Die alle vier Jahre stattfindenden Kommunalwahlen in Albanien (albanischZgjedhje Vendore) fanden 2023 am 14. Mai statt.[1] Die Stimmberechtigten waren aufgerufen, die exekutiven und legislativen Vertreter ihrer Gemeinde (Bashkia) zu wählen, also zum einen die 61 Bürgermeister (albanisch im Singular Kryetar Bashkie) und zum anderen die insgesamt 1595 Gemeinderäte (albanisch im Singular Këshilli Bashkiak). Die Partia Socialiste e Shqipërisë (PS) konnte erneut einen deutlichen Sieg erzielen.[2]
Es waren die neunten freien Kommunalwahlen seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes und die dritten Kommunalwahlen seit der Reform der VerwaltungsgliederungAlbaniens im Jahr 2014, als die Gemeindeart der Komuna abgeschafft und gleichzeitig die Gesamtzahl der Gemeinden von 373 auf 61 Bashkie reduziert wurde.
Die vorangegangenen Kommunalwahlen von 2019 waren von der Opposition boykottiert worden. Auch 2023 herrschte lange Unklarheit über die Teilnahme der Partia Demokratike e Shqipërisë (PD), der zweitgrößten politischen Partei Albaniens, die heftig zerstritten ist.
Die Opposition unter der Führung der PD, die schon vor der Parlamentswahl 2017 gegen die „undemokratischen“ Prozesse protestiert hatte, anerkannte jenes Wahlresultat – ein klarer Sieg der Partia Socialiste e Shqipërisë (PS) – nicht und boykottierte in der Folge vorerst die Parlamentsarbeit. Im angespannten politischen Umfeld boykottierten die Oppositionsparteien auch die Kommunalwahlen 2019: Sie hatten die Regierung zum Rücktritt aufgefordert und waren geschlossen zurückgetreten.[3] Über Monate rief die Opposition zu Protesten und Straßenblockaden in Tirana auf; vereinzelt kam es zu Beschädigungen durch Demonstranten und zu Zusammenstößen mit der Polizei.[4][5][6]
Der damalige Staatspräsident Ilir Meta widerrief wegen der angespannten politischen Lage am 9. Juni den im Vorjahr von ihm festgelegten Wahltermin und verschob die Wahlen per Dekret auf den 13. Oktober. Ministerpräsident Edi Rama (PS) erklärte dieses Dekret als widerrechtlich und dass die Wahlen wie geplant durchgeführt würden. Das Verfassungsgericht konnte den Disput nicht klären, da es noch immer nicht beschlussfähig war. Das Parlament bestätigte den Termin.[3] Die Wahl wurde am 30. Juni durchgeführt. Die Opposition boykottierte den Urnengang, so dass in 34 Gemeinden nur ein Kandidat für das Bürgermeisteramt antrat.[7] Einzig in Shkodra und Finiq regierte nicht die PS. Die Wahlbeteiligung lag lediglich bei 22,97 %;[8] wobei rund ein Drittel der 3,65 Millionen Stimmberechtigten[9] im Ausland lebt und für eine Wahlteilnahme nach Albanien hätte reisen müssen. Nach einigen weiteren Protesten übernahmen später im Sommer die neu gewählten Bürgermeister ihre Ämter.
Im Gegensatz zu den Wahlen von 2019 verlief die Parlamentswahl 2021 problemlos. Die PS gewann zum fünften Mal hintereinander wichtige Wahlen; dieses Mal mit einem minimalen Zuwachs an Wählerstimmen und der absoluten Mehrheit der Sitze. Die Koalition „Partia Demokratike – Aleanca për Ndryshim“ der PD und diversen Kleinparteien erreichte fast 40 % der Stimmen respektive 63 von 140 Sitzen. Die Lëvizja Socialiste për Integrim (LSI) hatte deutliche Verluste zu verzeichnen.
