Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).
Inosit (der Inosit; auch, vor allem englisch: Inositol; veraltet: „Muskelzucker“) ist der Trivialname für Cyclohexanhexol, einen sechswertigen cyclischen Alkohol.
Obwohl Inosit den Trivialnamen „Muskelzucker“ trägt, handelt es sich dabei nicht um ein Kohlenhydrat, da es keine Carbonylgruppe besitzt und daher kein cyclisches Halbacetal bilden kann. Er erfüllt lediglich das ursprüngliche Kriterium eines Kohlen-Hydrats (hydratisierter Kohlenstoff), nämlich dass dessen Summenformel Cn(H2O)n ist bzw. dass Inosit ein Isomer (dieselbe Summenformel) zu Glucose und Fructose ist.
Die eigentlich aus dem angloamerikanischen Sprachraum stammende Variante Inositol hat sich in den Naturwissenschaften eingebürgert, vor allem in zusammengesetzten Begriffen ist sie die weitaus gebräuchlichere Variante.
Abhängig von der Stellung der Hydroxygruppen sind neun Stereoisomere möglich, davon ein Enantiomerenpaar (chiro-Inosit). Bei der in der Natur häufigsten Form stehen die Hydroxygruppen an den Kohlenstoffatomen 1, 2, 3 und 5 auf derselben Seite des Rings und die Hydroxygruppen an C4 und C6 auf der gegenüberliegenden Seite. Diese Form trägt den systematischen Namen Cyclohexan-cis-1,2,3,5-trans-4,6-hexol, den Trivialnamenmyo-Inosit und kommt in vielen tierischen und pflanzlichen Geweben vor.
Die Trivialnamen der anderen seltenen Isomere sind: scyllo-, D-chiro-, L-chiro-, muco-, neo-, allo-, epi- und cis-Inosit.
Im Körper tritt Inosit zumeist mit Phosphaten verestert auf. Er wurde früher den B-Vitaminen zugeordnet. Aufgrund der Tatsache, dass der menschliche Körper Inosit aus Glucose selbst aufbauen kann, gilt diese Einordnung allerdings mittlerweile als veraltet. Jede der beiden menschlichen Nieren produziert beispielsweise ca. 2 g Inosit pro Tag, in Summe also 4 g/d. Dies ist ein Vielfaches der Menge, die täglich mit der Nahrung aufgenommen wird (225 bis 1800 mg/d, durchschnittlich 900 mg/d bei einer Standard-Diät von 2500 kcal/d). Andere Körperzellen können ebenfalls Inosit bilden und tragen geringfügig zur Versorgung bei. Die höchsten Inosit-Konzentrationen werden im Gehirn gemessen, wo er als sekundärer Botenstoff und Teil von Neurotransmittern fungiert.[12] Bei Mikroorganismen wirkt Inosit als Wachstumsfaktor und wird dort als Bios I bezeichnet. In nahezu allen höheren Pflanzen tritt er als Komponente von Sphingolipiden auf. In Pilzen, Bakterien und manchen höheren Pflanzen kommt der Alkohol vorwiegend als Phytinsäure (Inositolhexaphosphorsäure) zur Phosphatspeicherung vor.[13]
myo-Inosit wird durch Hydrolyse von Phytinsäure gewonnen, die wiederum aus Maisquellwasser isolierbar ist:
Verwendung
Inosit ist im Handel als Nahrungsergänzungsmittel für Menschen oder Pferde erhältlich. Aufgrund seiner optischen Ähnlichkeit, der leichten Verfügbarkeit und des geringen Preises wird Inositpulver oft zum Strecken von Kokain oder Methamphetamin verwendet.[14] Es findet sich auch in verschiedenen Energydrinks.
Der deutsche Chemiker Johann Joseph von Scherer, ein Schüler Justus Liebigs und späterer Professor in Würzburg, isolierte Inosit aus Muskelgewebe und schlug in seiner Veröffentlichung 1850 „nach seinem ersten Fundorte“ den Namen „Inosit“ vor[17], nach dem griechischen „is“, Genitiv „inos“, für Sehne, Muskel.[18]
Nachweis
Der Nachweis von Inosit kann durch Oxidation mit Salpetersäure erfolgen, wobei Rhodizonsäure C6H2O6 entsteht, die ein charakteristisches rotes Bariumsalz bildet. Diese 1852 von Johann Josef von Scherer publizierte Reaktion[19], bei der das Molekülgerüst, der Kohlenstoffsechsring, erhalten bleibt, wird nach ihrem Entdecker auch Scherer-Reaktion genannt.[20]
Einzelnachweise
↑ abcdefDatenblatt Inosit bei Alfa Aesar, abgerufen am 17. Februar 2013 (Seite nicht mehr abrufbar).
↑Marine L. Croze, Christophe O. Soulage: Potential role and therapeutic interests of myo-inositol in metabolic diseases. In: Biochimie. Band95, Nr.10, Oktober 2013, S.1811–1827, doi:10.1016/j.biochi.2013.05.011, PMID 23764390.
↑Wissenschaft-Online-Lexika: Eintrag zu Inositole im Lexikon der Chemie, abgerufen am 4. Juni 2008.
↑ abV. Unfer, J. E. Nestler, Z. A. Kamenov, N. Prapas, F. Facchinett: Effects of Inositol(s) in Women with PCOS: A Systematic Review of Randomized Controlled Trials. In: International Journal of Endocrinology. Band2016, 2016, S.1849162, doi:10.1155/2016/1849162, PMID 27843451, PMC 5097808 (freier Volltext).
↑C. Bañuls, S. Rovira-Llopis, S. López-Doménech, S. Veses, V. M. Víctor, M. Rocha, A. Hernández-Mijares: Effect of consumption of a carob pod inositol-enriched beverage on insulin sensitivity and inflammation in middle-aged prediabetic subjects. In: Food & Function. Band7, Nr.10, Oktober 2016, S.4379–4387, doi:10.1039/c6fo01021k, PMID 27713964.
↑Johann Josef von Scherer: Ueber eine neue, aus dem Muskelfleische gewonnene Zuckerart. In: Friedrich Wöhler, Justus Liebig (Hrsg.): Annalen der Chemie und Pharmacie. Band73, Nr.3. Christian Friedrich Winter, Heidelberg 1850, S.322–328, doi:10.1002/jlac.18500730303 (hathitrust.org).
↑A.K.M. Shamsuddin, Guang-Yu Yang: Inositol & its Phosphates : basic science to practical applications. Bentham Science Publishers, Sharjah 2015, ISBN 978-1-68108-008-6 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Johann Josef von Scherer: Ueber den Inosit. In: Friedrich Wöhler, Justus Liebig, Hermann Kopp (Hrsg.): Annalen der Chemie und Pharmacie. Band81, Nr.3. Christian Friedrich Winter, Heidelberg 1852, S.375–375, doi:10.1002/jlac.18520810313 (archive.org).
↑S. J. Angyal: Inositols. Chemistry, Physiology, Pathology, Methods. In: W. H. Sebrell Jr., Robert S. Harris (Hrsg.): The Vitamins. second edition Auflage. BandIII. Academic Press, Elsevier, New York und London 1971, ISBN 978-0-12-633763-1, S.340–415, doi:10.1016/b978-0-12-633763-1.50010-5 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).