Das heutige Bodendenkmal befindet sich auf einem Gebirgssattel innerhalb eines ausgedehnten Waldstückes zwischen den Lützelbacher Ortsteilen Breitenbrunn und Haingrund. Es liegt dort unmittelbar nördlich der Landesstraße 3106, westlich des heutigen Sportplatzes. Der Sattel, der heute von der L 3106 als Pass genutzt wird, dürfte auch in antiker Zeit einen nicht unbedeutenden Gebirgsübergang dargestellt haben, zu dessen Überwachung das Kastell gedient haben wird.
Die Ausgrabungen der RLK ergaben, dass es sich bei dem Kleinkastell Windlücke um ein annähernd quadratisches Steinkastell handelte, das mit einer Seitenlänge von etwa 13,5 Metern eine Fläche von rund 180 Quadratmetern bedeckte. Bei einer Mauerstärke von einem Meter sprang das 70 Zentimeter tief in den Boden reichende Fundament beidseitig um 25 bis 44 Zentimeter vor. Das einzige Tor – mit einer Durchgangsbreite von 2,32 Meter – war nach Osten, zur nur 27 Meter entfernten Grenzpalisade hin ausgerichtet. Ein Befestigungsgraben war nicht vorhanden. Das Kleinkastell Windlücke dürfte einer Besatzung von maximal 20 Mann Platz geboten haben. Heute ist im Gelände nichts mehr zu erkennen, jedoch wurde der ehemalige Kastellplatz mit Infotafeln ausgewiesen.[2]
Detailaufnahme des Kastelltores durch die RLK (1895)
Aufsicht und Profil der Umfassungsmauer (1895)
Palisadengraben des Limes beim Kleinkastell Windlücke (Grabung 1895)
Infotafeln am ehemaligen Kastellplatz (Situation Oktober 2009)
Limesverlauf zwischen dem Kleinkastell Windlücke und dem Kastell Hainhaus
Vom Kleinkastell Windlücke aus zum südlich folgenden Kastell Hainhaus hin verläuft der Limes ausschließlich durch bewaldetes Gelände und steigt dabei kontinuierlich um insgesamt 120 Höhenmeter an.
Gut sichtbare und teilrekonstruierte Turmstelle aus einem Stein- und zwei Holzturmhügeln.[A 3] Der quadratische Steinturm besaß eine Seitenlänge von 5,25 Meter, die Mauerstärke betrug 80 cm. Der nördliche Holzturm befand sich auf einem Trockenmauerfundament, das bei einer Stärke von 75 Zentimeter ebenfalls über eine Seitenlänge von 5,25 Meter verfügte. Er war von einem Ringgraben umgeben, der bereits zur Zeit der Reichs-Limeskommission schon stark eingeebnet war. Die Konstruktionsmerkmale des südlichen Holzturms entsprachen denen des nördlichen. Umgeben war er von einem zum Teil über zwei Meter tiefen Ringgraben, dessen Durchmesser (Außenrand) 26 Meter betrug (Sohle-Sohle: 16,90 Meter).[4][A 4]
Grundriss und Details der Turmstellen von Wp 10/10
Nördlicher Holzturm (Zustand Oktober 2009)
Wp 10/10 Südlicher Holzturm (Zustand Oktober 2009)
Wp 10/10 Steinturm (Zustand Oktober 2009)
Wp 10/11
„Auf der Sellenplatte“
Konserviertes Steinturmfundament und gut erhaltene Holzturmstelle.[A 5] Der heute konservierte, quadratische Steinturm verfügte über eine Seitenlänge von 5,10 Meter, die Fundamente sprangen 30 cm weit vor. Der unmittelbar südlich des Steinturms befindliche, nicht ausgegrabene Holzturmhügel besitzt einen Durchmesser von 18 Meter.[5][A 6] Der Steinturm wurde 1986 erneut ausgegraben, seine Grundmauern wurden konserviert und rekonstruiert.
