Bereits im Mittelalter lag Biebelried in der Nähe der Kreuzung der wichtigsten Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen im Heiligen Römischen Reich. Der Ortsadel der Biebelrieder war seit dem 12. Jahrhundert dokumentiert. Es handelte sich um Ministerialen der Grafen von Castell. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts hatte das Hochstift Würzburg Besitzungen im Ort.
Die Johanniterkommende Würzburg kaufte im April und Dezember 1244 Grundstücke und Gebäude in Biebelried von Fürstbischof Hermann von Lobdeburg („caminatam, structuras et edificia alia in Bibelrid cum omnibus attinentiis...“)[1][2]. Die Kapelle im Ort wurde ihr 1251 übertragen. Einen Teil der Castellschen Besitzungen in Biebelried erwarb sie am 10. März 1251[3][4]. Diese Phase wurde am 6. Januar 1262 abgeschlossen, als das bereits bestehende Hospital der Johanniter in Biebelried von Heinrich und Hermann von Castell weitere Güter erwarb.[5][6]
Diese Besitzungen wurden die Grundlage der Johanniterkommende Biebelried.[7][8] Infolge der Vernichtung von Urkunden im Zweiten Weltkrieg können die genaueren Umstände nur noch durch die Einträge in den Findbüchern des Staatsarchivs Würzburg rekonstruiert werden. Neben der günstigen Lage fiel die Wahl vermutlich wegen der bereits seit langem bestehenden Befestigungsanlage auf den Ort.
In den 1970er Jahren wurden Spuren einer Turmburg aus dem 10. Jahrhundert auf dem Hofgelände gefunden. Der Bau des Johanniterkastells wurde 1275 am Ort der Vorgängerburg unter dem Komtur Heinrich von Boxberg veranlasst, wobei deren alter Bergfried integriert wurde: „Henricus von Boccesberg dieses hochrit : ordens ritter- und commendeuer deren Häusern Wirtzburg, Biebelrieth, Rottenburg ob der Tauber und ReinhartsRoth das von puren quardersteinen recht solid und massiv erbauete castrum, wie solches die reudera annoch (= Mitte des 18. Jahrhunderts) zeigen.“ Es war damals eines der „solitest und prächtigsten“ Gebäude.[10] Bauliche Überreste im Ostflügel verweisen auf eine Nutzung der Anlage als Hospital für Pilger, die auf dem Weg nach Würzburg oder woandershin waren. Dies entsprach der traditionellen Aufgabe des Ordens. Im Jahre 1452 fanden größere Umbauarbeiten statt. Während des Bauernkriegs wurde die Burg 1525 von Dorfbewohnern in Mitleidenschaft gezogen und 1528 unter deren Hinzuziehung erneuert.[11] Während des Dreißigjährigen Kriegs waren wiederum starke Beschädigungen zu verzeichnen.[12] Die Anlage wurde ein Gutshof.[13] Im Jahr 1712 wurden in der als verfallen bezeichneten Burg an der Südseite ein paar Zimmer zum vorübergehenden Aufenthalt eines „zeitlichen gn. Hr. Commandeur“ eingerichtet und 1754 verbessert.[14] Der Bergfried wurde 1728 abgebrochen und das heute noch erhaltene Komturhaus errichtet. Nach der Säkularisation 1806 hatte der letzte Komtur des Johanniterordens noch bis zu seinem Tod im Jahre 1812 das Wohnrecht. Die Rechte des Ordens waren damit vollständig erloschen. Es folgte eine kurzfristige Zweckentfremdung als Steinbruch, vermutlich für neue Gebäude in Biebelried. Nach der Versteigerung des Bauwerkes an privat wurde das Areal als Bauernhof genutzt und die Gebäude nach und nach zurückgebaut. Die heutige Hofeinfahrt entstand im ersten Quartal des 19. Jahrhunderts durch Einbrechen der ursprünglich geschlossenen Nordmauer. Der nordwestliche Rundturm wurde 1820 abgebrochen.
Beschreibung
Die ehemalige Wasserburg war von einem tiefen, durch die Quelle des dort entspringenden Jakobsbachs gespeisten Wassergraben umgeben.
