Henri Robert Ferdinand Marie Louis Philippe d’Orleans war der einzige Sohn von Jean d’Orléans, duc de Guise, und Isabelle d’Orléans, duchesse de Guise. Die politischen Aktivitäten der Orléanisten hatten dazu geführt, dass der jeweilige Thronprätendent von 1886 bis 1950 durch Gesetz aus Frankreich verbannt war. Als Henris Onkel Louis Philippe Robert d’Orléans, duc d’Orléans, der kinderlose Cousin seines Vaters und Bruder seiner Mutter, 1926 starb, wurde sein Vater zum Chef des Hauses Orléans, damit zum Thronprätendenten und musste deshalb mit seinem 18-jährigen Sohn Henri Frankreich verlassen; sie bezogen einen Exilsitz in Spanisch-Marokko. Henri galt nun als orléanistischer Dauphin. Nach dem Tod seines Vaters 1940 nahm er daher den Titel Graf von Paris, Herzog von Frankreich, an. Es handelt sich dabei um privatrechtlich benutzte Erstgeburtstitel nach dem historischen Hausgesetz des vormals regierenden französischen Königshauses der Kapetinger, die von heutigen französischen Gerichten als reine Höflichkeitstitel bezeichnet, jedoch als solche auch verwendet werden[1], und ebenso von Politik und Presse. Er erbte die Besitzungen des Hauses Orléans in Frankreich. Die Exilsitze seines Onkels, das Château de Putdael in Woluwe-Saint-Pierre bei Brüssel, und das englische Herrenhaus Wood Norton Hall, hatte die Familie bereits 1938/39 verkauft. Er erbte jedoch auch den Palazzo d'Orléans in Palermo, den sein Ururgroßvater König Louis Philippe bereits vor seiner Thronbesteigung als Exilsitz (und Geschenk seines Schwiegervaters König Ferdinand III. von Neapel und Sizilien) bewohnt hatte. Hier feierte Henri d’Orléans 1931 seine Hochzeit mit Isabelle d’Orléans-Bragance mit einem großen Ball mit 1000 Gästen.
Am 24. Juni 1950 hob die Nationalversammlung das Exilgesetz von 1886 auf, was dem Haus Orléans die Rückkehr in die französische Heimat ermöglichte. Henri d’Orléans bezog ein Stadtpalais in Paris, das ihm ein Banker vermacht hatte, und suchte im ganzen Land möglichst viele Anhänger der Monarchie hinter sich zu sammeln. Familiäre Festivitäten wurden seither mit großer Aufmerksamkeit von den französischen Medien verfolgt. Bis in die 1960er Jahre hing er der Illusion an, de Gaulle werde ihn als Nachfolger für das Amt des Staatspräsidenten vorschlagen. Ebenfalls 1950 erhielt er den Palazzo d'Orléans in Palermo zurückerstattet, den die italienische Regierung 1940 beschlagnahmt hatte; er verkaufte ihn 1953 an die Autonome Region Sizilien, deren Präsident ihn seither als Amtssitz nutzt.
Henri d’Orléans lebte in der Folge von weiteren Verkäufen von Familienbesitz. Da er elf Kinder hatte und aus seinen Liegenschaften kein hohes Einkommen bezog, gründete er nach seiner Scheidung 1974 eine Familienstiftung, die Fondation Saint-Louis[2], um die wichtigsten Familiengüter zu bündeln und vor erneuter Erbteilung zu bewahren. Dazu gehören das als Familienmuseum genutzte Schloss Amboise, die Stammburg Bourbon-l’Archambault und der Wohnsitz Schloss Dreux mit der Grabkapelle der Orléans. Der jeweilige Graf von Paris ist Ehrenvorsitzender der Stiftung. Ferner verwaltete er die Fondation Condé, ein Altenzentrum in Chantilly. Mit seinen Söhnen geriet er jedoch anschließend wiederholt in Streit wegen seines Umgangs mit dem Familienvermögen, wogegen sich die Söhne erfolgreich auf dem Rechtsweg zur Wehr setzten. Gleichwohl starb er hochverschuldet.
Im Jahr 1984 schloss Henri d’Orléans seinen ältesten Sohn Henri Philippe von der Nachfolge als Thronprätendent aus, da dieser sich ohne seine Zustimmung von seiner Frau hatte scheiden lassen und eine außerkirchliche zweite Ehe einging. Er sprach ihm den Titel des Comte de Clermont ab und verlieh ihm den rangniedrigeren Titel des Comte de Mortain. Als Nachfolger präsentierte er dessen 22-jährigen Sohn Jean. Einige Jahre später setzte er seinen Sohn wieder in dessen alte Rechte ein und verlieh seiner Frau Micaela Cousiño Quinones de Leon den Titel der Prinzessin de Joinville. Seine Söhne Michel und Thibaut schloss er von der Thronfolge aus, da sie bürgerliche Frauen heirateten. Seine Entscheidung wurde später von Henri Philippe rückgängig gemacht. Diese unterschiedlichen Entscheidungen wurden von den französischen Royalisten sehr unterschiedlich aufgenommen und beurteilt.
Nach seinem Tod wurde Henri d’Orléans am 19. Juni 1999 in der Familiengrablege in der Chapelle royale Saint-Louis in Dreux bestattet.
Jacques Jean Jaroslav Marie, Duc d'Orléans (* 25. Juni 1941, Zwillingsbruder des Vorstehenden) ⚭ Gersende de Sabran-Pontevès
Claude Marie Agnès Cathérine (* 11. Dezember 1943) ⚭ Amadeus von Savoyen, Herzog von Aosta
Jeanne Chantal Alice Clothilde Marie (* 9. Januar 1946) ⚭ François-Xavier de Sambucy de Sorgue
Thibaut Louis Denis Humbert Marie, Comte de la Marche (* 20. Januar 1948; † 23. März 1983) ⚭ Marion Gordon-Orr
Literatur
Klaus Malettke: Die Bourbonen. Band 3: Von Ludwig XVIII. bis zu Louis Philippe. 1814–1848. W. Kohlhammer, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-17-020584-0, S. 214–215.
Bruno Goyet: Henri d’Orléans, comte de Paris (1908–1999). Le prince impossible. Jacob, Paris 2001, ISBN 2-7381-0934-9.
↑Angelika Heinick, Paris: Schmuck und Memorabilia: Familienzwist im Hause Orléans. In: FAZ.NET. ISSN0174-4909 (faz.net [abgerufen am 28. Oktober 2018]).