Gabriele Kucsko-Stadlmayer ist eine von zwei Töchtern eines höheren Beamten und Juristen und wuchs in der Wiener Inneren Stadt auf. In Wien besuchte sie die Schule („Vieles hat mich interessiert, Mathematik, Kunstgeschichte, Literatur, Musik und Sprachen.“[1]) und lebte während vieler Sommerferien in Südfrankreich bei einer Austauschfreundin. Nach Eigendarstellung hörten sie Musik von Serge Gainsbourg und lasen Bücher von Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Albert Camus.
Universitäre Ausbildung
Nach der Matura inskribierte Kucsko-Stadlmayer 1973 Rechtswissenschaften an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und parallel ein Dolmetschstudium für Französisch am Dolmetschinstitut. Da sie bald darauf feststellte, dass ihr die Juristerei mehr zusagte als Übersetzen, konzentrierte sie sich auf das Jusstudium. Nachdem Rudolf Welser „ihr Talent zum strukturierten Denken“[1] erkannte, bot er ihr 1975 an, bei ihm am Institut für Zivilrecht als wissenschaftliche Hilfskraft zu arbeiten („Ich wusste, das war eine Chance.“[1]), wo sie für zwei Jahre als Studienassistentin tätig war.
Im Jahr 1977 schloss sie ihr Studium mit der Promotion zur Doktorin der Rechtswissenschaften(Dr. iur.) ab.
Als sie feststellte, dass ihr Interesse mehr im Öffentlichen Recht gelegen war, wechselte sie direkt im Anschluss daran als Universitätsassistentin zu Robert Walter am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht. Hier hielt sie neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit ihre ersten Lehrveranstaltungen. Daneben absolvierte sie in den Jahren 1980/81 ihr Gerichtsjahr.
Universitäre Karriere
1985 erlangte Gabriele Kucsko-Stadlmayer mit Disziplinarrecht der Beamten, in der Folge zu einem Standardwerk geworden,[2] ihre Habilitation für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien und erhielt die Lehrberechtigung für diese Fächer. 1993 wurde Gabriele Kucsko-Stadlmayer außerordentliche Universitätsprofessorin.
Im Jahr 2000 nahm Kucsko-Stadlmayer eine Gastprofessur für Österreichisches, Europäisches und Vergleichendes Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre an der Universität Graz wahr. Im selben Jahr wurde sie auch Mitglied der österreichischen Juristenkommission. 2011 erfolgte die Berufung zur Universitätsprofessorin für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien.
Inneruniversitär war sie von 2006 bis 2013 Vorsitzende der Schiedskommission der Universität Wien und von 2008 bis 2014 stellvertretende Institutsvorständin des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht. Von 2009 bis 2011 war sie als stellvertretende Vorsitzende des Senats der Universität Wien tätig und in Nachfolge von Helmut Fuchs von 1. Oktober 2013 bis 31. Oktober 2015 schließlich dessen Senatsvorsitzende, sowie zugleich auch Sprecherin der Konferenz der österreichischen Senatsvorsitzenden.[3][4] Die Neugestaltung des Universitätsrechts sei ihr ein großes Anliegen gewesen. In ihren unterschiedlichen universitären Funktionen begleitete sie die Universitäten bei dem Prozess in die Autonomie.
Ab 1995 war Kucsko-Stadlmayer auf Vorschlag der SPÖ zum Ersatzmitglied des österreichischen Verfassungsgerichtshofs bestellt und blieb dieses bis zu ihrer Berufung an den EGMR im Jahr 2015.
Daneben spezialisierte sich Kucsko-Stadlmayer auch auf Menschenrechte: „Ziel unseres Tuns als Juristen ist es nicht nur, Normen zu analysieren, sondern auch die Dinge des Lebens zum Besseren zu wenden.“[1] Von 2008 bis 2012 war sie stellvertretende Vorsitzende des Menschenrechtsbeirats im Bundesministerium für Inneres und bekam dort Einblick in die Polizeiarbeit. Von 2012 bis 2013 war sie stellvertretende Vorsitzende des Menschenrechtsbeirats bei der österreichischen Volksanwaltschaft. Darüber hinaus setzte sie sich von 2006 bis 2015 auch in der Venedig-Kommission des Europarats für Menschenrechte ein.