Der heutige Bestand der nahezu quadratischen Anlage (Seitenlängen 43,5 × 45 m) umfasst noch große Teile der Außenmauern aus Buckelquadern, Teile der Innenwände, Türgewände, Schießscharten, Fensterlaibungen und Kapellenreste. Die gesamte Planung und Ausführung der Bautätigkeiten war wohldurchdacht und erfolgte mit großer Kunstfertigkeit, was z. B. die äußerst exakt ausgerichteten Schießscharten an der westlichen Schildwand oder der Strebepfeiler in der Nordostecke belegen. Als Maßeinheit wurde der Schuh (1 Schuh entspricht ca. 30 cm) verwendet, der in Gesamtlänge, Wandstärke und Schießscharten zu finden ist.
Der sehr exakt gebaute, 2,5 m hohe und weniger als 2 cm Höhenunterschied aufweisende Kalksteinsockel wurde wahrscheinlich mit Material aus den Muschelkalkbrüchen im Maintal gebaut. Im Sockel wurden teils noch bestehende Kellerräume angelegt und die Hohlräume zugeschüttet.
Den untersten Teil der Mauern bilden unregelmäßig geschichtete Kalksteine stark unterschiedlicher Größe. Die eigentlichen Burgmauern wurden aus gelbem Sandstein auf einer doppelten Steinreihe mit einer ca. 60-Grad-Böschung errichtet. Die Konstruktion der Wände erfolgte als zweischaliges Mauerwerk. Hierbei wurde eine äußere Wandscheibe aus Buckelquadern und parallel dazu eine Innenwand aus Hausteinen gebaut und der Innenraum mit Kalkmörtel und Bruchstein aufgefüllt. Die so entstandene 1,8 m starke Umfassungsmauer ist noch weitgehend erhalten.
An der Nordwestecke sind über den Resten eines Eckpfeilers in Höhe von 3,5 m Spuren einer Tourelle sichtbar. Dieser Eckturm, der in der oberen Etage der Burg ansetzte, diente Beobachtungs- und Verteidigungszwecken.
An der westlichen 6 m hohen Schildwand befinden sich für Deutschland wahrscheinlich einmalige Schießscharten mit 2,8 m Höhe und einer Breite von lediglich 15 cm. Sie sind im exakten Abstand von 3,8 m angeordnet und liegen genau in der Mitte des Joches im Innenraum dahinter.
An der Südwestecke befindet sich das ehemalige Komturhaus, in dessen unterem Bereich noch mittelalterliche Reste mit kleinen Schießscharten vorhanden sind. Dort stand vermutlich ein Turm, der den Eingang schützen sollte.
Der ursprüngliche Zugang zur Burg war ein spitzbogiges Tor mit Zugbrücke an der Südseite. An der Stelle befindet sich heute der Zugang zum Garten als barockes Portal mit dem Wappen des damaligen Komturs.
Im Süden ist der Sockel und das unterschiedliche Mauerwerk gut zu überblicken. In der Südostecke erhebt sich das Mauerwerk noch bis auf 12 m und der Rest eines Fensters oder einer Schießscharte zeigt, dass die Burg zwei Stockwerke hatte.
In der fast vollständig erhaltenen, 11 m hohen Ostwand ist ein Kapellenerker sichtbar, dessen Konsole in die Außenwand integriert wurde. Es ist ersichtlich, dass die Kapelle im 14. Jahrhundert erweitert wurde. Die Plattform, die den Altarraum bildete, wurde verbreitert und weist zahlreiche architektonisch anspruchsvoll gearbeitete Details wie die Fensterbankansätze, eine Sitzbank, Säulenbasen und Fensterlaibungen auf.
Neben dem Erker befindet sich eine ihrer Form nach ungewöhnliche Schießscharte. Im Gegensatz zu den folgenden ist sie außen eingeschnitten und öffnet sich nach innen. Hinter ihr befand sich eine so besser belichtete Sakristei am Übergang von der Kapelle in den östlichen großen Krankensaal. Im Mittelalter sollten Kranke die Möglichkeit haben, einen geheiligten Raum zu erblicken und Gebete zu ihrer Heilung an Gott richten zu können.
