sinn eines einzelnen Satzes zu erfassen, darf die Dauer des Erfassens nicht über der rund zwei Sekunden dauernden Speicherkapazität des Kurzzeitgedächtnisses liegen. Dies bedeutet, dass die Schwierigkeit des Sinnerfassens von der Lesegeschwindigkeit und der Satzlänge abhängt – immer vorausgesetzt, dass die meisten der verwendeten Wörter dem Leser bekannt sind.
Um Textabschnitte mit Sätzen von durchschnittlich acht Wörtern Länge lesen und verstehen zu können, muss also die Lesegeschwindigkeit vier Wörter pro Sekunde betragen; dies entspricht 240 Wörtern pro Minute.
Liegt die Lesegeschwindigkeit bei unter 240 Wörtern pro Minute, ist der Anfang des Satzes schon vergessen. Der Satz muss dann teilweise neu gelesen werden, wobei sich die Lesegeschwindigkeit stark verringert.
Sinn erfassen auf thematischer Ebene
Durch das Erfassen des Zusammenhangs von Satzteilen und Bemerkungen in Klammern (dem Verständnis, wovon „die Rede“ ist), lernt man Wortbedeutungen und komplizierte Sätze aus dem Kontext zu verstehen.
Die Lesegeschwindigkeit lässt sich so weiter steigern, weil der Inhalt dadurch komprimiert wird.
Handelt es sich um einen Text, dessen Inhalt bereits bekannt ist, kann die Lesegeschwindigkeit noch weiter gesteigert werden.
Querlesen (Diagonal) oder kursorisches Lesen wird angewendet, wenn man einen Teil des Textes überspringen möchte, ohne den Zusammenhang zu verlieren.
Lesefunktionen: Informationssuche, Unterhaltung und Weiterbildung
Lesen dient auch der Informationssuche in Form des Nachschlagens in Informationssammlungen, wie Fahrplänen, Lexika oder Tabellen. Hier geht es darum, eine bestimmte Angabe möglichst rasch zu finden. Je nach Art des Textes kommen dabei unterschiedliche Suchstrategien zur Anwendung.
Lesen insbesondere von fiktionalen Texten dient, indem es die Fantasie anregt, der Unterhaltung.
Lesemotivation
Unter der Motivation zu lesen wird das Ausmaß des Wunsches zu lesen verstanden.[16] Unterschieden wird zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation.[17][18] Theoretische Konzepte zur Lesemotivation untersuchen die Gründe, warum eine Person liest.[19] Lesemotivation gilt als notwendige Bedingung für den Aufbau von Lesekompetenz.[20]
Unter Dyslexie (schlechte/falsche Wiedergabe/Redeweise) versteht man Probleme mit dem Lesen und Verstehen von Wörtern oder Texten bei normalem Seh- und Hörvermögen der betroffenen Person.
Lesbarkeit – ist neben der Leserlichkeit, der inhaltlichen Struktur und dem Aufbau von Texten eines von mehreren Kriterien für die Textverständlichkeit.
Leseförderung – Maßnahmen, die darauf abzielen, einer Zielgruppe, vor allem Kindern und Jugendlichen, Lesefähigkeit, Interesse und Freude am Lesen zu vermitteln (siehe hier auch: Alphabetisierung).
Lesegesellschaft – waren außerhalb von Staat, Kirche und ständischer Gesellschaftsordnung die verbreitetste Organisationsform im aufgeklärten 18. und frühen 19. Jahrhundert.
Lesezirkel – eine Form des Abonnements, bei dem eine Auswahl von Zeitschriften nicht gekauft, sondern für einen bestimmten Zeitraum ausgeliehen oder gemietet wird.
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Stanislas Dehaene: Lesen – Die größte Erfindung der Menschheit und was dabei in unseren Köpfen passiert. Übers. von Helmut Reuter, A. Knaus, München 2010, ISBN 978-3-8135-0383-8.
Hans-Werner Hunziker: Im Auge des Lesers, foveale und periphere Wahrnehmung – vom Buchstabieren zur Lesefreude. Transmedia, Zürich 2006, ISBN 3-7266-0068-X.
Christian Klicpera, Barbara Gasteiger-Klicpera: Psychologie der Lese- und Schreibschwierigkeiten. Entwicklung, Ursachen, Förderung. Psychologie-Verlag-Union, Beltz 1995, ISBN 3-621-27271-2.
Norbert Kühne: Sprach- und Leseförderung. In: Katrin Zimmermann-Kogel: Praxisbuch Sozialpädagogik. Band 2, Troisdorf 2006, ISBN 3-427-75410-3, S. 68–93.
Christian Peirick: Rationelle Lesetechniken – Schneller lesen – Mehr behalten. 4. Auflage. K. H. Bock Verlag, Honnef 2013, ISBN 978-3-86796-086-1.
Karin Richter, Monika Plath: Lesemotivation in der Grundschule. Empirische Befunde und Modelle für den Unterricht. Juventa, Weinheim 2005, ISBN 3-7799-1356-9.
Timo Rouget: Filmische Leseszenen. Ausdruck und Wahrnehmung ästhetischer Erfahrung. Berlin: de Gruyter 2021, ISBN 978-3-11-072863-7
Maryanne Wolf: Das lesende Gehirn – Wie der Mensch zum Lesen kam – und was es in unseren Köpfen bewirkt. Spektrum, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-8274-2122-7.
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Ursula Rautenberg, Ute Schneider (Hrsg.): Lesen: Ein interdisziplinäres Handbuch (De Gruyter Reference), Berlin und Boston 2018, 931 S.
Gerhard Lauer: Lesen im digitalen Zeitalter. Darmstadt: wbg Academic 2020. (Geisteswissenschaften im digitalen Zeitalter 1). ISBN 978-3-534-26854-2.
Matthias Bickenbach: Bildschirm und Buch : Versuch über die Zukunft des Lesens. Kulturverlag Kadmos 2023. ISBN 978-3-86599-539-1.
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Geschichte des Lesens
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↑Dr. med. Heike Schuhmacher Fehler muss man sehen!
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