Bis zur Kubanischen Revolution war der Clan auch in Havanna auf Kuba tätig. Diese territorialen Ausdehnungen führten zu Überschneidungen, welche diverse Auseinandersetzungen mit anderen Cosa-Nostra-Familien aus New York und dem Chicago Outfit provozierten und damit unvermeidbar Thema zwischen den Bossen im National Crime Syndicate waren.
Es gab auch immer eine Verbindung zur originären Mafia (Cosa Nostra) nach Sizilien und die Zusammenarbeit mit anderen kriminellen Vereinigungen und verbrecherischen Organisationen. So war zum Beispiel die „French Connection“ in den 1960er und 1970er Jahren eine regelrechte logistische Kette des Drogenhandels unterschiedlicher nationaler Verbrecherbanden, die über den Nahen Osten, Sizilien, Marseille in die Vereinigten Staaten auch zur Genovese-Familie führte, die wiederum die Verteilung an den Endkonsumenten über Kleindealer den jeweiligen Straßengangs vor Ort überließ.
Geschichte
Ursprünge
Die Geschichte der später als „Genovese-Familie“ klassifizierten Gruppe geht bis 1890 zurück, als Ignazio „Lupo the Wolf“ Saietta, aus Sizilien kommend, in New York City eintraf. Dessen Black Hand Gang arbeitete mit den sizilianischen Emigranten zusammen, die sich insbesondere bereits unter Antonio Morello zu einer Bande zusammengeschlossen hatten. Zusammen begründeten sie einen umfangreichen Falschgeldring in Manhattan, was allerdings dazu führte, dass u. a. Saietta und Peter Morello 1910 ins Gefängnis mussten.
Unter Nicholas „Nick“ Morello entstand dann die heute als typisch geltende Struktur, wie sie noch heute für die US-amerikanische Cosa Nostra gilt.
Nick Morello wurde 1916 in einem Straßencafé ermordet; vermutlich während eines Treffens mit dem rivalisierenden Gangboss Pellegrino Morano, um den Krieg zwischen den Sizilianern (Mafia) und der Camorra friedlich zu beenden. Auf Grund der Verhaftung und Ausweisung Moranos wurde seine Gruppe durch den Sizilianer Salvatore D’Aquila übernommen, der als Begründer des später als „Gambino-Familie“ klassifizierten Mafia-Clans gelten kann. Morellos Leute schlossen sich Ciro Terranova bzw. seinem Bruder Peter Morello an, allerdings verloren beide mit dem Aufstieg von Joe Masseria an Bedeutung.
Ciro Terranova, der in den 1920er Jahren als Capo unter Joe Masseria diente, galt nach dessen Ermordung als derartig demotiviert, dass ihn sogar die Polizei aus den Akten entfernte. Peter Morello wurde am 15. August 1930 erschossen, ein Umstand, der heute als Beginn der blutigen Auseinandersetzung, welche als Krieg von Castellammare bezeichnet wurde, gesehen wird.
Krieg von Castellammare
Die Ermordung von Joe Masseria im April des Jahres 1931 stellt den Schlusspunkt des sogenannten Krieges von Castellammare von 1930 bis 1931 dar. Nach dieser Auseinandersetzung formte sich die US-amerikanische Mafia insbesondere in New York City zu der im Prinzip noch heute gültigen Form der fünf Familien, die später als Bonanno, Colombo, Gambino, Lucchese und Genovese klassifiziert wurden.
Die Auseinandersetzung hatte begonnen, als Salvatore Maranzano, aus Sizilien kommend, begann, auf das Gebiet von Joe Masseria vorzudringen. Eigentlich ein riskantes Vorgehen, denn durch die Ermordung von Salvatore D’Aquila im Jahr 1928 stand Alfred Mineo von der Gambino-Familie (auch als Mineo-Familie bekannt) Masseria als wichtiger Verbündeter zur Seite. Als dieser und sein ‚Leutnant‘ Steve Ferrigno am 5. November 1930 erschossen wurden, hatte sich das Blatt gewendet.
Eine ganze Reihe der „Mustache Petes“ waren mehr oder minder gewaltsam ausgeschieden, ermordet oder kaltgestellt worden. Ein großes Massaker, wie es von dem Killer „Bo“ Weinberg später postuliert worden war, hatte es jedoch nicht gegeben. Als Salvatore Maranzano offenbar anstrebte, sich als Oberhaupt über alle Fünf Familien zu stellen („capo di tutti i capi“), wurde auch er am 10. September 1931 unter der Beteiligung von „Bo“ ermordet.
