Irredentismus gegenüber der Schweiz zwischen den Weltkriegen
Der Irredentismus beeinflusste während der 1920er Jahre bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges die schweizerisch-italienischen Beziehungen maßgeblich.
Bereits 1909 war der Versuch gescheitert, einen Ableger der Società Dante Alighieri in Lugano zu gründen.
Während des Ersten Weltkrieges kam es im Tessin zu einer Parteinahme der Bevölkerung für Italien. Diese steht im Gegensatz zu der Parteinahme der Deutschschweizer für Deutschland und Österreich. Die Mehrheit der Tessiner Bevölkerung fühlte sich (und fühlt sich bis heute) politisch der Schweiz zugehörig, kulturell aber der Italianità verpflichtet (Svizzera italiana). Dazu kam die Befürchtung vieler Tessiner, dass ihre italienischsprachige Kultur von der Deutschschweizer Mehrheit durch deren zahlenmäßige und wirtschaftliche Vormachtstellung bedroht würde (Rivendicazioni ticinesi).
Die ab 1912 herausgegebene Kulturzeitschrift L’Adula betonte die Italianità des Tessins.
Der italienische Journalist Giuseppe Prezzolini (1912) und der italienische Schriftsteller Gabriele D’Annunzio (1919) publizierten Schriften für den Anschluss des Tessins an Italien. Der Kanton Graubünden war ebenfalls vom italienischen Irredentismus bedroht. Die südlichen Alpentäler und die rätoromanischen Gebiete sollten ebenfalls an Italien fallen. Am 21. Juni 1921 bemerkte Benito Mussolini in einer Rede, dass die staatliche Einigung Italiens erst vollendet sei, wenn das Tessin zu Italien gehöre. Der Schweizer Botschafter in Rom, Georges Wagnière, protestierte daraufhin beim italienischen Außenministerium, woraufhin der italienische Ministerpräsident Giovanni Giolitti die Äußerungen Mussolinis revidierte. Ab 1922 wurde auf die Schweiz mit irredentistischen Forderungen Druck mit dem Ziel ausgeübt, dass diese gegen antifaschistische italienische Exilanten vorgehe. Ab 1939 wurden in lombardischen Zeitungen Artikel und Broschüren verbreitet, in denen die Italianità der Gebiete südlich der Alpen betont und eine neue Grenzziehung durch die Alpen gefordert wurde. Solche Forderungen verstärkten jedoch das Bewusstsein der vorwiegend italienisch- und romanischsprachigen Bevölkerung, der Schweiz anzugehören.
Literatur
Edgar Bonjour: Geschichte der schweizerischen Neutralität, Band 3: 1930–1939. 4. Auflage, Helbing und Lichtenhahn, Basel 1970, DNB456159622; Kurzfassung 1978, ISBN 3-7190-0736-7.
Kurt Huber: Der italienische Irredentismus gegen die Schweiz (1870–1925). Dissertation an der Universität Zürich, Fehlmann, Seengen 1953, DNB570720575.
Weblinks
Matthew Stibbe: Italian Irredentism, in: 1914-1918-online. International Encyclopedia of the First World War, ed. by Ute Daniel, Peter Gatrell, Oliver Janz, Heather Jones, Jennifer Keene, Alan Kramer, and Bill Nasson, issued by Freie Universität Berlin, Berlin 2018. doi:10.15463/ie1418.11305.