Franz Wilhelm Seiwert wurde im Alter von sieben Jahren im Jahr 1901 Opfer eines Röntgenexperiments. Zeitlebens war er durch eiternde Wunden und Verbrennungen von den Folgen dieser Strahlenbehandlung gezeichnet. Dies bestimmte sein Werk und führten zu seinem frühen Tod.
Ab 1910 besuchte Seiwert die Kölner Kunstgewerbeschule (die späteren Kölner Werkschulen). Er war anschließend, bis zum Ersten Weltkrieg, bei einem Architekten tätig. Um das Jahr 1916 kam er über das Ehepaar Käthe Jatho-Zimmermann und Carl Oskar Jatho mit dem Expressionismus in Berührung, woraufhin er erste expressionistische Holzschnitte anfertigte. Das Frühwerk Seiwerts ist bestimmt durch den Ausdruck des leidvollen Ertragens der Welt. Aus dieser Sichtweise heraus entstanden zunächst auch christlich motivierte Werke. Die Jathos veröffentlichten seine Schnitte in zwei Bilderbüchern.
Die Jahre 1919 und 1920 verbrachte er im EifeldorfSimonskall, wohin viele Künstler aus Köln nach dem Krieg abgewandert waren. Noch im Jahr 1919 fand in Köln eine große Dada-Ausstellung statt. Seiwert lernte Max Ernst kennen und wurde gebeten, sich an der Ausstellung zu beteiligen. In letzter Minute zog er seine Werke mit der Begründung zurück, Dada sei „bürgerlicher Kunstbetrieb“.
1921 kehrte Seiwert nach Köln zurück. Dort begeisterte er sich für den Marxismus, und fortan sind seine Werke geprägt vom sozialen Elend der Arbeiter im Ruhrgebiet. Seine Bilder wurden immer abstrakter und er entwickelte eine eigene Formensprache. 1922 lernte er in Düsseldorf El Lissitzky kennen.[1]
Seiwert schloss Bekanntschaft mit Heinrich Hoerle, Anton Räderscheidt und dem Photographen August Sander. In der Zeitschrift Der Sturm und der vom Berliner Schriftsteller Franz Pfemfert herausgegebenen Zeitschrift Die Aktion erschienen Schnitte Seiwerts. Im folgenden Jahrzehnt fanden zahlreiche Ausstellungen im Kölnischen Kunstverein und verschiedenen Kölner Galerien statt. Ausstellungen führten den Künstler nach Aachen, Düsseldorf und Barmen, Besuche und Reisen nach Berlin und Paris. Als er sich 1927 in Berlin aufhielt traf er u. a. Kasimir Malewitsch,[1] für dessen Suprematismus er sich begeistert.
Eine große Kollektivausstellung im Barmer Museum machte Seiwert 1928 auch international bekannt. Das Museum in Detroit kaufte einige seiner Werke, und Seiwert traf Moholy-Nagy. Ab 1930 erhielt Seiwert mehrere Großaufträge vom Kölner Kunstgewerbemuseum. Um diese Zeit setzte er seine Bildkompositionen auch als Glasfenster um.
Nach der Machtergreifung der Nazis flüchtete Seiwert ins Siebengebirge, musste jedoch gesundheitlich bedingt wieder nach Köln zurückkehren. Jüdische Freunde brachten den Kranken im Israelitischen Krankenhaus in Köln unter, wo er nach vergeblichen Heilversuchen durch den Radiologen Walter Blank (1894–1943) verstarb.
Die Grabstätte Seiwerts befindet sich auf dem Kölner Nordfriedhof. Den Grabstein bildet Seiwerts liegendes ReliefSich küssendes Paar (1929).[3][4]
Werke Seiwerts sind heute im Museum Ludwig in Köln sowie im Von der Heydt-Museum in Wuppertal zu sehen; die überwiegende Anzahl seiner Werke befindet sich in Privatsammlungen.
1962 wurde in Köln-Müngersdorf die Franz-Seiwert-Straße nach ihm benannt.[5]
Selbstreflexion
„… die Kunst ist nichts anderes als die bildgewordene Erkenntnis in der darstellung der welt, ihrer kräfte, ihrer gesetzlichkeit. wie nun der marxismus die begründung eines neuen gesichts der welt ist, so kann man den suprematisimus ruhig als kunstform einer marxistischen weltschau ansprechen.[6]“
1920: Gruppenausstellung mit der Arbeitsgemeinschaft Kölner Künstler[7]
Literatur
Riccardo Bavaj: „Die bestehende Welt restlos mit Gewalt beseitigen.“ Der Künstler Franz W. Seiwert und sein Kampf gegen den Weimarer Staat. In: Geschichte im Westen. Nr. 22 (2007), S. 41–65.
Carl Oskar Jatho: Franz Wilhelm Seiwert (= Monographien zur rheinisch-westfälischen Kunst der Gegenwart; Bd. 27). Verlag Aurel Bongers, Recklinghausen 1964.
Uli Bohnen, Dirk Backes (Hrsg.): Der Schritt, der einmal getan wurde, wird nicht zurückgenommen, Franz W. Seiwert, Schriften. Karin Kramer Verlag, Berlin, 1978.
Uli Bohnen: Franz W. Seiwert 1894–1933. Leben und Werk. Kölnischer Kunstverein, Köln 1978.
Lynette Roth: köln progressiv 1920-33, seiwert - hoerle - arntz. Buch zur gleichnamigen Ausstellung Museum Ludwig Köln, 15. März bis 15. Juni 2008. Verlag Walter König, Köln 2008, ISBN 978-3-86560-383-8.
↑ abIrmtraud Thierse: Suprematismus – eine Erfindung kommt nach Berlin. In: Ausländische Künstler in Berlin 1918–1933. Dietz Verlag Berlin, 1987, S. 281/282.
↑Datenbank zum Beschlagnahmeinventar der Aktion „Entartete Kunst“, Forschungsstelle „Entartete Kunst“, FU Berlin
↑Hans M. Schmidt, Die letzte Signatur – Grabstätten deutscher Künstler des 20. Jahrhunderts. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2015, S. 84/85.