Eine neue Generation von Mafiosi war an die Macht gekommen und sah sich bald vor das Problem gestellt, neue lukrative Geschäftsfelder zu erschließen, nachdem die Prohibition, die den Clans seit der Einführung im Januar 1920 zum Aufstieg verholfen hatte, im Dezember 1933 beendet wurde.
Das neue Oberhaupt der Familie wurde Lucky Luciano, welcher maßgeblichen Einfluss auf den Ausgang der Auseinandersetzung genommen hatte. Zu seinen besten Leuten gehörten die späteren Bosse Frank Costello und Vito Genovese, und zusammen führten sie nun die größte und mitgliederstärkste Familie in New York City an.
Frank Costello
Formal gesehen war die Amtszeit von Luciano nur kurz, da es Thomas E. Dewey 1936 gelang, Luciano wegen Prostitution zu 30–50 Jahren Haft verurteilen zu lassen. Allerdings leitete er weiterhin aus dem Gefängnis die Aktivitäten, und Frank Costello setzte zunächst als „acting boss“ diese in den 1940er Jahren um, bevor er nach der Abschiebung von Luciano nach Italien im Jahr 1946 selbst Oberhaupt der Familie wurde.
Buchmacherei, Kreditwucher, Gewerkschaftskorruption und die Textilindustrie in New York City waren die primären Geschäftsfelder unter Frank Costellos Führung. Dessen auffällig vorbildlicher Führungsstil überzeugte (zum Wohl der Familie) auch viele Politiker und Justizangehörige, ein Umstand, der Frank Costello den Spitznamen „Prime Minister“ eintrug. Diese Überzeugungsarbeit hatte allerdings auch eine monetäre Seite, und so versuchte Costello angeblich, auch den FBI-Direktor J. Edgar Hoover auf seine Seite zu ziehen, indem er Pferderennen manipulierte, bei denen Hoover gewettet hatte.
Während Costello also neue Geschäftsfelder erschloss und politische Verbindungen knüpfte, stand Vito Genovese buchstäblich am Rande des Geschehens, da er 1937 nach Italien verschwunden war, um einer Mordanklage zu entgehen: Eigentlich hatte er sich immer als Nachfolger von Lucky Luciano gesehen.
Luciano, der seit 1936 inhaftiert war, wurde 1946 nach Sizilien abgeschoben, während Genovese 1945 nach New York zurückkehrte. Auf diese Weise wurde er anscheinend ein Verbindungsmann zwischen Costello und Luciano und auch heute noch gibt es Stimmen, die Luciano immer noch als den eigentlichen, damaligen Boss der Familie sehen.
Costellos Macht basierte auch auf den Leuten in New Jersey, da ihn Willie Moretti und seine Leute tatkräftig unterstützten, welche dort die Interessen der Familie vertraten. Zwar gelang es Genovese 1951, die Ermordung von Moretti mit einzufädeln, er musste dann aber bestürzt feststellen, dass die Allianz zwischen Costello und Albert Anastasia, Boss des später als „Gambino-Familie“ bezeichneten Clans, die Position von Costello weiter gefestigt hatte.
Als Costello einen schwachen Auftritt bei den Anhörungen des „Kefauver Committee“ hinlegte, scheint Genovese – angesichts der sich abzeichnenden Ränkespiele zur Ablösung von Costello – zu der Meinung gekommen zu sein, nun nicht länger abwarten zu können. Am 2. Mai 1957 wurde Costello Ziel eines Anschlages, der vermutlich von Vincent Gigante begangen wurde, während Thomas Eboli den Fluchtwagen gesteuert haben soll. Frank Costello überlebte, nahm den Kampf aber nicht auf und zog sich zurück. Auf dem Apalachin-Meeting wurde ihm das dann auch offiziell erlaubt und Genovese wurde Anführer der nun nach ihm benannten Familie. Da am 25. Oktober 1957 außerdem Albert Anastasia ermordet und auf diesem Treffen des National Crime Syndicate Carlo Gambino als dessen Nachfolger bestätigt wurde, ist zu vermuten, dass Genovese seine Macht auch auf die anderen Familien ausdehnen wollte.
Allerdings endete das Apalachin-Meeting am 27. November 1957 chaotisch, da es von der örtlichen Polizei entdeckt worden war. Die Teilnehmer versuchten, der Polizeikontrolle zu entgehen, was allerdings misslang. Für dieses Fiasko machten viele Mafiosi den Organisator Vito Genovese verantwortlich. 1959 wurde Vito Genovese im Rahmen einer Rauschgiftoperation der Polizei festgenommen und zu 15 Jahren Haft verurteilt. Der Tipp, welcher zur Festnahme von Vito Genovese führte, soll von Lucky Luciano und Meyer Lansky gekommen sein, um dessen Ambitionen als „Capo di tutti i capi“ zum Scheitern zu bringen.
