Rosbaud war der erste große „Radio-Dirigent“. Er verstand es schon 1929 in Frankfurt, in politisch zunehmend schwierigen Zeiten, alle Chancen des neuen Mediums zu nutzen. Neben den ausgewiesenen hohen künstlerischen Qualitäten war er auch pädagogisch engagiert. So erklärte er den Radiohörern etwa die Instrumente und versuchte immer wieder, zeitgenössische Musik „sendefähig“ aufzubereiten. Uraufführungen von Hindemith, Krenek, Mieg, Penderecki, Strawinski, Veerhoff und Schönberg gehörten für ihn zu seiner Zeit ebenso zur täglichen Arbeit wie die Aufführung von Werken der Vergangenheit. Bemerkenswert war Rosbauds Zusammenarbeit mit Arnold Schönberg, aber ebenso seine Anpassungsfähigkeit an die neuen Umstände in der Zeit des Nationalsozialismus.[7]
Schallplattenaufnahmen
Obwohl Hans Rosbaud zeitlebens viele Rundfunkaufnahmen sowie auch einige kommerzielle Produktionen dirigierte, war sein Name nur selten auf Schallplatten (und dann später auf CDs) zu finden. Seine Aufnahmen entstammen fast alle der Mono-Ära und waren wegen ihrer oft kompromisslosen Strenge seinerzeit nur bei wenigen Kennern beliebt. Auch wurden Aufnahmen der jeweiligen Rundfunkorchester meist nur im jeweiligen Sendebereich gesendet und gelegentlich im Bereich der ARD ausgetauscht, aber auf Tonträgern erschienen nur wenige. Die Rundfunkanstalten produzierten noch lange ausschließlich in Mono und waren für die damals neuartige Stereophonie wegen der strengen Monokompatibilitäts-Vorgaben nicht zu interessieren.
Seit einigen Jahren werden diese Rundfunkproduktionen jedoch gut „remastered“ auf CD angeboten und haben für viel Erstaunen gesorgt. Nach dem Abebben der HiFi-Stereo-Manie ist man überrascht, wie gut manche Monoaufnahmen der 50er und 60er Jahre ausgesteuert wurden und wie klar sie klingen.
Rosbauds breit gefächertes Repertoires erstaunt, denn er galt – sehr zu seinem Missfallen – immer als Spezialist für moderne Musik. Besonders die Aufnahmen der Bruckner-Sinfonien haben die Musikwelt verblüfft. (Die 1. Sinfonie konnte er krankheitsbedingt nicht mehr aufnehmen.)
Seine Aufbauarbeit im eher beschaulichen Baden-Baden kann man mit der Leistung von George Szell im seinerzeit ebenfalls wenig bekannten Cleveland vergleichen.
Trivia
Hans Rosbaud galt stets als verbindlicher, im Ton höflicher, aber sehr strenger Dirigent. Richard Boeck, Konrektor und langjähriger Leiter der Kapellmeisterklasse am Richard-Strauss-Konservatorium in München, war in der Ära Rosbaud ebenfalls im Elsass (Straßburg, Colmar und Mühlhausen) als Dirigent tätig. Gelegentlich erzählte er den Studenten eine kleine Anekdote: „Nach der Pause, während einer Orchesterprobe, konnte der Flötist keinen Ton mehr aus der Flöte herausbringen. Seine Kollegen hatten ihm eine Papierkugel in das Kopfstück getan. Er bemerkte dann endlich – nach einiger Verzweiflung – den Schabernack seiner Kollegen. ‚Da hat sogar der gestrenge Herr Rosbaud gelächelt.‘“ Auch war Rosbaud so feinfühlig, mit denjenigen Musikern des Straßburger Orchesters, die Franzosen waren und kein Deutsch sprachen, in den Proben französisch zu reden. (Neben seiner Muttersprache Deutsch sprach er Französisch, Italienisch, Englisch und Russisch. Auch beherrschte er Altgriechisch und Latein.)
Joan Evans: Hans Rosbaud: A Bio-Bibliography. Foreword by Pierre Boulez, New York / Westport, Connecticut / London: Greenwood Press 1992, 298 Seiten
Joan Evans: Im Zeichen von Hans Rosbaud 1948-1962, in: Jürg Stenzl (Hg.): Orchester Kultur. Variationen über ein halbes Jahrhundert. Aus Anlaß des 50. Geburtstages des SWF-Sinfonierorchesters, Stuttgart / Weimar: J. B. Metzler 1996, 17–26
Klaus Schweizer: Hans Rosbaud: der 'getreue Korrepetitor' und sein CD-Erbe, in: Jürg Stenzl (Hg.): Orchester Kultur. Variationen über ein halbes Jahrhundert. Aus Anlaß des 50. Geburtstages des SWF-Sinfonierorchesters, Stuttgart / Weimar: J. B. Metzler 1996, 61–69