Im Jahr 1918 wurde er zum Stadtbaurat in Merseburg berufen. Nach dem Ersten Weltkrieg bestand in der Industrieregion um Merseburg eine außerordentliche Wohnungsnot. Als Stadtbaurat entwarf Zollinger 1922 einen Generalbebauungsplan für die Stadt. Zusätzlich gründete er die Merseburger Baugesellschaft. Hier wurden seine kreativen Ideen wirksam, auf preiswerte Art und Weise Wohnraum zu schaffen. Das Schüttbetonverfahren (Patent 1910) und das Zollingerdach (Patent 1921), eine rationalisierte Bauweise, bei der die späteren Bewohner bei einer Reihe von Bauarbeiten einbezogen werden konnten, wurden insgesamt mit dem Begriff „Zollbauverfahren“ umschrieben. So war es in kurzer Zeit möglich, eine große Menge preiswerten Wohnraums zu schaffen. Beide Erfindungen wurden von der Deutschen Zollbau-Licenz-Gesellschaft und der Europäischen Zollbau-Syndikat A. G. vertrieben und weltweit verbreitet. Zwischen 1922 und 1929 schuf die Merseburger Baugesellschaft 1250 Wohnungen.
Zollinger plante zusammen mit Charles Crodel Decken- und Wandbilder für eine Schule und die geplante Stadthalle von Merseburg.[3]
1930 verlängerte Zollinger seinen Vertrag mit der Stadt Merseburg nicht. In den folgenden Jahren war er freiberuflich tätig und unternahm verschiedene Studienreisen, u. a. nach Großbritannien und Frankreich.
Im Jahr 1932 verließ Zollinger Merseburg endgültig. Bis 1934 lehrte er an der Technischen Hochschule Darmstadt, danach ging er nach München. Im Jahre 1945 starb Zollinger in Aising-Kaltmühl.
Die Stadt Merseburg erklärte das Jahr 2019 zum „Zollingerjahr“[4] und beging dieses mit zahlreichen Veranstaltungen.
Ehrungen
Die Stadt Merseburg ehrt ihren ehemaligen Baustadtrat mit einer Friedrich-Zollinger-Straße.
Der Altstadtverein sponserte eine Gedenktafel am Vereinshaus am Markt von Merseburg mit folgendem Wortlaut:
Der Architekt Friedrich Zollinger wirkte von
1918 bis 1930 als Stadtbaurat in Merseburg.
In dieser Zeit schuf er zehn Siedlungsgebiete
und herausragende Einzelbauten in der von ihm
entwickelten effizienten Schüttbeton-Gussbauweise
bzw. mit dem gewölbten Zollbau-Lamellendach.
Seine Dachkonstruktion wurde auch am Anbau
an das ehemalige Neue Rathaus angewendet.
Merseburger Altstadtverein
Bauten
1924: Kleines Landhaus am Stadtpark 22 in Merseburg (viele Jahre Wohnhaus von Friedrich Zollinger)
1927/1929: Arbeits-, Wohlfahrts- und Gesundheitsamt Merseburg in der Christianenstaße 23[5]; das „Zollinger-Haus“ beherbergt heute 14 Wohnungen[6]
1927–28: Albrecht-Dürer-Schule Merseburg mit Turnhalle und Aula inklusive Bühne unter dem Schuldach[7]
1929: Oberrealschule Merseburg in der Lessingstraße, genannt „Glaskasten“
Karin Heise: Friedrich Reinhardt Balthasar Zollinger. Städtebauer und Konstrukteur des gewölbten Lamellendachs. In: Deutsche Bauzeitung (2004), Heft 2, S. 68–73. (online als PDF).
Karin Heise: Neues Bauen in Sachsen-Anhalt. Das Werk des Architekten, Konstrukteurs und Merseburger Stadtbaurats Friedrich Zollinger: kreativ – pragmatisch – zukunftsfähig. Sachsen-Anhalt-Journal 1/2019. (online)
John Palatini, Christine Schlott (Hrsg.): Friedrich Zollinger. Baumeister der Moderne. Mit Fotografien von Matthias Behne. Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e. V., Halle (Saale) 2022 (Beiträge zur Regional- und Landeskultur Sachsen-Anhalts; 72), ISBN 978-3-949093-02-9. (online)
Klaus Winter, Wolfgang Rug: Innovationen im Holzbau. Die Zollinger-Bauweise. In: Bautechnik, Bd. 69 (1992), Heft 4, S. 190–197 (online als PDF; ca. 1,85 MB).
↑Karin Heise: Friedrich Reinhardt Balthasar Zollinger. Städtebauer und Konstrukteur des gewölbten Lamellendachs. In: Deutsche Bauzeitung, Heft 2/2004, S. 68–73.
↑Karin Heise: Friedrich Reinhardt Balthasar Zollinger. Städtebauer und Konstrukteur des gewölbten Lamellendachs. In: Deutsche Bauzeitung, Heft 2/2004, S. 68–73.
↑Charles Crodel: Karton für das Deckenbild der Stadthalle Merseburg (12 m Durchmesser, ca. 100 m² Fläche) war 1929 ausgestellt auf der Juryfreie Kunstschau in Berlin.