Fernheim ist eine von Mennoniten gegründete Kolonie im Chaco von Paraguay. Sie wurde zwischen 1930 und 1932 von deutschstämmigen plautdietsch sprechenden Russlandmennoniten gegründet, die aus der damaligen Sowjetunion geflohen waren. Zentrum der Kolonie ist die Kleinstadt Filadelfia (Philadelphia), die gleichzeitig auch die Hauptstadt des Departamento Boquerón ist. Hier leben etwa 5000 deutschstämmige Mennoniten.
Einige Russlandmennoniten konnten einen erfolgreichen Antrag auf Ausreise aus der Sowjetunion nach Deutschland stellen, wo sie auch aufgrund ihrer Deutschstämmigkeit aufgenommen wurden. Dennoch wollten sie dort bspw. aus Gründen des Pazifismus nicht bleiben (siehe Prinzipien der Mennoniten) und siedelten ein Jahr später nach Paraguay über. Dort gab es schon bestehende Siedlungen, wie etwa die Dörfer Blumengart, Schönbach oder Simons, die von deutschen Mennoniten aus Kanada gegründet wurden. Die Russlandmennoniten siedelten sich in deren Nähe an und somit entstand die Kolonie Fernheim (oder auch Fernland).
Die Einwanderung fand unter denkbar schwierigen Umständen statt. Das Einwanderungsgebiet, das die paraguayische Regierung zur Verfügung gestellt hatte, war noch unerschlossen und der Zugang äußerst mühsam. Zunächst musste mit einem Flussdampfer der Río Paraguay bis Puerto Casado stromaufwärts gefahren werden, von wo aus eine Schmalspurbahn der Casado-Gesellschaft etwa 150 km nach Westen in den Chaco-Busch hinein führte. Von dort war es noch eine mehrere Tage andauernde Fahrt mit dem Ochsenkarren in das Siedlungsgebiet. Erst 1956 wurde mit dem Bau der Trans-Chaco-Route von Asunción nach Filadelfia begonnen.
Nach der Kolonie Menno war Fernheim die zweite von Mennoniten gegründete Kolonie in Paraguay. Die historischen und kulturellen Zusammenhänge der russlandmennonitischen Migration und Integration nach und innerhalb von Paraguay werden vor allem in der Literatur von Peter P. Klassen sehr anschaulich geschildert.
In der Nähe von Filadelfia befindet sich das Freizeitlager Flor del Chaco, das aufgrund einer Initiative Anfang der siebziger Jahre entstand.
Die Dörfer der Kolonie Fernheim
Die Dörfer Fernheims wurden von Personen unterschiedlicher Herkunft gegründet und werden vielfach eher mit ihrer Nummer als ihrem Namen bezeichnet. Einige Gründer kamen aus Russland, andere aus Polen; andere Dörfer wurden von Einwanderern aus Harbin gegründet und wieder andere von Einwanderern gegründet, die schon in Fernheim angesiedelt waren.
Bis heute hat Fernheim 25 Dörfer, von denen aber folgende bereits aufgelöst wurden:
Wiesenfeld (Nr. 4), Auhagen (Nr. 9), Rosenfeld (Nr. 12), Hiebertsheim (Nr. 13) und Grünfeld (Nr. 19)
Diese Dörfer wurden alle bereits durch andere Dörfer ersetzt. Die folgende Tabelle zeigt die heutigen Dörfer mit Nummer und Gründungsjahr:
Nummer
Name
Gründungsjahr
1
Lichtfelde
1930
2
Kleefeld
1930
3
Gnadenheim
1930
4
Ribera
1985
5
Friedensfeld
6
Friedensruh
1930
7
Schönwiese
1930
8
Schönbrunn
1930
9
Tres Palmas
1996
10
Rosenort
1930
11
Waldesruh
1930
12
Landskrone
1944
13
Blumental
1948
14
Blumenort
1932
15
Orloff
1932
16
Karlsruhe
1932
17
Schönau
1932
18
Wüstenfelde
1934
19
Boqueron
1938
20
Hohenau
1946
21
Valencia
1960
22
Neuwiese
1961
23
Molino
1963
24
Corrales
1979
25
15 de Agosto
1999
Literatur
Heinrich Duerksen (Hrsg.): 50 Jahre Kolonie Fernheim. Ein Beitrag in der Entwicklung Paraguays, Filadelfia, Kolonie Fernheim, 1980
Kai Rohkohl: Die plautdietsche Sprachinsel Fernheim, Chaco (Paraguay), Elwert, Marburg, 1993, ISBN 3-7708-1020-1