Holzturm (Zustand Oktober 2009)
Steinturm (Zustand Oktober 2009)
Details des Steinturms (Aufnahme durch die RLK)
Details des Steinturms (Zustand Oktober 2009)
Wp 10/12
„In den Dickhecken“
Eine Holzturmstelle mit einem Ringgraben (Außendurchmesser 22 Meter, Sohle-Sohle 16 Meter) und eine stark zerstörte Steinturmstelle.[A 7]
Beide wurden nicht archäologisch untersucht, sondern nur aufgrund der Erdoberflächenbeschaffenheit festgestellt.[6]
Wp 10/12 Steinturmstelle im Vorder-, Holzturmstelle im Hintergrund
Wp 10/12 rechts die Holzturm-, links die Steinturmstelle
Wp 10/12 Holzturmstelle
Wp 10/12 Steinturmstelle
Wp 10/13
„In den Erlen“
Flacher Holzturmhügel mit einem Graben von 18 Meter Durchmesser.[A 8] Der heute noch sichtbare Hügel wurde nicht ausgegraben, ein Steinturm konnte nicht festgestellt werden.[7][A 9]
Das Kleinkastell Windlücke und die anschließenden Limesbauwerke sind Bodendenkmale nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz. Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.
Christian Fleer: Typisierung und Funktion der Kleinbauten am Limes. In: Egon Schallmayer (Hrsg.): Limes Imperii Romani. Beiträge zum Fachkolloquium „Weltkulturerbe Limes“ November 2001 in Lich-Arnsburg. Bad Homburg v. d. H. 2004, ISBN 3-931267-05-9, S. 75–92, (Saalburg-Schriften 6)
Margot Klee: Der römische Limes in Hessen. Geschichte und Schauplätze des UNESCO-Welterbes. Pustet, Regensburg 2009, ISBN 978-3-7917-2232-0, S. 186f.
Egon Schallmayer: Der Odenwaldlimes. Neueste Forschungsergebnisse. Beiträge zum wissenschaftlichen Kolloquium am 19. März 2010 in Michelstadt. Saalburgmuseum, Bad Homburg 2012, ISBN 978-3-931267-07-0 (Saalburg-Schriften, 8)
↑Die konventionelle Anfangsdatierung auf das Jahr 100 (±5) stützt sich auf die Ergebnisse der Ausgrabungen, die Dietwulf Baatz in den Jahren 1964 bis 1966 im Kastell Hesselbach vornahm. Sie basiert im Wesentlichen auf der Auswertung der dabei gefundenen Sigillaten (vgl. den entsprechenden Abschnitt im Hesselbach-Artikel und Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X, (Limesforschungen, Band 12), S. 85–96). In der jüngeren Literatur wird einer Anfangsdatierung des Kastells Hesselbach wie des gesamten Odenwaldlimes auf den Zeitraum 107/110 der Vorzug gegeben. Dieser Datierungsansatz stützt sich nicht auf neue Ausgrabungsbefunde, sondern auf eine statistische Neubewertung der Münzfunde aus allen Kastellen des Obergermanisch-raetischen Limes, die der Archäologe Klaus Kortüm 1998 erstmals vorgelegt hat und auf die sich inzwischen einige Autoren der jüngeren Literatur stützen. (vgl. Klaus Kortüm: Zur Datierung der römischen Militäranlagen im obergermanisch-raetischen Limesgebiet. In: Saalburg-Jahrbuch 49, 1998. Zabern, Mainz 1998, S. 5–65 und Egon Schallmayer: Der Limes. Geschichte einer Grenze. Beck, München 2006, ISBN 3-406-48018-7, S. 49–52 sowie S. 54f.)
↑Egon Schallmayer: Der Odenwaldlimes. Entlang der römischen Grenze zwischen Main und Neckar. Theiss, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8062-2309-5, S. 82.
↑Egon Schallmayer: Der Odenwaldlimes. Entlang der römischen Grenze zwischen Main und Neckar. Theiss, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8062-2309-5, S. 83f.
↑Egon Schallmayer: Der Odenwaldlimes. Entlang der römischen Grenze zwischen Main und Neckar. Theiss, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8062-2309-5, S. 84f.
↑Egon Schallmayer: Der Odenwaldlimes. Entlang der römischen Grenze zwischen Main und Neckar. Theiss, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8062-2309-5, S. 85.
↑Die RLK ging davon aus, dass aufgrund der guten Sichtverbindung zwischen Wp 10/12 und dem Kastell Hainhaus beim Ausbau des Limes auf einen Steinturm verzichtet worden sei. So im ORL und bei Schallmayer. Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2347-0, S. 184 lässt offen, ob es sich um einen Holz- oder einen Steinturmhügel handelt.
Anmerkungen
↑ORL = Nummerierung der Limesbauwerke gemäß der Publikation der Reichs-Limeskommission zum Obergermanisch-Rätischen-Limes
↑Wp = Wachposten, Wachturm. Die Ziffer vor dem Schrägstrich bezeichnet den Limesabschnitt, die Ziffer hinter dem Schrägstrich in fortlaufender Nummerierung den jeweiligen Wachturm.