Hannelore Hoger

Hannelore Hoger, 2005
Autogramm Hannelore Hoger deutsche Schauspielerin
Autogramm Hannelore Hoger deutsche Schauspielerin

Hannelore Erika Hoger (* 20. August 1939 in Hamburg; † 21. Dezember 2024 ebenda) war eine deutsche Schauspielerin, Theaterregisseurin sowie Hörbuch- und Hörspielsprecherin. Sie wurde durch ihre Zusammenarbeit mit dem Regisseur Alexander Kluge und ihre Darstellung sowohl resoluter als auch mitfühlender Figuren wie der Fernsehkommissarin Bella Block, die sie von 1994 bis 2018 im ZDF spielte, und der Privatdetektivin Charlotte Burg, die sie 1996 und 1997 in der 27-teiligen Krimiserie Die Drei verkörperte, bekannt.

Herkunft und Ausbildung

Hannelore Hoger wurde 1939[1] in Hamburg als Tochter von Leo Hoger, einem Schauspieler und Inspizienten am Ohnsorg-Theater, und dessen Ehefrau, einer Schneiderin, geboren.[2] Mit vierzehn Jahren bekam sie am Theater ihres Vaters ihre erste größere Rolle, ein Jahr später stand ihr Entschluss fest, Schauspielerin zu werden.[3] Einen häufig erwähnten ersten Bühnenauftritt im Alter von fünf Jahren bezeichnete Hoger in einem Interview als ein „Gerücht“.[4] Hoger hatte zwei Schwestern und einen Bruder.

1958 begann sie eine Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg.[2] Von 1961 an stand sie in Ulm, Bremen, Stuttgart, Köln und Berlin auf der Bühne, von 1981 bis 1985 in Hamburg. Dort wurde ihre Zusammenarbeit mit Augusto Fernandes zu einer prägenden Erfahrung. Einige Male nahm sie Unterricht bei Lee Strasberg. Besonders bekannt wurde sie durch ihre Arbeiten unter Intendant Kurt Hübner am Ulmer Theater und am Bremer Theater am Goetheplatz. Hervorzuheben ist auch ihre Zusammenarbeit mit dem Regisseur Peter Zadek, mit dem sie 1972 an das Schauspielhaus Bochum wechselte.

Karriere

Von Hannelore Hoger signierte Buchseite ihrer Autobiographie Ohne Liebe trauern die Sterne (Februar 2018)

Film und Fernsehen

Ihr Filmdebüt gab Hoger 1965 unter der Regie von Peter Beauvais in der Hauptrolle der Beatie Bryant in Tag für Tag. Sie arbeitete wiederholt mit dem Regisseur und Produzenten Alexander Kluge zusammen, der in seiner experimentellen Filmästhetik von den Schriften der Frankfurter Schule beeinflusst war, so in Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos (1968), Der große Verhau (1970), Willi Tobler und der Untergang der 6. Flotte (1972), Deutschland im Herbst (1977), Die Patriotin (1979) und Die Macht der Gefühle (1983). In Produktionen weiterer Regisseure des Neuen Deutschen Films trat Hoger in tragenden Rollen auf, unter anderem in Spielfilmen von Helma Sanders-Brahms (Heinrich, 1977, über das Leben des Schriftstellers Heinrich von Kleist) sowie von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta (Die verlorene Ehre der Katharina Blum, 1975, nach dem gleichnamigen Roman von Heinrich Böll).

Auch später wirkte Hoger noch in zahlreichen Kinofilmen mit, u. a. 1997 in Helmut Dietls Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief, in dem sie an der Seite von Mario Adorf ihr komödiantisches Talent als Klatschreporterin Charlotte zeigte, und 2015 in Oskar Roehlers Tod den Hippies!! Es lebe der Punk als Mutter Gisela des von Tom Schilling dargestellten Robert Rother.

Einem breiten Publikumä wurde Hoger in der Rolle der resoluten, aber auch mitfühlenden Kriminalhauptkommissarin Bella Block bekannt, die sie von 1994 bis 2018 spielte.[5] Von 1996 bis 1997 übernahm sie in der 27-teiligen TV-Krimiserie Die Drei eine weitere Serienhauptrolle als Privatdetektivin Charlotte Burg.

