Franz Dischinger arbeitete und forschte Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts in Deutschland auf dem Gebiet des Stahlbetonbaus.
Er leistete Herausragendes im Stahlbeton-Schalenbau, bei der Spannbetonweise, für die Entwicklung der modernen Schrägseilbrücken und bei der Theorie des plastischen Verhaltens des Betons. Er entwarf neuartige Spannbeton-Brücken und konstruierte gemeinsam mit Ulrich Finsterwalder dünne Kuppelschalen und Tonnendächer.
Ein Beispiel für die von ihm maßgeblich mitentwickelte Stahlbeton-Schalenbauweise sind die Kuppeln der Großmarkthalle in Leipzig.
1934 ließ er sich seine neuartige Konstruktionsmethode von Spannbetonbrücken patentieren. 1936/37 plante er die Bahnhofsbrücke in Aue (Sachsen) nach diesem Patent, die weltweit erste Spannbetonbrücke ohne Verbund.
Es gibt eine „Differentialgleichung nach Dischinger“ oder „Dischingergleichung“, bei der es um das Kriechen von Beton geht.
Leben
Franz Dischinger war der Sohn eines badischen Oberbaukontrolleurs. Seine Kindheit verbrachte er in Karlsruhe, wo er auch auf das Gymnasium ging. Ab 1907 studierte er Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule Karlsruhe, unter anderem bei Friedrich Engesser und Karl Heun. Während des Studiums gab er Nachhilfeunterricht und Repetitorien für seine Kommilitonen. 1911 bestand er die Diplom-Hauptprüfung „mit Auszeichnung“.
Zum 1. August 1933 übernahm Dischinger als Nachfolger von Hermann Boost den Lehrstuhl für Massivbau an der Technischen Hochschule Berlin und widmete sich fortan primär theoretischen Fragen des Bauwesens. So veröffentlichte er 1937/1939 bahnbrechende Abhandlungen zur Theorie des Kriechens und Schwindens von Beton. Aufgrund einer chronischen Erkrankung wurde Dischinger am 1. April 1951 vorzeitig emeritiert.[2]
Zum Gedenken an Franz Dischinger schuf der Vorstand des Deutschen Beton-Vereins e. V. 1953 einen Dischinger-Preis für herausragende Absolventen der TU Berlin mit Vertiefungsrichtung Stahlbetonbau. 2005 wurde dieser Preis zugunsten eines neu geschaffenen Innovationspreises Bautechnik abgeschafft.
In Berlin-Spandau wurde 1956 eine Brücke nach ihm benannt, die Dischingerbrücke.
Ein Porträtkopf in Bronze, 1951 geschaffen von dem Berliner Bildhauer Erich Fritz Reuter, befindet sich im Gebäudekomplex Humboldthain der TU Berlin, Gebäude 13b, im Institut für Bauingenieurwesen, Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren.[3]
Werk
Schriften
L'élimination des moments de flexion supplémentaires dans l'arc à deux articulations avec tirant. In: Construction et Travaux Publics, Jahrgang 1933, Ausgabe Juni.
Contribution à la théorie de la demi-dalle et de la paroi portante. In: Construction et Travaux Publics, Jahrgang 1933, Ausgabe November.
Untersuchungen über die Knicksicherheit, die elastische Verformung und das Kriechen des Betons bei Bogenbrücken. In: Der Bauingenieur, 18. Jahrgang 1937
Elastische und plastische Verformungen der Eisenbetontragwerke und insbesondere der Bogenbrücken. In: Der Bauingenieur, 20. Jahrgang 1939
Hängebrücken für schwerste Verkehrslasten. In: Der Bauingenieur, Jahrgang 1949, Nr. 24 (März und April)
Fabrikgebäude für den Carl Zeiss, Feinapparaten-Bau in Teplitz, 1939/1940[4]
Anders als nahezu durchweg behauptet, wurde die Schrägseilkonstruktion der Strömsundsbron (1953–1956) nicht von Dischinger entworfen. Er hatte zwar mit der bauausführenden Firma Demag zuvor zahlreiche ähnliche Projekte entwickelt, war aber zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben.
Literatur
Günter Günschel: Große Konstrukteure: Freyssinat, Maillart, Dischinger, Finsterwalder, Ullstein 1966
Werner Lorenz, Roland May: Franz Dischinger – Visionär des Brückenbaus. In: Manfred Curbach (Hrsg.): Tagungsband 23. Dresdner Brückenbausymposium, 11./12. März 2013. Institut für Massivbau der TU Dresden, Dresden 2013, ISBN 978-3-86780-313-7, S. 101–128.
Roland May: Ingenieur. Bau. Kunst. Zum 125. Geburtstag von Franz Dischinger. In: Ullrich Schwarz (Red.): Ingenieurbaukunst – made in Germany 2012/2013. Hg. von der Bundesingenieurkammer. Junius, Hamburg 2012, ISBN 978-3-88506-499-2, S. 150–157.
Manfred Specht (Hrsg.): Spannweite der Gedanken. Zur 100. Wiederkehr des Geburtstages von Franz Dischinger. Springer, Berlin/West 1987, ISBN 3-540-18074-5.
Klaus Stiglat: Bauingenieure und ihr Werk. Ernst und Sohn 2003.
↑Manfred Specht: Spannweite der Gedanken: Zur 100. Wiederkehr des Geburtstages von Franz Dischinger. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-662-09966-7 (google.de [abgerufen am 5. Juli 2020]).