1906 sah Oskar Reinhart in Berlin die von Hugo von Tschudi, Alfred Lichtwark und Julius Meier-Graefe organisierte Jahrhundertausstellung deutscher Kunst von 1775 bis 1875. Diese Ausstellung prägte die Sammlertätigkeit Reinharts, sodass er selbst eine bedeutende Sammlung deutscher, österreichischer und schweizerischer Kunst des 19. Jahrhunderts anlegte. Parallel entstand eine zweite Sammlung mit Werken alter Meister und der französischen Impressionisten. Die gewachsenen Sammlungen hatten schon bald ein Ausmass erreicht, welches eine geeignete Unterbringung im eigenen Wohnhaus unmöglich machte.
Bereits 1930 kam Reinhart mit der Stadt Winterthur ins Gespräch, um für die Sammlung mit Werken deutschsprachiger Künstler ein geeignetes Museum zu finden. Bedingt durch den Zweiten Weltkrieg konnte jedoch erst 1951 das 1842 erbaute einstige Knabenschulgebäude und spätere Gymnasium als Museum eingeweiht werden. Damit ist es das älteste Sammlermuseum der Schweiz, errichtet nach den Vorbildern der Wallace Collection in London, der Hirschsprung Samling in Kopenhagen und der Frick Collection in New York. Die zweite Sammlung mit Werken von Gerard David bis Pablo Picasso gelangte nach dem Tod des Sammlers in den Besitz der Schweizerischen Eidgenossenschaft und wurde 1970 als Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» im Wohnhaus des Sammlers dem Publikum geöffnet. Seit 2016 befindet sich das Museum in Trägerschaft des Kunstvereins Winterthur.[1]
Gebäude
Der Zürcher Architekt Leonhard Zeugheer entwarf das Gebäude am Stadtgarten ursprünglich als Knabengymnasium, Bibliothek und für die Städtischen Sammlungen. Der 1842 fertiggestellte Neorenaissancebau diente diesen Zwecken über 100 Jahre, bevor es ab 1948 zum Museum für die Sammlung mit Werken deutschsprachiger Künstler des 19. Jahrhunderts aus dem Besitz von Oskar Reinhart umgebaut wurde. Am 21. Januar 1951 fand die Eröffnung des neuen Museums statt. Das Gebäude besitzt in der Mitte ein Portikus, auf denen Figuren von Ulrich Zwingli, Heinrich Pestalozzi, Conrad Gessner und Johann Georg Sulzer thronen.
Das Gebäude am Stadtgarten wird im Rahmen des neuen Museumskonzepts, welches die drei Standorte am Stadtgarten, beim Stadthaus und die Villa Flora unter einem Dach zusammenfasst (Drei-Häuser-Strategie), seit November 2023 umgebaut. Der Standort soll zum Hauptempfangsgebäude aller drei Häuser werden. Neben Sanierungsmassnahmen (neue Sicherheits- und Brandschutzanforderungen) wird eine Verbesserung der Barrierefreiheit angestrebt. Der Kostenvoranschlag für den Umbau der Eingangshalle werde gemäss Stadtrat rund 6,8 Millionen Franken kosten.[2]
Die Stiftung hat im Juni 2015 ein Pastell von Adolph von Menzel freiwillig und aufgrund eigener Provenienzrecherchen an die Erben von Rudolf Mosse restituiert, weil sie der Auffassung war, dass es sich dabei um Raubkunst handelt.[3]
Kunststadt Winterthur (= Museums-Check. Folge 53). Reportage, 30 Min., Moderation: Markus Brock, Produktion: 3sat. Erstausstrahlung: 18. November 2018.[5]
Literatur
Peter Wegmann: Von Caspar David Friedrich bis Ferdinand Hodler. Mit Beiträgen von Lothar Brauner, Franz Zelger und Matthias Wohlgemuth, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1993.