Cordus wurde als jüngstes von 13 Kindern des Bauern Urban Solden geboren.[1][2] Daher wählte er seinen latinisierten Humanistennamen von lateinisch cordus „spätgeboren“.
Nach einer Zeit als Rektor an der Stiftsschule St. Marien in Erfurt studierte er ab 1519 Medizin. 1521 begegnete er in Worms Martin Luther und reiste danach nach Ferrara, wo er zum Doktor der Medizin promoviert wurde. Ab 1523 war er in Braunschweig als Stadtarzt tätig. In einem Gedicht an Kaiser Karl V. bekannte er sich auch öffentlich zur Reformation. Das brachte ihm 1527 den Ruf Landgraf Philipps des Großmütigen ein, an der neu gegründeten protestantischen Universität in Marburg den Lehrstuhl für Medizin zu übernehmen. Zweimal, nämlich 1530 und 1533, wurde er dort auch zum Rektor der Universität gewählt. Cordus war Anhänger Luthers und unterstützte die Bemühungen des hessischen Landgrafen, einen Ausgleich zwischen lutherischen und zwinglianischen Theologen herbeizuführen. In seiner streitbaren Art machte Cordus sich jedoch derartig viele Feinde, dass er bereits nach sieben Jahren, zu Ostern 1534, Marburg wieder verließ. Er wurde Stadtarzt und Lehrer am Gymnasium illustre in Bremen, wo er – noch keine 50 Jahre alt – am 24. Dezember 1535 starb.
Satirische Epigramme
Cordus war ein bekannter neulateinischer Dichter und ist als Epigrammatiker im 16. Jahrhundert unerreicht. Gotthold Ephraim Lessing hat viele der über 1.200 Epigramme in eigenen Sinngedichten verarbeitet. Die ersten Epigramme veröffentlichte Cordus 1517 und 1520, zum Schluss waren sie auf 13 Bände angewachsen. Hierauf beruht sein Ruhm als bester satirischer Dichter des Humanismus, jedoch schuf er sich so auch viele Feinde: In Braunschweig hatte er sich vor allem aus Glaubensgründen mit den Gegnern der Reformation angelegt, in Marburg nahm er in bissigen Epigrammen die Schwächen seiner Kollegen aufs Korn. Die Auseinandersetzungen gingen so weit, dass er zuletzt von den Zusammenkünften der Professoren ausgeschlossen wurde und sein Haus verlor, von dem er geglaubt hatte, dass er es als Eigentum übertragen bekommen hätte.
Professor der Medizin
In seine Zeit als Medizinprofessor fällt der Ausbruch des Englischen Schweißes, einer rätselhaften Infektionskrankheit, die das Marburger Religionsgespräch beendete und von manchen Medizinhistorikern für Influenza gehalten wird. Cordus veröffentlichte darüber den ersten medizinischen Druck in der Geschichte der Universität Marburg: Regiment wider den Englischen Schweiß (1529). Außerdem stammt von ihm eine Anleitung zur Bereitung des unverfälschten Theriaks (1532),[4][5] einer Art Universalmedizin des Mittelalters und der frühen Neuzeit aus zahlreichen Zutaten. Auf seinem Lehrstuhl folgte ihm 1535 Johann Dryander (1500–1560), der 1543 Cordus' Werk über die Harnschau,[6] deren Auswüchse als „Uromantie“[7] er ablehnte, herausbrachte.
Der Botaniker
Botanik war zu dieser Zeit vor allem eine Hilfswissenschaft für die Medizin. 1534 veröffentlichte Cordus in Köln sein Botanologicon,[9] was man etwa mit „Gespräch über Pflanzen“ übersetzen kann. Anders als viele Kräuterbücher seiner Zeit enthält es keine Abbildungen. Das Botanologicon ist in Form eines Dialogs unter fünf Personen gehalten. Die Handlung beginnt mit einem Frühstück im Haus von Cordus am Lahntor, wonach die Gäste den Hausgarten besuchen. Später unternehmen sie eine Exkursion zu einem Garten, den Cordus unterhalb des Glaskopfs angelegt hat, und kehren am Abend nach Hause zurück, nachdem sie den ganzen Tag über Fragen der Botanik diskutiert haben.
Cordus studierte nach italienischem Vorbild Pflanzen direkt in der Natur und nicht nur deren überlieferte Beschreibungen. Botanische Wanderungen scheinen auch zu seiner Unterrichtspraxis gehört zu haben, womit Cordus der erste deutsche Universitätsdozent gewesen wäre, der Exkursionen unternahm. An der Universität wurde er dafür verspottet: Er suche nach neuen Heilmethoden und respektiere nicht die Autorität der antiken Ärzte. Der Vorwurf ist berechtigt, obwohl Cordus ein Verehrer des Dioskurides war, denn gerade darin, dass er nicht ungeprüft die überlieferten Lehrmeinungen übernahm, erweist sich sein Rang als Botaniker. Immer wieder weist er im Botanologicon auf Widersprüche und Nachlässigkeiten seiner Vorgänger hin. Andere Meinungen diskutiert er offen und berücksichtigt auch die volkstümliche Heilpflanzenkunde. Es geht ihm dabei nicht darum, eine umfassende Darstellung der gesamten Pflanzenwelt zu liefern, sondern vielmehr die empirische Methode zu propagieren.