Im März 2022 mussten in sechs Bashkie Ersatzwahlen stattfinden, da kein gewählter Bürgermeister mehr amtierte. Die ursprünglich gewählten Kandidaten in diesen Gemeinden konnten ihr Amt nicht antreten, weil strafrechtliche Verfehlungen in der Vergangenheit bekannt wurden oder die Personen zwischenzeitlich verstorben waren.[10][11]
Für die Demokratische Partei (PD) kam die Wahl zu keinem geeigneten Zeitpunkt, da sie in interne Machtkämpfe verwickelt war. Der ehemalige Parteivorsitzende Sali Berisha war von der Parteiführung unter Lulzim Basha aus der von ihm gegründeten Partei ausgeschlossen worden, hatte aber zuvor eigenhändig einen Parteikongress durchgeführt, in dem die Teilnehmer die Parteiführung abgesetzt hatten.[12] So traten bei den Nachwahlen in den sechs Gemeinden neben eines Kandidaten der Sozialistischen Partei je eine Kandidat der Demokratischen Partei und ein Berisha-Getreuer an, Letztere unter der Koalitionsbezeichnung Shtëpia e Lirisë(Haus der Freiheit).[13] In allen Gemeinden erzielten die Kandidaten der Shtëpia e Lirisë etwa gleich viele oder deutlich mehr Stimmen als die offiziellen PD-Vertreter; in Shkodra gewann Berishas Kandidat.[14] Aufgrund des schlechten Abschneidens der PD trat Lulzim Basha am 21. März zurück.[15]
Im Oktober 2022 legte Staatspräsident Bajram Begaj das Datum der Wahlen fest.[1]
Die PD war im Vorfeld des Urnengangs noch immer zerstritten. Im Streit um die Führung über die Partei entschied Anfang März 2023 ein Gericht gegen Sali Berisha und sprach sich für Enklejd Alibeaj als Vorsitzenden aus. Somit oblag es Alibeaj und nicht Berisha, die Kandidaten für die PD zu nominieren.[16] Die Zentrale Wahlkommission verweigerte in der Folge aber, Kandidaten der PD zu registrieren: Es fehle eine Unterschrift unter der Rücktrittserklärung von Lulzim Basha.[17][18] Ein Rekurs gegen diesen Entscheid wurde gutgeheißen, verzögerte aber die Wahlvorbereitungen der Demokraten.[19] Die PD zeigte in der Folge Schwierigkeiten, rechtzeitig für alle Gemeinden Kandidaten zu nominieren.[20]
Sali Berisha und die Partia e Lirisë von Ilir Meta – vormals Lëvizja Socialiste për Integrim (LSI) – hatten vereinbart, gemeinsam Kandidaten aufzustellen.[21] Die Zentrale Wahlkommission genehmigte den Zusammenschluss aber vorerst nicht, da Berisha Name und Logo der PD verwendet hat.[22]
Stimmenkauf war ein groß diskutiertes Thema vor dem Wahlgang. Die US-amerikanische Botschafterin Yuri Kim verurteilte solche Einflussnahmen und rief Behörden und Parteien auf, dagegen vorzugehen.[23] Kurz vor dem Wahlgang wurde der griechisch-stämmige Kandidat für das Bürgermeisteramt in Himara der Berisha-Koalition wegen Stimmenkauf verhaftet. Griechenland verurteilte diese Aktion der albanischen Behörde.[24] In Has war der Kandidat der PS des Stimmenkaufs beschuldigt worden.[25]
Bei Wählerbefragungen lag für die Wahl des neuen Bürgermeisters von Tirana der bisherige Amtsinhaber Erion Veliaj deutlich vorne.[27]
Verlauf
Der Wahlsonntag war im Allgemeinen ruhig verlaufen. Die internationalen Wahlbeobachter der OSZE beurteilten die Wahlen als „largely well administered“ (OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights ODIHR, deutsch: „mehrheitlich gut organisiert“). Bemängelt wurden Einmischungen der Parteien in den Wahllokalen, weit verbreitetes Wählen in Gruppen, Verletzungen des Wahlgeheimnisses und weitere technische und prozessuale Probleme.[28]
Sali Berisha und Ilir Meta beklagten gegenüber den Medien, dass Stimmenkauf das Wahlresultat zu ihrem Nachteil verfälscht habe. Es würden auch die Stimmen von 210.000 Bürgern fehlen, die Albanien im letzten Jahr verlassen hätten. Einen Rücktritt schlossen sie aus, da sie angesichts der „staatlichen Kriminellen“ keine Verantwortung für den Ausgang der Wahlen hätten.[29][30]
In drei Gemeinden, Kamza, Vora und Elbasan, wurde die Stimmabgabe elektronisch durchgeführt, was eine schnelle und sichere Auszählung ermöglichte.[31] Vor allem viele ältere Wähler benötigten dabei Unterstützung.[32]
Die Wahlurnen waren von 7 Uhr morgens bis 19 Uhr am Abend geöffnet. Die Wahlbeteiligung lag mit 31 % (vorläufige Schätzung) sehr tief. Insbesondere Erstwähler gingen kaum zur Urne (13,5 % Wahlbeteiligung).[33]
Ergebnisse der Bürgermeisterwahlen
Die Wahlbeobachter beurteilten die Auszählung der Stimmen als rasch und geordnet.[28]
Der deutliche Sieg der Sozialisten in vielen Gemeinden, darunter vieler demokratischen Hochburgen im Norden wie Shkodra und Tropoja, Heimatort von Sali Berisha, kam überraschend.[30]
↑Deklarata e KQZ-së. Medienmitteilung. In: Zentrale Wahlkommission. 3. Juli 2019, archiviert vom Original am 3. November 2022; abgerufen am 4. Juli 2019 (albanisch).