Der illegale Drogenhandel wurde während der 1950er eine ganz neue und lukrative Einnahmequelle der US-amerikanischen Mafia. Allerdings sahen die alteingesessenen Mitglieder auch das Risiko starker polizeilicher Verfolgung, Unterminierung der Organisation und Profilverlust, während Genovese einfach nur den großen Profit im Auge behielt, den er aber anscheinend nicht unbedingt teilen wollte.
Eine Hauptfigur des illegalen Drogenhandels war Lucky Luciano, der – ausgewiesen nach Italien – von dort den Handel aufzog. Selbst wenn nicht der These gefolgt würde, Costello sei weiterhin der „Acting Boss“ unter Oberhaupt Luciano gewesen; der Rückzug des bewährten, klugen Organisators und Kontakteknüpfers Costello lag nicht in Lucianos Interesse.
Lanciert wurde der Tipp, der Genovese ins Gefängnis brachte, über den kleinen Drogendealer Nelson „Melon“ Cantellops aus Puerto Rico. Noch in Haft versuchte das formale Oberhaupt der Familie seine Rache zu planen, starb aber am 14. Februar 1969 an einem Herzinfarkt. „Acting Boss“ war seit seiner Inhaftierung 1959 bereits Thomas Eboli gewesen.
Kontrolle durch die Gambino-Familie
Allerdings besagt eine These, dass Thomas Eboli nicht alleiniges Oberhaupt der Familie gewesen sei und zusammen mit Jerry Catena und Mike Miranda ein Führungstrio („ruling council“) gebildet hätte; seine Führungsrolle endete jedenfalls am 1. Juli 1972, als er in seinem Auto in Crown Heights in Brooklyn erschossen wurde. Offenbar steckte hinter dem Anschlag Carlo Gambino, dem Eboli 3.000.000 Dollar nach einem gescheiterten Drogen-Deal schuldete und der lieber Frank Tieri als Oberhaupt der Genovese-Familie sah; daraufhin rückten die beiden Familien näher zusammen und die Gambino-Familie übernahm schleichend Geschäfte und Mitglieder des Genovese-Clans. Daran änderte sich auch nichts, als Tieri als erster Mafiaboss 1981 aufgrund des „RICO Acts“ vor Gericht aussagen musste, zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde und noch vor Haftantritt eines natürlichen Todes starb.
Es dämmerte den Untersuchungsbeamten langsam, dass hier andere die Fäden in der Familie gezogen hatten als Thomas Eboli oder Frank Tieri. Dieses wurde 1981 nach der Übernahme durch Philip Lombardo deutlich, der zwar aus gesundheitlichen Gründen sein ‚Amt‘ als Oberhaupt nach nur zwei Wochen wieder abgab; allerdings wird von vielen heute angenommen, dass er bereits seit den späten 1960er Jahren das eigentliche Oberhaupt der Familie gewesen war. Das FBI verfügt diesbezüglich über entsprechende Tonband-Aufzeichnungen, zum Beispiel von John Gotti.
Die Boxer
Vincent Gigante und Dominick Cirillo waren beide ursprünglich Boxer gewesen. Gigante hatte sich, als er Oberhaupt der Familie wurde, bald einen besonderen Trick ausgedacht, der ihn vor juristischer Verfolgung schützen sollte. In Pyjama und Slippers bekleidet, ein Aufzug, mit dem er auch vor Gericht erschien, gab er den harmlosen alten Mann; jedenfalls kaufte ihm letztendlich das Gericht seine Senilität und Demenz nicht ab und er wurde verurteilt. Ob es nun Schauspiel war oder nicht, sein Verhalten trug ihm seinen zweiten Spitznamen „The Oddfather“ ein.
Gigante führte seinen Clan in die Neuzeit und stieg in die Computerkriminalität ein. Neben den klassischen Geschäftsfeldern, die selbstverständlich beibehalten wurden, ist dabei die Bauindustrie nicht zu vergessen, welche als (auch vordergründig legale) Basis der Genovese-Familie gelten kann.
