Die Jugendunruhen in der Schweiz in den 1980er-Jahren wurden durch Krawalle mehrerer hundert Jugendlicher vor dem Opernhaus Zürich (die sogenannten «Opernhauskrawalle») am 30./31. Mai 1980 ausgelöst.
Im Mai 1980 genehmigte der Zürcher Stadtrat 60 Millionen Franken für die Renovation des Opernhauses. Gleichzeitig lehnte er die Forderungen nach einem autonomen Jugendzentrum (AJZ) ab. Daraufhin folgte eine in der Schweiz einzigartige Gewaltspirale zwischen der Bevölkerung und der Polizei, so etwa nach der ersten Schliessung des AJZ am Carparkplatz Sihlquai in der Nähe des Zürcher Hauptbahnhofs. Sie forderte insgesamt mehrere hundert Verletzte auf beiden Seiten und Sachschäden in Millionenhöhe.
Am 30. Mai kam es bei einer Demonstration vor dem Opernhaus, die von einer Menschenmenge verstärkt wurde, welche von einem Bob-Marley-Konzert kam, zu den Auseinandersetzungen, die später als «Opernhaus-Krawalle» bezeichnet wurden.[1] Studierende der Universität Zürich filmten die erste Krawallnacht, woraufhin der für das Projekt verantwortliche Dozent seinen Job verlor. Die Bewegung griff auf die Universität über. Zahlreiche Studierende schlossen sich der neuen Jugendbewegung an[2].
Die Zürcher Jugendunruhen kamen für Behörden und Öffentlichkeit überraschend, hatten sich aber früher angekündigt, beispielsweise in der 1979 erfolgten Stürmung eines Konzertes von Jimmy Cliff. Bereits in den späten 1960er Jahren gab es Auseinandersetzungen, die unter anderem mit dem Wunsch nach einem AJZ im Zusammenhang standen (→Globuskrawall). Erst mit der Zeit war die städtische Politik zum Dialog bereit und wurde der geforderte Raum für alternative kulturelle Aktivitäten (z. B. Rote Fabrik) bereitgestellt (siehe auch:Geschichte der Stadt Zürich).
Protest in weiteren Städten
Auch in anderen schweizerischen Städten wie Basel, Bern oder Lausanne wurde gewalttätig protestiert. In Basel war die Jugendbewegung 1980 bis 1982 und dann noch einmal von 1986 bis 1989 aktiv. Vorerst stand der geforderte kulturelle Freiraum im Vordergrund, welchen die Jugendlichen selber verwalten wollten. Das Gelände der Alten Stadtgärtnerei (ASG) war zwischen 1986 und 1988 ein wichtiger Ort der selbstbestimmten alternativen Jugendkultur. In Bern drehten sich die Auseinandersetzungen um das Zaffaraya und die Reithalle. In Winterthur machten vor allem die Winterthurer Ereignisse 1984 in Zusammenhang mit einem Sprengstoffanschlag auf das Haus des damaligen Bundesrates Friedrich und der darauffolgenden Verhaftungswelle und dem Suizid einer Inhaftierten Schlagzeilen.
Medien
Die Achtziger-Bewegung kämpfte mit unkonventionellen Mitteln (so traten zwei Zürcher Aktivisten in einer TV-Diskussion zu den Jugendunruhen als «Herr und Frau Müller» auf und forderten ein härteres Vorgehen gegen die Jugendlichen), Sprachwitz (z. B. «Macht aus dem Staat Gurkensalat» oder «Freier Blick aufs Mittelmeer – Sprengt die Alpen») und mit neuen ästhetischen Gestaltungsmitteln (siehe z. B. Punk in der Schweiz) für mehr kulturelle Autonomie. Sie thematisierte sozialpolitische Anliegen wie Wohnungsnot oder Drogenelend sowie den Überwachungsstaat.
Das im Jahr 1981 erschienene Video Züri brännt des Videoladens Zürich dokumentiert die Jugendunruhen in Zürich aus Sicht der Bewegungsaktivisten auf umfassende Weise. Ebenfalls als Betroffener hat Reto Hänny im gleichen Jahr die Ereignisse in seinem Bericht Zürich, Anfang September verarbeitet.
In seinem Lied Auf der Flucht (aus dem Album «Einzelhaft» von 1982) nimmt Falco auf die Jugendunruhen in der Schweiz und deren Unterdrückung in der Stadt Zürich Bezug: «Zürich, Limmatquai / Neunzehnhundertachtzig zwei / Alles ist in Ordnung [...] Gewonnen hat die Steuer / Und am Seeufer kein Feuer, aha».
Ein im Jahr 2001 von Heinz Nigg herausgegebener Sammelband dokumentiert die Ereignisse 20 Jahre danach aus der Sicht von Betroffenen sowie mit Analysen von Journalisten und Wissenschaftlern.
Der Tatort: Züri brännt von 2020 spielt in Rückblenden vor dem Hintergrund der damaligen Unruhen.
Kathrin Bänzinger: Dani, Michi, Renato und Max. Recherchen über den Tod 4 junger Menschen. Limmat, Zürich 1988, ISBN 3-85791-137-9.
Heinz Nigg (Hrsg.): Wir wollen alles, und zwar subito! Die Achtziger Jugendunruhen in der Schweiz und ihre Folgen. Mit DVD-Video. Limmat, Zürich 2001. ISBN 3-85791-375-4. Seit 2014 auch als E-Book erhältlich.
Olivia Heussler: Zürich, Sommer 1980. Fotografien und ein Epilog von Stefan Zweifel. 1. Auflage, Edition Patrick Frey, Zürich 2010, ISBN 978-3-905509-89-2. (Mit ausführlichem Archiv auf eigener Webseite.)
Piñeiro, Esteban/Winzeler Seraina. 2017. Gefährliche Kommunen, Mieterkampf und Autonome Jugendzentren. Dem professionell betreuten Wohnen genealogisch auf der Spur. In: Dies. (Hrsg.): Wohnungsnot als gesellschaftlicher Konflikt. Alfred Kunz und die Gemeinnützige Stiftung Wohnhilfe Basel. Basel: Schwabe Verlag. ISBN 978-3-7965-3640-3.
Heinz Nigg: Rebel Video. Die Videobewegung der 1970er- und 1980er-Jahre. London, Basel, Bern, Lausanne und Zürich. Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2017, ISBN 978-3-85881-556-9.
Peter Bichsel, Silvan Lerch: Autonomie auf A4. Wie die Zürcher Jugendbewegung Zeichen setzte. Flugblätter 1979–82. Zürich 2017, Limmat Verlag, ISBN 978-3-85791-833-9.