Veranstalter waren die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden. Dazu kamen über 800 weitere Organisationen, die den Aufruf zur Demonstration unterstützt hatten. Konzept und Aufruf wurden im Juni 1981 entwickelt, zunächst bei einem Vorbereitungstreffen in Duisburg, an dem Vertreter der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste (namentlich Volkmar Deile), der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, des Interkirchlichen Friedensrates (Interkerkelijk Vredesberaad, IKV) der Niederlande, des Komitees für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit und der niederländischen Bewegung „Stop de neutronenbom“ teilnahmen.[4] In schwierigen Diskussionen am Rande des 19. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Hamburg im Juni 1981 entstand der Aufruf zur Demonstration, den Ben ter Veer, Vorsitzender des Interkirchlichen Friedensrates der Niederlande, bei der Friedenskundgebung am 19. Juni 1981 in Hamburg erstmals verlas.[5] Die Bonner Demonstration sollte den Auftakt zu einer Reihe weiterer Friedensdemonstrationen in europäischen Hauptstädten bilden. Eine davon fand am 20. Oktober 1981 in Brüssel statt.
Aufruf
Der Aufruf zur Demonstration begann mit der Situationsbeschreibung:
Die 80er Jahre werden mehr und mehr zum gefährlichsten Jahrzehnt in der Geschichte der Menschheit. Ein 3. Weltkrieg wird aufgrund der weltweiten Aufrüstung immer wahrscheinlicher.
Der Aufruf formulierte vier Forderungen:
gegen neue Atomwaffen in Europa
Die NATO-Länder sollten ihre Zustimmung zur Stationierung neuer Mittelstreckenraketen (der sog. NATO-Doppelbeschluss) zurückziehen, um den „Weg für die Verringerung der Atomwaffen in West- und Osteuropa“ zu öffnen.
Über den zweiten Forderungspunkt gab es im Juni 1981 zwischen den Friedensgruppen heftige Diskussionen, da die christlich geprägten Gruppen ASF und AGDF einseitige Abrüstungsschritte des Westens befürworteten, während andere Gruppen aus dem Umfeld des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz und der Grünen eine gleichzeitige Abrüstung in West und Ost forderten. Die gefundene Formulierung stellte einen Kompromiss dar.[6]
Kritik im Vorfeld
Der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes verbot im August 1981 seinen Unterorganisationen, zur Teilnahme an der Demonstration aufzurufen.[7]Georg Benz, Vorstandsmitglied der IG Metall, der als Redner aufgetreten war, musste sich von seinem Vorsitzenden Eugen Loderer scharf rügen lassen.[8][9]
Bundeskanzler Helmut Schmidt kritisierte im September die Sozialdemokraten Erhard Eppler und Oskar Lafontaine, die auf der Bonner Kundgebung sprechen wollten. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel meldete am 21. September 1981, Schmidt erwäge einen Unvereinbarkeitsbeschluss der SPD gegen Mitglieder, die auf der Kundgebung sprechen wollten.[3] Dies wurde jedoch von Regierungssprecher Kurt Becker dementiert. Allerdings verstießen die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen und die Jungsozialisten durch ihre Unterschriften unter dem Aufruf zur Friedensdemonstration formell gegen einen seit 1972 geltenden Unvereinbarkeitsbeschluss der SPD, der SPD-Mitgliedern gemeinsame Aktionen mit der Deutschen Kommunistischen Partei verbot.[10]
Am Vortag der Demonstration beantragte die CDU/CSU im Bundestag, die Friedensdemonstration als „gegen die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik“ gerichtet zu verurteilen. Friedrich Zimmermann und Oppositionsführer Helmut Kohl begründeten den Antrag u. a. damit, dass die Veranstaltung „eindeutig dem Interesse Moskaus“ diene und dass Teile der SPD dort eine „Volksfront“ mit Kommunisten bildeten. Willy Brandt und Bundeskanzler Helmut Schmidt sprachen gegen den Antrag, der schließlich mit den Stimmen von SPD und FDP abgelehnt wurde. Brandt sagte, das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und auf friedliche Demonstration stehe nicht zur Disposition des Bundestages. Schmidt verteidigte den NATO-Doppelbeschluss mit dem Ziel einer „Null-Lösung“, und die Mehrheit des Bundestages bekräftigte diese Position.
Da es im September 1981 bei einer Demonstration gegen den Besuch des US-Außenministers Alexander Haig in Berlin (West) zu Krawallen gekommen war, äußerte Verteidigungsminister Hans Apel die Befürchtung, die Bonner Demonstranten könnten das Verteidigungsministerium auf der Bonner Hardthöhe angreifen.[3]
Ablauf, Redner, Auftritte
Die Demonstranten reisten überwiegend mit Sonderzügen an. Es gab fünf Auftaktkundgebungen: an der Nordbrücke, in Bonn-Beuel, auf der Josefshöhe, am Schlachthof und am Südfriedhof. Von dort zogen die Demonstranten in Sternmärschen zum Hofgarten.
In seinem Brokdorf-Beschluss nannte das Bundesverfassungsgericht die Friedensdemonstration als positives Beispiel für die friedliche Durchführung einer Großdemonstration, an dem sich Behörden im Vorfeld anderer Großdemonstrationen orientieren sollten.
Horst-Pierre Bothien: Demonstrationen – für den Frieden. In: Auf zur Demo! Straßenprotest in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn 1949–1999 (= Stadtmuseum Bonn [Hrsg.]: Forum Geschichte. Nr.8). Klartext Verlag, Essen 2009, ISBN 978-3-8375-0202-2, S.86–98.
↑Bonn 10. Oktober 1981. Friedensdemonstration für Abrüstung und Entspannung in Europa. Hrsg. von der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste und der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden. Lamuv Verlag, Berlin 1981, ISBN 3-921521-46-7
↑ abc„Das wird die Landschaft erleuchten“. In: Der Spiegel. Nr.39, 1981, S.19–21 (online – 21. September 1981).
↑Volkmar Deile, Ulrich Frey: Wie es zur Demonstration vom 10. Oktober 1981 in Bonn kam. In: Bonn 10. Oktober 1981, S. 14
↑„Schmeiß die Atomwaffen in die Gracht“. In: Der Spiegel. Nr.25, 1981, S.30 (online – 15. Juni 1981, zur damaligen Rolle des IKV und der niederländischen Friedensbewegung).
↑Volkmar Deile, Ulrich Frey: Wie es zur Demonstration vom 10. Oktober 1981 in Bonn kam. In: Bonn 10. Oktober 1981, S. 16
↑Volkmar Deile, Ulrich Frey: Wie es zur Demonstration vom 10. Oktober 1981 in Bonn kam. In: Bonn 10. Oktober 1981, S. 20
↑Klaus Kempter: Eugen Loderer und die IG Metall. Biografie eines Gewerkschafters, Filderstadt 2003, S. 419–423.
↑Horst Klaus:"Links, wo das Herz schlägt" – Erinnerungen an Schorsch Benz, Zeitschrift Sozialismus 2/2007, S. 39.