Sein Nachfolger wurde Dominick Cirillo, der ebenfalls von Thomas Eboli als Manager betreut worden war und immer in der Nähe von Gigante zu finden gewesen war, den aber viele nur als „Acting Boss“ ansehen. Da dieser nun im März 2006 eine 46-monatige Haftstrafe antreten musste, stellt sich die Führungsfrage in der Genovese-Familie erneut. Zumindest als „Acting Boss“ gilt Mario Gigante, der Bruder des 2005 verstorbenen Vincent Gigante.
Historische Führung
Oberhaupt der Familie
Nicht immer ist das Oberhaupt einer Familie so eindeutig zu identifizieren; insbesondere, wenn durch eine Haftstrafe ein anderes Familienmitglied in den Vordergrund rückt. Die Betrachtung von außen macht es nicht immer einfach, ein neues Oberhaupt als solches zu erkennen bzw. dessen genaue Amtszeit festzustellen. Außerdem scheint sich gewissermaßen ein Präsidialsystem durchzusetzen; d. h. das Oberhaupt verlagert seine Macht mehr auf einen sogenannten „acting boss“ und/oder „street boss“, die ihrerseits wiederum das Oberhaupt als solches weiter anerkennen, auch wenn es zum Beispiel in Haft sitzen sollte.
Im Wesentlichen kann aber von folgendem Ablauf innerhalb der Genovese-Familie ausgegangen werden, wobei es auch üblich ist, die Morello-Familie als Vorphase zu sehen und die Geschichte der Familie erst mit Joe Masseria beginnen zu lassen:
Der Underboss ist die Nummer zwei in der Verbrecherfamilie; er ist der stellvertretende Direktor des Syndikats. Er sammelt Informationen für den Boss, gibt Befehle und Instruktionen an die Untergebenen weiter. In Abwesenheit des Bosses führt er die kriminelle Gruppe.
Auf derselben Ebene wie der Underboss steht der Consigliere, der Berater der kriminellen Familie. Es handelt sich in der Regel um ein älteres Mitglied der Familie, welches über großen Respekt innerhalb der Familie verfügt und dadurch einen beträchtlichen Einfluss ausüben kann.
1978–1980: Dominick „Fat Dom“ Alongi ; wurde 1980 offiziell Consigliere
1989–1990: James „Little Guy“ Ida ; wurde 1990 offiziell Consigliere
Mitglieder und Assoziierte
Abgrenzung
„Schriftliches, oder gar Mitgliederlisten, kämen der Mafia nie in den Sinn; eine Bürokratie wie bei der P2 ebenfalls nicht; sie würde die Flexibilität und Wandelbarkeit des Clans nicht nur stören, sondern wohl total zerstören.“
Dieser Satz über die originäre Mafia in Sizilien und Italien gilt auch für die US-amerikanische Cosa Nostra. So gesehen kann und wird es per Definition nie eine vollständige Liste von Mitgliedern geben; aber durch die notwendige Außendarstellung einerseits und die Ermittlungserkenntnisse der Behörden andererseits lässt sie auf Dauer die Zugehörigkeit der wichtigsten Mitglieder erkennen und bestimmen. Da außerdem das Gebot des Schweigens (Omertà) zunehmend von den Mitgliedern der Mafia selbst gebrochen wird, hat sich die Informationslage für Außenstehende deutlich verbessert.
Hinzu kommt die Unschärfe auf Grund der Hierarchie in der Familie selbst, die auch Assoziierte und die Zusammenarbeit mit Außenstehenden zulässt. So wurde insbesondere die Gruppe der heute als Kosher Nostra klassifizierten Personen in der Vergangenheit einfach der sizilianischen Mafia zugeschlagen. Insbesondere Meyer Lansky war aber zum Beispiel weder Mitglied der Genovese-Familie noch eines anderen Clans der Mafia gewesen; trotzdem hielt er einen Sitz in der „Kommission“ des National Crime Syndicate und hat damit maßgeblich Einfluss auch auf die Genovese-Familie genommen.
Mitglieder
Für die Genovese-Familie können folgende hochrangige Mitglieder gelistet werden:
1972: Die Valachi Papiere (Carteggio Valachi): Film über die Geschichte der New Yorker Mafia von den 1930er Jahren, bis zur Verhaftung von Joseph Valachi in den 1950er Jahren und dessen Aussage als Kronzeuge gegen die Genovese-Familie.
2014: Im Netz der Mafia – Die Geheimakten des FBI (Mafia’s Greatest Hits): britische 13-teilige Dokumentationsserie (Folge 2: Der Reformer: Lucky Luciano / Folge 6: Der Killer: Vito Genovese)
Literatur
Hannelore Gude Hohensinner: Die Genoveses Eine Mafia-Familie, die Angst zu Geld gemacht hat