Der Leithakalk ist eine Gruppenbezeichnung verschiedener heller Kalksteine, der nach dem Leithagebirge in Ostösterreich benannt ist.[1] Sie findet sowohl in den Geowissenschaften als auch im Wirtschaftssektor der Gesteinsgewinnung als Fachbegriff Verwendung. Es handelt sich um Gesteinsvorkommen, die an mehreren Orten intensiv genutzt wurden und vor allem für die Architektur in Wien von großer kulturhistorischer Bedeutung im Verlaufe der Renaissance- und Barockzeit bis in den Historismus waren.
Die Leithakalke sind tertiäremarine Sedimente des Paratethys-Meeres im östlichen und südöstlichen Alpenvorland, die aus der Zeit des Badenium (der lokalen Zeitstufe, die dem Langhium des Miozän entspricht) stammen, und um die 16 bis 13 Millionen Jahre alt sind.[2] In dieser Zeit zog sich die Paratethys nach einer zwischenzeitlichen Transgression (Höchststand) nördlich der Alpen wieder zurück; am Ende des Badeniums wandelte sie sich in einen Brackwassersee um.
Damit sind die Leithakalke weitaus jünger als die typischen triassischen (um die 250–200 Mio. Jahre alten) Alpenkalke, die sich lange vor der Auffaltung der Alpen im Tethys (Ozean) abgelagert haben. Sie entstammen dem Ende der Hauptphase der alpidischen Orogenese, als die jungen Alpen und Dinariden die westliche Thetys schon in Mittelmeer und Paratethys geteilt hatten.
Teilweise werden auch die Kalke der Transgressionsphase, dem Eggenburgium, Ottnangium und Karpatium (entspricht dem Burdigalium), die bis zu 20 Millionen Jahre alt sind, zu den Leithakalken gezählt, andere Autoren lehnen das ab.[3]
Gesteinsbeschreibung
Der Begriff wird vergleichsweise unspezifisch in Bezug auf die zeitliche und räumliche Bildungsphase verwendet und umfasst sowohl Riffkalke,[2]Algenkalke als auch Kalksandsteine.[3]
Leithakalk, der zum größten Teil aus Skelettfragmenten von kalkabscheidenden Rotalgen besteht,[4] ist ein heller, fester, zelliger Kalkstein.[5]Pelitische (feinstkörnig-schluffige) Lagen können zwischengeschaltet sein.[3] Der Leithakalk aus St. Margarethen ist gelblich bis beigefarben, ein Kalksandstein und stark porös. Der helle ockerfarbene Loretto-Lorettokalk kann an den punktförmigen dunklen Einsprenglingen unterschieden werden. Die Retzneier Riffkalkbank ist reich an größeren Fossilien.[2]
Vorkommen und Steinbrüche
Leithakalk kommt an den Rändern des Wiener und Grazer Beckens vor.[1] Das Leithagebirge selbst besteht in seiner Grundgebirgsstruktur aus Gneis und Glimmerschiefer, mit dem vorrangig an seinen Flanken auflagernden Leithakalk.
Der Leithakalk ist ein leicht zu bearbeitender Naturstein, er lässt sich unschwer profilieren und wird wegen seiner guten, teilweise Marmor-haften Formbarkeit von Steinmetzen und Steinbildhauern häufig verwendet.
Der Eggenburger Stein wurde nachweislich bereits in der Bronzezeit als Werkstein abgebaut. Der Kalk des Leithagebirges war bereits zur Römerzeit ein begehrter Baustein. Ein Beispiel der Verwendung ist die Römische Villa von Königshof-Ödes Kloster.
In der Renaissance und im Barock wurde dieser Stein im Kayserlichen Steinbruch am Leythaberg von italienisch-schweizerischen Meistern kunstreich bearbeitet.[9] Daraus entstand eine Konkurrenz zum österreichischen Steinmetz und Steinbildhauer, kein italienischer Steinmetz durfte daher am gotischen Stephansdom tärtig werden.
Am 14. August 1868 übergab Steinmetzmeister Josef Sederl der k.k. geologischen Reichsanstalt (GRA) 14 Muster von den in Wien am meisten verwendeten Bausteinen mit Fischabdrücken, aus den Steinbrüchen von Margarethen drei Muster, von Loretto ebenfalls drei Muster, von Breitenbrunn und Mannersdorf je zwei Muster, von Kaisersteinbruch, von Wöllersdorf, von Lindabrunn und von Hundsheim je ein Muster. Jedes der Musterstücke ist auf einer Fläche geschliffen und poliert und auf vier Flächen glatt.
↑Julius Georg Friebe: Lithostratigraphische Neugliederung und Sedimentologie der Ablagerungen des Badenium (Miozän) um die Mittelsteirische Schwelle (Steirisches Becken, Österreich). In: Jahrbuch der geologischen Bundesanstalt Band 133/Heft 2, 1990, Kap. 6.3. Die Leithakalkvorkommen der mittelsteirischen Schwelle, S. 236 ff (ganzer Artikel S. 223–255, pdf, geologie.ac.at; dort S. 14 ff).
↑Alois Kieslinger: Die Steine von St. Stephan. Verlag Herold, Wien 1949. Andreas Rohatsch: Die Gesteine in der Bausubstanz des Riesentores von St. Stephan, gesteinskundliche Charakterisierung und technische Eigenschaften. In: Friedrich Dahm (Hrsg.): Der Wiener Stephansdom, Forschungen und Materialien. Das Riesentor.Österreichische Akademie der Wissenschaften, Bundesdenkmalamt. Wien 2008, S. 77–89.
↑Alois Kieslinger: Die Steine der Wiener Ringstrasse. Wiesbaden 1972.