Lamia war die Tochter eines nicht näher bekannten Atheners namens Kleanor.[2] Sie war Aulosspielerin und erlangte durch ihre Begabung große Berühmtheit.[3] Aulosspielerinnen waren im Allgemeinen auch als Hetären – beispielsweise auf Symposien – aktiv.
Lamia soll bei ihrer Gefangennahme älter als Demetrios gewesen sein, was verschiedene antike Autoren wiederholt erwähnen und auch die moderneForschung beschäftigt hat.[5] Trotzdem konnte sie die Liebe des Diadochen erringen und mehrere Jahre behaupten.[6] Einige überlieferte witzige Aussprüche zeigen ihre geistvolle Persönlichkeit.[7]
Sie begleitete Demetrius zurück nach Athen und wurde von den Einwohnern der Stadt aufgrund ihrer Machtstellung, die sie ihrem großen Einfluss auf den Herrscher verdankte, wie eine Fürstin behandelt.[8] Diese Würdigung ging so weit, dass die Athener ihr einen eigenen Tempel errichteten, in dem sie als Göttin Aphrodite verehrt wurde, und später ahmten die Thebaner dieses Beispiel nach. Wo diese Tempel standen, ist heute nicht mehr rekonstruierbar.[9]
Demetrios soll die aufwendige Prunksucht seiner Geliebten einmal mit 200 Talenten finanziert haben, die er von den Athenern oder den Thessalern eingehoben hatte.[10] Sie veranstaltete auch luxuriöse Bankette, die bald allgemein bekannt waren.[11] Auch nach Sikyon begleitete sie den Demetrios, als er 303 v. Chr. die Stadt auf eine Anhöhe verlegte und in Demetrias umbenannte. Mit einem Teil der ihr von Demetrios geschenkten Reichtümer finanzierte Lamia die Errichtung einer prächtigen Stoa Poikile (Säulenhalle) zur Verschönerung der neuangelegten Siedlung.[12]
Ãœber ihren weiteren Verbleib nach 303 v. Chr. und auch ihren Tod ist nichts bekannt.
Phila, eine gemeinsame Tochter der Lamia und des Demetrios Poliorketes,[13] dürfte mit jener Phila identisch sein, der ein Anhänger des Demetrios namens Adeimantos angeblich in Lampsakos einen Tempel erbaute, in dem sie als Aphrodite göttliche Ehren erhielt.[14]Plutarch, der die übrigen Nachkommen des Demetrios auflistet, erwähnt sie allerdings nicht.[15]
Quellen
Die wichtigste Quelle zu Lamias Leben ist Plutarchs Biographie des Demetrios.[16] In diesem Werk steht Demetrios dem römischen Feldherrn und TriumvirenMarcus Antonius gegenüber. Lamia ist daher als Gegenbild zu dessen Geliebter Kleopatra VII. Philopator zu sehen. Auch diese wird bei Plutarch als prunk- und herrschsüchtige Frau dargestellt, die ihren Partner nach Belieben dominierte.[17]
Verschiedene Anekdoten überliefert außerdem Athenaios in seinen Gastmahl der Gelehrten (Δειπνοσοφισταί).[18] Beide sind Autoren der römischen Kaiserzeit und lebten somit Jahrhunderte nach den von ihnen beschriebenen Ereignissen. Dies gilt auch für den im 2. Jahrhundert n. Chr. lebenden Sophisten Alkiphron, welcher einen Brief überliefert, der angeblich von Lamia stammt. Sie soll an Demetrios geschrieben haben.[19] Er ist höchstwahrscheinlich eine Fälschung, aber doch von Personen verfasst worden, die das damalige Geschehen in Athen selbst miterlebt haben könnten. Daher stellt er wohl ein wichtiges historisches Dokument für die Persönlichkeit der Hetäre und ihres königlichen Geliebten dar.[20]
Diogenes Laertios, der Favorinus zitiert, bezeichnet sie als Geliebte des griechischen Politikers und Philosophen Demetrios von Phaleron. Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Verwechslung mit Demetrios Poliorketes.[21]
Literatur
Anika Aulbach: Die Frauen der Diadochendynastien: Eine prosopographische Studie zur weiblichen Entourage Alexanders des Grossen und seiner Nachfolger. München 2015.
Konstantinos Kapparis: Prostitution in the Ancient Greek World. Berlin/Boston 2018.
Sabine Müller: In the favour of Aphrodite: Sulla, Demetrius Poliorcetes, and the symbolic value of the hetaera. In: AHB 23, 2009, S. 38–49.
Pat Wheatley: Lamia and the Besieger: An Athenian Hetaera and a Macedonian King. In: Olga Palagia, Stephen Tracey (Hrsg.): The Macedonians in Athens, 322–229 B.C. Proceedings of an international conference held at the University of Athens, May 24–26, 2001. Oakville 2003, S. 30–36.
Pat Wheatley, Charlotte Dunn: Demetrius the Besieger. Oxford 2020.
Anmerkungen
↑Laut Plutarch (Demetrios 16, 6 und 26, 8) war Lamia etwas älter als Demetrios I. Poliorketes, der um 336 v. Chr. geboren wurde.