1966 debütierte er als Wagner-Dirigent mit dem Parsifal bei den Bayreuther Festspielen. Dabei wandte er sich von der Tradition schleppender Tempi ab;[1] seine Aufführung 1967 war diejenige mit der kürzesten Spieldauer für dieses Werk in Bayreuth. Ebenfalls dort dirigierte er 1976 den Ring des Nibelungen in der zunächst umstrittenen und später überwiegend gelobten Inszenierung von Patrice Chéreau. Diese Inszenierung anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Bayreuther Festspiele wurde als Jahrhundertring bezeichnet.
Ab den 1990er Jahren arbeitete Boulez als Dirigent in Konzerten und CD-Einspielungen überwiegend mit führenden Traditionsorchestern zusammen, unter anderem den Berliner Philharmonikern und den Wiener Philharmonikern. 2004 kehrte er als Dirigent des Parsifal (Inszenierung: Christoph Schlingensief) nach Bayreuth zurück.
Pierre Boulez lebte seit Anfang der 1960er Jahre im baden-württembergischen Baden-Baden, wo er 2016 im Alter von 90 Jahren starb.[2] Die Stadt verlieh ihm 2004 die Goldene Ehrenmedaille und 2015 die Ehrenbürgerschaft. Boulez wurde am 13. Januar 2016 auf dem Hauptfriedhof Baden-Baden beigesetzt.[3] Eine offizielle Trauerfeier fand unter Anwesenheit des französischen Premierministers Manuel Valls und zahlreicher Persönlichkeiten des politischen und kulturellen Lebens Frankreichs am Folgetag in der Kirche Saint-Sulpice in Paris statt.[4]
Musik
Neben Karlheinz Stockhausen und Luigi Nono gehörte Pierre Boulez ab Mitte der 1950er Jahre zu den herausragenden Vertretern der musikalischen Avantgarde, speziell der seriellen Musik. In seinen Kompositionen verband Boulez Rationalität und Logik mit den poetischen Traditionen der französischen Musik, insbesondere des Impressionismus. Seine erste Schaffensphase war von einer äußerst kritischen Einstellung zum eigenen Werk wie zu den Kompositionen anderer geprägt. So störte er mehrfach mit Gleichgesinnten Aufführungen konservativerer Kollegen und zog zahlreiche Frühwerke wieder zurück. Aber auch später überarbeitete er seine älteren Werke immer wieder, so dass sie kaum endgültige Form erreichten, sondern immer nur Stufen eines kompositorischen Entwicklungsprozesses darstellten.
Musikdenken heute 1. Vortrag, übersetzt von Josef Häusler (= Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik, Band 5). Schott, Mainz 1963.
Sprengt die Opernhäuser in die Luft! In: Der Spiegel. Nr.40, 1967, S.166–174 (online – Gespräch mit den Spiegel-Redakteuren Felix Schmidt und Jürgen Hohmeyer).
Anhaltspunkte. 32 Texte und Essays 1948–1974 geschrieben, übersetzt von Josef Häusler. Belser, Zürich 1975, ISBN 3-7630-9016-9; Bärenreiter/dtv, Kassel 1979.
Werkstatt-Texte. 19 Texte 1948–1963 geschrieben, übersetzt von Josef Häusler. Ullstein/Propyläen, Berlin 1972.
Wille und Zufall. Gespräche mit Célestin Deliège und Hans Mayer. Übersetzt von Josef Häusler und Hans Mayer. Belser, Stuttgart 1977, ISBN 3-7630-9024-X.
Musikdenken heute 2. Vortrag, 1963 gehalten, übersetzt von Josef Häusler (= Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik, Bd. 6). Schott, Mainz 1985.
Jean-Jaques Nattiez (Hrsg.): Pierre Boulez – John Cage. Correspondance et Documents. (= Veröffentlichungen der Paul Sacher Stiftung, Bd. 1.), 48 Briefe und Dokumente 1949–1954. Amadeus, Winterthur 1990.
Deutsche Erstausgabe: Dear Pierre – cher John. Pierre Boulez und John Cage – der Briefwechsel. Hamburg 1997, ISBN 3-434-50098-7 (Übersetzung: Bettina Schäfer und Katharina Matthewes).
Leitlinien. Gedankengänge eines Komponisten. 11 Vorträge 1976–1988. Übersetzt von Josef Häusler. Bärenreiter/Metzler, Kassel 2000, ISBN 3-7618-2009-7.
Boulez on Conducting. Conversations with Cécile Gilly. Faber & Faber, London 2003.
Martin Demmler: Komponisten des 20. Jahrhunderts. Reclam, Stuttgart 1999, ISBN 3-15-010447-5, S. 46–51.
Jean-Noel von der Weid: Die Musik des 20. Jahrhunderts. Insel-Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig 2001, ISBN 3-458-17068-5, S. 272–296.
Martin Grabow: Erfindung Recycling Neukomposition. Untersuchungen zur inneren Verflochtenheit des Lebenswerks von Pierre Boulez am Beispiel der notations. Olms Verlag, Hildesheim 2016, ISBN 978-3-487-15366-7
Martin Zenck: Pierre Boulez: Die Partitur der Geste und das Theater der Avantgarde. Wilhelm Fink, Paderborn 2017, ISBN 978-3-7705-5998-5
↑Académicien décédé: Pierre Boulez. Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique, abgerufen am 16. August 2023 (französisch).