Hans Heinrich Ehrler stammte aus einer alten württemberg-fränkischenHandwerkerfamilie. Sein Vater, der Wachszieher und Lebzelter Johann Michael Ehrler dichtete Knittelverse und war in Wien mit Johann Strauss befreundet. Sein Geburtshaus ist das ehemalige Kanzlerhaus am Oberen Markt in Bad Mergentheim, der ihm zu Ehren in Hans-Heinrich-Ehrler-Platz umbenannt wurde. Seine Mutter Margaretha starb bereits 1877.
Als Kind wollte Hans Heinrich Ehrler in den geistlichen Stand eintreten und besuchte nach der Volksschule die Königliche Lateinschule Ingolstadt und das Gymnasium der Königlichen Studien-Anstalt Landshut (heute Hans-Carossa-Gymnasium Landshut), zu dessen Schülern auch Hans Carossa und Ludwig Thoma gehörten. Nachdem es aber mit 18 Jahren in ihm rebellierte, holte ihn sein Vater zurück nach Bad Mergentheim an die Mergentheimer Lateinschule. Da zu dieser Zeit der Abschluss dort jedoch nicht zum Reifezeugnis führte, machte Ehrler sein Abitur dann 1892 in Ellwangen.[1] Bereits in seiner Schulzeit unternahm er lyrische Versuche.
Bevor er sich als freier Schriftsteller ganz dem Schreiben widmete, arbeitete er als Redakteur in Köln, Stuttgart, Heilbronn, Konstanz und Karlsruhe. Ab 1902 war er für zwei Jahrzehnte fester freier Mitarbeiter der Frankfurter Zeitung. Seine 1904 geschlossene Ehe mit Melanie (geb. Frommherz) blieb kinderlos. Der Tierbuch-Autor Paul Eipper, Ehemann von Melanies Schwester Emmy, war sein Schwager. 1911 veröffentlichte Ehrler im Albert Langen Verlag seinen ersten Erzählband Briefe vom Land und ließ sich in Friedrichshafen am geliebten Bodensee nieder. 1913 zog das Ehepaar in das Stadtgebiet von Freiburg im Breisgau, dann in den Vorort Littenweiler.
Während des Ersten Weltkriegs arbeitete Ehrler zunächst bei der Militärzensur, danach wurde er als Korrespondent der Militärverwaltung nach Stuttgart dienstverpflichtet. Umfangreiche kriegspropagandistische Artikelserien hat er in der Frankfurter Zeitung und in der Kriegszeitung der 7. Armee veröffentlicht. Er litt unter dem Krieg und als patriotisch gesinnter Deutscher unter der Niederlage. „Die Republik erkannte Ehrler an, die Revolution war ihm verhaßt. So holte er am 9. Januar 1919, dem Entscheidungstag gegen Spartakus, die rote Fahne von der Altane des Stuttgarter Rathauses und steckte die württembergische auf, weil Schwarzrotgold im ganzen Rathaus nicht aufzutreiben war.“[2] In den Jahren 1919 und 1920 war Ehrler Mitherausgeber der Zeitschrift Der Schwäbische Bund.
Erschüttert durch den Krieg zog sich Hans Heinrich Ehrler eine Zeit lang in das ehemalige ZisterzienserklosterMaulbronn zurück. Diese Zeit beschrieb er in seinem Buch Briefe aus meinem Kloster. In seinem 1925 erschienenen Roman Wolfgang: Das Jahr eines Jünglings verarbeitete Ehrler die Kriegszeit und er wurde damit in der Jugendbewegung wahrgenommen. Große Erfolge bei den Lesern blieben aber zeitlebens aus, auch wenn der Autor 1928 für den Gedichtband Gesicht und Antlitz den Literaturpreis des Württembergischen Goethebundes erhielt und 1930 auf Betreiben von Wilhelm Stapel in den damals einflussreichen Langen Müller Verlag aufgenommen wurde. 1926 zog Ehrler dann endgültig nach Waldenbuch im Waldgebiet des Schönbuch südlich von Stuttgart, wo er bis zu seinem Tod mit seiner Frau lebte.