Im Fernsehen war Hoger außerdem in der Rolle der Filmregisseurin Antonia Brückner an der Seite von Lisa Martinek, Christoph Waltz und Liselotte Pulver in Stephan Meyers Fernsehremake Die Zürcher Verlobung – Drehbuch zur Liebe (2007) zu sehen. 2008 spielte sie in dem Märchenfilm Das tapfere Schneiderlein die Rolle der Pflaumenmusbäuerin. 2009 besetzte sie Rainer Kaufmann in seinem Spielfilm Ellas Geheimnis in der Titelrolle. 2014 verkörperte sie die an vaskulärer Demenz erkrankte Lisbeth Diercksen in der Tragikomödie Nichts für Feiglinge. In Richard Hubers Tragikomödie Lang lebe die Königin (2019/20) übernahm Hoger gemeinsam mit Gisela Schneeberger, Judy Winter, Iris Berben und Eva Mattes für ihre während der Dreharbeiten gestorbene Kollegin Hannelore Elsner die Szenen, die diese selbst nicht mehr drehen konnte.[6]

„Sie war mehr als eine brillante Schauspielerin, sie war auch das Spiegelbild der unzähligen Situationen, in denen sie auftrat, nicht nur in ihren Filmen, Theaterrollen und Fernsehstücken. Ihre Nervosität, ihre permanent wechselnde Selbstwahrnehmung, ihre Widersprüchlichkeit und ihre vibrierende Präsenz lassen sich nicht beschreiben. Wenn man sagt, ein großer Schauspieler sei an seiner Wandlungsfähigkeit zu erkennen, dann trifft auf die Hoger das Gegenteil zu. Nicht sie wandelte sich in der Zusammenarbeit mit einem Regisseur, sondern dieser wurde durch sie verwandelt. Alle ihre Geschichten nahmen das Blut von Hannelore Hoger in sich auf. Es war immer sie, Hannelore Hoger, die mit ihren leuchtenden Augen in ihre Rollen sprang. […] Mit der Hoger verliert der deutsche Film einen Glücksstern.“

Edgar Reitz: Nachruf[7]

Theaterregie

Ab den 1980er Jahren inszenierte Hoger auch Theaterstücke, darunter Franz Xaver KroetzStallerhof am Schauspielhaus Bochum, 1986 Friedrich Hebbels Maria Magdalena am Staatstheater Darmstadt, Thomas Bernhards Am Ziel und 1989 Frank Wedekinds Frühlings Erwachen am Theater in der Josefstadt in Wien.

„Sie ist rigide selbstbewußt, wohl nur schwer zu haben fürs weniger Attraktive (was sie, die sich als Ensemblespielerin versteht, heftig bestreitet), sie gilt als ‚schwierig‘, eine intelligente Diva. […] Als Schauspielerin ist die Hoger eine Entdeckerin, Verführerin, deren wache Neugier auf Figuren ansteckt. Anstiftet. […] Sie blieb als Regisseurin die erfindungsfreudige Beobachterin, die neugierige Entdeckerin, die sie als Schauspielerin war und ist, eine Phantasie freisetzende, anspornende Virtuosin des Schauspiel(er)handwerks.“

Eckhard Franke: Theater heute[8]

Weitere Auftritte

Ab 1990 spielte sie gemeinsam mit dem Schauspieler Dietmar Mues und dem Pianisten und Sänger Joachim Kuntzsch in unregelmäßigen Abständen in verschiedenen Städten das Programm Außen rot und innen … Ein Tucholsky-Abend, in dem drei Texte des Satirikers Kurt Tucholsky schauspielerisch aufbereitet wurden.

Ab Sommer 2005 trat sie mit ihrer Tochter Nina Hoger und dem Ensemble Noisten auf. Gelegentlich trat Hannelore Hoger auch mit ihrem früheren Lebenspartner, dem Pianisten Siegfried Gerlich, in verschiedenen Programmen auf.

Soziales Engagement

Ihre Popularität stellte Hoger in den Dienst sozialer Anliegen, etwa die Kampagne des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „Hinsehen. Handeln. Helfen!“ gegen sexuelle Gewalt an Kindern[9] von April 2004 bis Februar 2005. Hoger beteiligte sich 2003 auch an einer Aufklärungskampagne der Stiftung Deutsche Krebshilfe für ein frühzeitiges Mammographie-Screening gegen Brustkrebs. In ihrem Kommentar zum Jahreswechsel 2001/2002 wies sie darauf hin, dass die globale Marktwirtschaft täglich 24.000 Menschen das Leben koste.[10] Seit 2007 war sie Schirmherrin der Kampagne „Jede Oma zählt“ der Hilfsorganisation Helpage Deutschland, mit der Unterstützer für Hilfsprojekte zu Gunsten alter Menschen in Entwicklungsländern gesucht werden.[11]

Privates

Die Schauspielerin Nina Hoger stammt aus Hogers Beziehung mit dem Schauspieler Norbert Ecker. Hannelore Hoger war viele Jahre mit dem Schriftsteller und Filmemacher Alexander Kluge und von 1999 bis 2006 mit dem Philosophen, Schriftsteller und Pianisten Siegfried Gerlich liiert.[12] Sie starb im Dezember 2024 im Alter von 85 Jahren in ihrer Heimatstadt Hamburg.[13]