Diese Methode beschreibt Cordus als Ausflüge auf das Land, „wo ich an Ort und Stelle jene lebenden Pflanzen, über die ich zu Hause gelesen hatte, mit den meinem Gedächtnis eingeprägten Bildern vergleiche und betrachte und bald deren Bezeichnungen, bald auch deren Wirkkräfte von alten Weibern, die mir über den Weg laufen, erfrage; hierauf – nachdem alle mit ihrer Beschreibung verglichen sind – bestimme ich sie entweder mit reifem Urteil und so scharfsinnig wie möglich oder stelle meine Vermutungen an.“[10]
Nachdrucke des Botanilogicons sind für Frankfurt (1549) und Paris (1551) nachgewiesen.[11] Seine kurze Bemerkung über einen Garten am Glaskopf ist verschiedentlich so gedeutet worden, als habe Cordus in Marburg den ersten Botanischen Garten in Deutschland eingerichtet. Über dessen genaue Lage und Geschichte ist aber weiter nichts bekannt, so dass für Marburg ein Botanischer Garten erst 1786 als belegt gelten darf.
Sein Sohn Valerius Cordus (1515–1544) war Botaniker, Arzt, Pharmakologe und Naturforscher. Er hat die erste deutsche Pharmakopöe – also ein Arzneimittelverzeichnis mit Vorschriften über ihre Zubereitung, Beschaffenheit und Anwendung – geschrieben.
(Liber) 'De urinis, das ist von rechter besichtigunge des harns und ihrem mißbrauch. Hrsg. von Dryander, genannt Eychmann, Frankfurt 1543.
Ausgaben und Übersetzungen
Armgard Müller (Hrsg.): Das Bucolicon des Euricius Cordus und die Tradition der Gattung. Text, Übersetzung, Interpretation. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 1997, ISBN 3-88476-247-8
Ioanna Paschou (Hrsg.): Euricius Cordus, Bucolicon. Kritische und kommentierte Ausgabe. Lit, Hamburg 1997, ISBN 3-8258-3389-5
Literatur
Gerhard Aumüller: Geistige Wegbereiter der Neuzeit im Wetschafttal – Humanistisches Gedankengut zwischen Wetter und Frankenberg vom 15. bis 17. Jahrhundert. In: Marburger Geographische Gesellschaft e. V. Jahrbuch 2019. Marburg/Lahn 2020, S. 164–185.
Edward Lee Greene: Landmarks of botanical history; a study of certain epochs in the development of the science of botany. (= Smithsonian institution publication Nr. 1870) Smithsonian institution, Washington 1909, S. 263–289 (online).
Hans H. Lauer: Cordus, Euricius. In: Enzyklopädie Medizingeschichte. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2004, S. 271–272, ISBN 3-11-015714-4.
Armgard Müller: Das Bucolicon des Euricius Cordus und die Tradition der Gattung. Wissenschaftlicher Verlag, Trier 1997, ISBN 3-88476-247-8.
August Schulz: Euricius Cordus als botanischer Forscher und Lehrer (= Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Halle a. d. S. Neue Folge. Nr. 7). Halle an der Saale 1919.
Hans Vogel: Euricius Cordus in seinen Epigrammen. Adler, Greifswald 1932.
↑Vgl. dazu Gerhard Aumüller: Cordus’ Vorfahren uod Nachkommen. In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. Band 95, 1990, S. 55–76 (vhghessen.de PDF).
↑Vgl. auch Georg Edmund Dann: Die umstrittene Herkunft von Euricius Cordus. In: Hessische Familienkunde. Band 10, 1971, Sp. 317–320.
↑Hans H. Lauer: Cordus, Euricius. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 271–272, hier: S. 271.
↑Nicandri Theriaca et Alexipharmaca. 1532, Übersetzung der beiden gleichnamigen Lehrgedichte des Nikander von Kolophon (2. Jhd. v. Chr.)
↑Peter Dilg: Das Theriakbüchlein des Euricius Cordus. In: Fachprosa-Studien. Beiträge zur mittelalterlichen Wissenschafts- und Geistesgeschichte. Hrsg. von Gundolf Keil mit Peter Assion, Willem Frans Daems und Heinz-Ulrich Roehl, Berlin 1982, S. 417–447.
↑E. Cordus: De urinis. Das ist von rechter Besichtigung des Harns und ihrem Missbrauch […]. Frankfurt am Main.
↑Übersetzt nach Peter Dilg: Das Botanologicon des Euricius Cordus. Ein Beitrag zur botanischen Literatur des Humanismus. Naturwiss. Diss. Marburg 1969, S. 122
↑Vgl. Peter Dilg: Das Botanologicon des Euricius Cordus. Ein Beitrag zur botanischen Literatur des Humanismus. Marburg 1. Januar 1969 (dnb.de [abgerufen am 14. Februar 2017]). (Naturwissenschaftliche Dissertation Marburg 1969).
↑Zitiert nach: Schmitz: Die Naturwissenschaften an der Philipps-Universität Marburg 1527-1977. N. G. Elwert, Marburg 1978, ISBN 3-7708-0653-0, S. 79f.
↑Eine Übersetzung findet sich in Dilg, S. 122–333.