Als Student in München war Ehrler ein Anhänger Bismarcks gewesen. Danach stand er der liberalen Demokratischen Volkspartei nahe. Aber in der Katastrophe des Ersten Weltkrieges sah Ehrler eine Folge der sittlichen Verwahrlosung Deutschlands und so wandte er sich, nach anfänglicher Ablehnung wie in seiner Stuttgarter Rede zur Verfassungsfeier 1932, dem Nationalsozialismus zu. Am 14. Juni 1937 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 4.693.439).[3][4] Er war mit seinem Beitrag Wenn sich Abgrunds Geister regen in der Gedicht-AnthologieDem Führer vertreten, die Adolf Hitler zu dessen fünfzigstem Geburtstag 1938 überreicht wurde.[5] Im gleichen Jahr erhielt Ehrler für sein Gesamtschaffen den sogenannten Schwäbischen Dichterpreis, einen 1935 von dem nationalsozialistischen württembergischen Ministerpräsidenten und Kultusminister Christian Mergenthaler gestifteten NS-Literaturpreis, außerdem einen lebenslangen staatlichen Ehrensold in Höhe von 2000 Reichsmark (nach der Währungsreform 2000 DM). Nach Kriegsende musste er sich unter anderem wegen seiner zahlreichen Beiträge im Stuttgarter NS-Kurier einem Entnazifizierungsverfahren stellen,[6] Rechenschaft über sein Verhältnis zum Dritten Reich legte er in seiner Nachlassschrift Das Buch der Verantwortung ab. Eine Anekdote erzählt, auf einem Treffen der Mitglieder der Reichsschrifttumskammer habe der eigentlich eher unpolitisch gesinnte Dichter für einen Eklat gesorgt, als er dem Reichspropagandaminister Joseph Goebbels auf die Schulter schlug und zu ihm sagte: „Die mag i fei bloß halbe.“[7] Ehrler begann zu trinken – nicht übermäßig, aber dennoch regelmäßig. Er begab sich in die Innere Emigration. Nach 1945 wurde es still um ihn, „er war vollends ein Unzeitgemäßer geworden.“[8] Wie in den völkisch-nationalsozialistischen Literaturgeschichten[9] galt er gleichwohl auch noch in germanistischen Standardwerken der frühen Bundesrepublik als überzeitlich bedeutender Dichter.[10]
1955, vier Jahre nach seinem Tod und seiner Beisetzung in Waldenbuch, wurde der Leichnam des „Heimatdichters“ Hans Heinrich Ehrler in seine Heimatstadt Bad Mergentheim, die er zeit seines Lebens regelmäßig zur Kur besucht hatte, auf den Friedhof St. Michael überführt.
Frauen und Mädchen. Thomas-Verlag, Kempen-Niederrhein 1948 (Erzählungen).
Unsre Uhr hat einen Zauberschlag: Gedichte. Wunderlich, Tübingen / Stuttgart 1950.
Wanderer und Pilger: Erzählungen. Bonifacius-Druckerei, Paderborn 1950.
Gedichte: Für die Gesellschaft der Freunde. Verlag der Gesellschaft der Freunde von Hans Heinrich Ehrler, Tübingen 1951.
Das Unvergängliche: Gedichte. Pallotti-Verlag, Friedberg bei Augsburg 1955 (ausgew. Von Erwin K. Münz).
Das Kloster Maulbronn: Beschrieben von Hans Heinrich Ehrler / Abgebildet von Arnold Petersen. Bartmann-Verlag, Frechen 1964
Aus der Heimat in die Heimat. Zehnder, Bad Mergentheim 1991.
Literatur
Langenbucher, Hellmuth: Hans Heinrich Ehrler. In: Württemberg. Monatsschrift im Dienste von Volk und Heimat. 1932, S. 323–327.
Theo Gundling: Hans Heinrich Ehrler, Herkunft und Werk, in: Württembergische Schulwarte. 15. Jahrgang 1939, S. 296–310.
Henriette Herbert: Hans Heinrich Ehrler: Versuch einer Wesensschau. Erich Wewel Verlag, Krailing vor München 1942.
Willi Habermann (Hrsg.): Als wär’s ein Stück von ihm. Volkshochschule Bad Mergentheim, Bad Mergentheim 1972. (Mit Texten von Carlheinz Gräter, Theo Gundling, Willi Habermann, Gottlob Haag und Alois Keck).
Hans Dieter Haller: Hans Heinrich Ehrler (1872 bis 1951) in: Pegasus auf dem Land. Schriftsteller in Hohenlohe. Baier-Verlag, Crailsheim 2006, ISBN 978-3-929233-62-9.
Stefan Keppler: Literarische Regionalität und heimliche Literaturgeschichte. Zum Beispiel Hans Heinrich Ehrler – vom Kaiserreich in die innere Emigration. In: Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik. Nr. 423, S. 375–391. Heinz, Stuttgart 2004/2005, ISBN 3-88099-428-5.
Stefan Keppler-Tasaki: Hans Heinrich Ehrler (1872–1951). Biografie eines Abendländers. Böhlau Verlag, Köln 2018, ISBN 978-3-412-51107-4.
Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert. Biographisches-bibliographisches Handbuch. Hrsg. von Konrad Feilchenfeld Bd. 7. K G Saur Verlag, Zürich-München 2005. ISBN 3-908255-07-4, Sp. 241 f. (online als Vorschau bei Google Books).
Einzelnachweise
↑Willi Habermann (Hrsg.): Als wär’s ein Stück von ihm. Volkshochschule Bad Mergentheim, Bad Mergentheim 1972, S. 13.
↑Willi Habermann (Hrsg.): Als wär’s ein Stück von ihm. Volkshochschule Bad Mergentheim, Bad Mergentheim 1972, S. 16.
↑Willi Habermann (Hrsg.): Als wär’s ein Stück von ihm. Volkshochschule Bad Mergentheim, Bad Mergentheim 1972, S. 73
↑Willi Habermann (Hrsg.): Als wär’s ein Stück von ihm. Volkshochschule Bad Mergentheim, Bad Mergentheim 1972, S. 18
↑Hellmuth Langenbucher: Volkhafte Dichtung der Zeit. Aufl. Berlin 1941, S. 365–367.
↑Fritz Martini: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 2. Aufl. Stuttgart 1950, S. 562–563.
↑(Personenkreises um Ehrler) Zeugnis von Hermann Pongs: Der Geburtstag des Dichters [1937]. In: Bernhard Zeller (Hrsg.): Klassiker in finsteren Zeiten 1933-1945. Marbach 1983, Band 2, S. 186–189.