Kucsko-Stadlmayer ist Beiratsmitglied der European Law Students’ Association (ELSA).[6]
1982 heiratete Gabriele Stadlmayer den österreichischen Markenrechtsexperten und Rechtsanwalt Guido Kucsko. Fast gleichzeitig mit ihrer Habilitation kam ihre Tochter (* 1984) und drei Jahre danach ihr Sohn (* 1987) zur Welt. Die Familie lebt in Wien und in ihrem Wochenendhaus in Reichenau an der Rax. Seit 2015 hat sie im Zusammenhang mit ihrer Arbeit als Richterin am EGMR auch einen Wohnsitz in Straßburg.[1]
Kucsko-Stadlmayer ist eine leidenschaftliche Opernbesucherin. In Wien versäumt sie keine neue Aufführung, in Straßburg kannte sie das Opernprogramm bereits, bevor sie dort eine Wohnung gefunden hatte. Ihre Vorliebe für Opern beschreibt sie damit, dass „alles, was das Leben ausmacht, drinnen ist: starke Gefühle, Macht und Verrat, Konflikt, aber auch Versöhnung.“[1]
Der Vorrang des EU-Rechts vor österreichischem Recht. In: ecolex, 1995, S. 338.
Rechtliche Aspekte der Frauenförderung. In: JRP, 1997, S. 35.
Europarechtliche Rahmenbedingungen der Frauenförderung. In: ÖRZ, 1999, S. 106.
Die zukünftige Bedeutung der Staatsfunktion „Gerichtsbarkeit“ für die Rechtssetzung. In: Michael Holoubek, Georg Lienbacher (Hrsg.): Rechtspolitik der Zukunft – Zukunft der Rechtspolitik, 1999, S. 121.
gemeinsam mit Karl Korinek, Michael Holoubek (Hrsg.): Kommentar zum Österreichischen Bundesverfassungsrecht. Springer, Wien ab 1999.
Verwaltungsstrafrecht und „ne bis in idem“. In: FS Dittrich, 2000, S. 809.
gemeinsam mit Heinz Mayer (Hrsg.): Kommentar zum Universitätsgesetz 2002. Manz, Wien ab 2003.
gemeinsam mit Heinz Mayer (Hrsg.): Kommentar zu EUV und AEUV. Manz, Wien ab 2003.
Die Beziehungen zwischen dem Verfassungsgerichtshof und den anderen Gerichten, einschließlich der europäischen Rechtsprechungsorgane. In: EuGRZ, 2004, S. 27.
Voraussetzungen der Staatshaftung. In: Staatshaftung, ÖJK (Hrsg.), Wien 2004, S. 7.
Europäische Ombudsman-Institutionen. Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur vielfältigen Umsetzung einer Idee. Springer, Wien/New York 2008, ISBN 978-3-7046-5914-9. (European Ombudsman-Institutions and their Legal Basis. Springer, Wien/New York 2008, ISBN 978-3-7046-5915-6.)
Das Disziplinarrecht der Beamten. (= Springers Handbücher der Rechtswissenschaft.) 4. Auflage, Springer, Wien/New York 2010, ISBN 3-211-78500-0.
Die Volksanwaltschaft als „Nationaler Präventionsmechanismus“. In: ÖJZ 2013/107, Heft 20, Oktober 2013, ISSN0029-9251, S. 913–921 (Volltext online, PDF 160 kB; 30. Jänner 2014).
gemeinsam mit Detlef Merten, Hans-Jürgen Papier (Hrsg.): Handbuch der Grundrechte. Grundrechte in Österreich. 2. Auflage, MANZ, Wien 2014, ISBN 978-3-214-13311-5.
gemeinsam mit Heinz Mayer, Karl Stöger:[10]Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts. 11. Auflage, Manz, Wien 2015, ISBN 3-214-08890-4.
Literatur
Karin Pollack: Porträt des Monats: Recht gelungen. Gabriele Kucsko-Stadlmayer. In: RECHTAKTUELL #07/08, Juli/August 2015, Manz intern, Wien 2015.[1]
Benedikt Kommenda: „Deutschpflicht in Pause verletzt Privatsphäre“. Interview mit Gabriele Kucsko-Stadlmayer. In: Die Presse, Rechtspanorama, 2. November 2015, S. 13–14.[11]
↑ abcdefgKarin Pollack: Porträt des Monats: Recht gelungen. Gabriele Kucsko-Stadlmayer. (Volltext online (PDF 48,9 kB), hochgeladen am 6. Juli 2015, abgerufen am 6. Juli 2016.)
↑Das Disziplinarrecht der Beamten. (= Forschungen aus Staat und Recht, 67.) Springer, Wien/New York 1985, ISBN 3-211-81843-X.
↑Benedikt Kommenda: „Deutschpflicht in Pause verletzt Privatsphäre“, Interview, 2015: „Gabriele Kucsko-Stadlmayer tritt heute ihr Amt als österreichische Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an. Mit der „Presse“ spricht sie über Massenflucht, Integration, Meinungsfreiheit und richterliche Selbstkritik.“ (diepresse.com, hochgeladen am 2. November 2015, abgerufen am 7. September 2023.)
↑„Die neue österreichische Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Gabriele Kucsko-Stadlmayer, hält die Dublin-Asylregeln der EU für wenig geeignet zur Bewältigung der Flüchtlingskrise.“