In der Nordostecke befindet sich der letzte von vier ehemals vorhandenen Eckpfeilern, dessen Ansatz der Schnittpunkt zwischen der Verlängerung der Innenwandflucht in die über Eck liegende Außenwand ist.
In der Nordostecke des Hofes befindet sich eine vom Eigentümer verschlossene Zisterne oder ein Brunnen aus aufwendigem Quadermauerwerk mit 1,50 m Innendurchmesser.[15]
Barockes Gartenportal mit dem Wappen des Komturs Franz Ludwig Pfyffer von Altishofen
Burgsockel und Südostecke mit Obergeschoss
Südseite
Südseite mit Südostecke
Südwestecke, ehemaliges Komturhaus
Südseite, ehemalige Zugbrücke
Nordseite
Nordseite, heutige Hofeinfahrt
Südwestecke, ehemaliges Komturhaus
Literatur
Georg Lill, Friedrich Karl Weysser: Stadt und Bezirksamt Kitzingen (= Kunstdenkmäler von Unterfranken & Aschaffenburg Heft II), München, R. Oldenbourg 1911, S. 68ff
Josef Hoh: Biebelried, das Johanniterdorf. Ein Beitrag zur Geschichte der Johanniter in Franken, in: Fränkische Heimat 4/1932 (enthält die von Altmann 1992 separat aufgeführte Liste der Komture)
August Sieghardt: Das Johanniter-Kastell in Biebelried. Eine merkwürdige Burganlage in Unterfranken. In: Am fränkischen Herd Nr. 9/1934
Alfons Pfrenzinger: Biebelrieder Pfarrernöte. Eine geschichtliche Betrachtung. In: Am fränkischen Herd Nr. 29/1934
Josef Hoh: Der Streit zwischen den Johannitern und dem Bischof von Würzburg um das pfarrliche Recht in Biebelried vor der kanonischen Errichtung der Pfarrei 1744., in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 4. Jg., 1. Heft 1936, S. 25ff
Alfons Pfrenzinger: Zankapfel Biebelried, in: Am fränkischen Herd Nr. 23/1937
Josef Hoh: Das ehemalige Johanniterkastell in Biebelried, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 4. Jg., 1952, S. 319 ff
Heinrich Weber: Historischer Atlas von Bayern. Kitzingen, München 1967, S. 159 f.
Alexander Antonow: Die Johanniterburg Biebelried bei Würzburg. Deutsche Burgenvereinigung (Hrsg.), in: Zeitschrift "Burgen und Schlösser" 1976/I, S. 10ff. Braubach/Rhein 1976
Ludwig Wamser: Ausgrabungen am Johanniterkastell Biebelried, in: Jahrbuch des Landkreises Kitzingen 1979, S. 107 f.
Franz Altmann: 1100 Jahre Biebelried, Biebelried, Gemeinde Biebelried, 1992, 199 S.
Tilmann Breuer: Dehio Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Bayern I : Franken : die Regierungsbezirke Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken 2., durchges. und erg. Aufl. München [u. a.]: Dt. Kunstverl., 1999, ISBN 3422030514, S. 219
Anton Rahrbach, Jörg Schöffl, Otto Schramm: Schlösser und Burgen in Unterfranken. Nürnberg 2002
Carlheinz Gräter: Buckelquader für die fränkische Karawanserei, in: Unser Bayern 11/2003, S. 189 f.
Peter Knoch: Johanniterkastell Biebelried. Ein Spaziergang um das Kastell. Würzburg, Amt für ländliche Entwicklung in Unterfranken 2009
Walter Schilling: Die Burgen, Schlösser und Herrensitze Unterfrankens, Würzburg, Echter, 2012, S. 253 f.
↑Max Döllner: Entwicklungsgeschichte der Stadt Neustadt an der Aisch bis 1933. Ph. C. W. Schmidt, Neustadt a. d. Aisch 1950, OCLC42823280; Neuauflage anlässlich des Jubiläums 150 Jahre Verlag Ph. C. W. Schmidt Neustadt an der Aisch 1828–1978. Ebenda 1978, ISBN 3-87707-013-2, S. 143.