Filmografie

Kino

Fernsehen

Fernsehfilme

Fernsehserien und -reihen

Hörspiele

  • 1969: Anne Dorn: Lauter Luder – Regie: Hartmut Kirste (Hörspiel – SWF)
  • 1997: Donna Leon: Venezianisches Finale – Regie: Hans Gerd Krogmann (Zweiteiliges Hörspiel – SDR/DLR/WDR)
  • 2018: Die jungen Detektive Folge 4: Hannelore Lieblich – Regie: Laura Clever (Clever Production)

Hörbücher (Auswahl)

Auszeichnungen

Hoger bei der Einweihung ihres Sternes auf dem Boulevard der Stars in Berlin (2012)

Dokumentationen

  • Gero von Boehm begegnet: Hannelore Hoger. Deutschland, Gespräch, 2005, 45 Min., Produktion: 3sat, Erstsendung: 14. August 2005, von 3sat
  • Abgeschminkt: Hannelore Hoger. Dokumentation, Deutschland, 2002, 15 Min., Buch und Regie: Johanna Schickentanz, vom ZDFtheaterkanal
  • Hannelore Hoger – höchstpersönlich! Dokumentation, Deutschland, 1997, 30 Min., Regie: Christa Auch-Schwelk, Produktion: Radio Bremen, Erstsendung: 4. Juli 1997, von Radio Bremen

Autobiografie

  • Ohne Liebe trauern die Sterne. Bilder aus meinem Leben. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2017, ISBN 978-3-498-03034-6.

Literatur

Commons: Hannelore Hoger – Sammlung von Bildern

Interviews

  • Michael Hanfeld: Hannelorer Hoger als „Bella Block“: Am liebsten würde sie die Verbrechen verhindern. In: FAZ.net. 14. Januar 2006, archiviert vom Original am 3. Juni 2012; (Interview mit Hoger und Doris Gercke).
  • Irene Bazinger: Im Gespräch: Hannelore Hoger: Warum sind die Schwierigen einfach, Frau Hoger? In: FAZ.net. 23. April 2010, archiviert vom Original am 12. Dezember 2013;.

Einzelnachweise

  1. Traueranzeige Hannelore Hoger In: Hamburger Abendblatt, 4. Januar 2025.
  2. a b Hannelore Hoger im Munzinger-Archiv, abgerufen am 27. Dezember 2024 (Artikelanfang frei abrufbar)
  3. Interview in: FAZ, 14. Januar 2006.
  4. Jörg Michael Seewald: Hannelore Hoger im Gespräch: Ich stehe auf der Erde, dies ist mein Standpunkt. In: FAZ, 2. November 2013.
  5. Hannelore Hoger im Interview, unikosmos.de, 1. Februar 2005.
    Als Bella Block beeindrucken Sie durch eine resolute Persönlichkeit, durch Stärke und manchmal auch Härte.
    „Ja, das stimmt. Ich beeindrucke natürlich auch durch meine Weichheit und mitfühlende Art.“
  6. Hannelore Elsners letzter Film wird vollendet (Memento vom 25. März 2022 im Internet Archive), 29. April 2020, daserste.de.
  7. Edgar Reitz: ZUM TOD VON HANNELORE HOGER. In: HEIMAT-Fanpage.de. 28. Dezember 2024, abgerufen am 30. Dezember 2024.
  8. Theater heute, Jahrbuch 1988, S. 103–110
  9. „Hinsehen. Handeln. Helfen!“ (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive), BMFSFJ, 2004
  10. Hoger zitiert von Matthias Horx ohne Quellenangabe in: Brand eins, April 2003, S. 42, online (Memento vom 15. Dezember 2013 im Internet Archive)
  11. https://www.helpage.de/ueber-helpage/meilensteine
  12. Peter Lückemeier: Herzblatt-Geschichten. In: FAZ, 12. November 2006
  13. Traueranzeige Hannelore Hoger In: Hamburger Abendblatt, 4. Januar 2025.
  14. „Liebestod“. Bella Block Archiv Folge 2 (Memento vom 11. Mai 2004 im Internet Archive), ZDF
  15. ZDF-Pressemitteilung / Robert Geisendörfer-Preis für "Hat er Arbeit?" und Sonderpreis für Hannelore Hoger / ZDF-Fernsehfilm der Woche und Schauspielerin der "Bella Block" ausgezeichnet. 16. Mai 2002, abgerufen am 27. Dezember 2024.
  16. Grimme-Institut: Besondere Ehrung für Hannelore Hoger (Memento vom 17. April 2012 im Internet Archive), abgerufen am 4. November 2013
  17. MOPO Redaktion, picture alliance/dpa: „Bella Block“: Hamburger Schauspielerin Hannelore Hoger mit Preis ausgezeichnet. In: MOPO. 11. Juli 2020, abgerufen am 27. Dezember 2024.