Die faire Milch

Produktauswahl

Die faire Milch ist ein europaweites Projekt unter dem Dach des European Milk Boards (EMB). Das EMB vergibt Lizenzen für das Programm an die nationalen Teilnehmerländer. Gesellschafter in Deutschland ist der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Ab 2010 wurde eine entsprechende Produktmarke in den Handel gebracht. Seit Ende 2012 ist in Deutschland die DFM Vermarktungs GmbH aus Grefrath Markeninhaber der fairen Milch.[1]

Die faire Milch ist ein Gemeinschaftsprojekt deutscher Milchbauern, in dem bei der Milchproduktion bestimmte Standards – etwa der Verzicht auf Gentechnik und Soja-Futtermittel aus der Dritten Welt – eingehalten werden sollen und zugleich kostendeckende Preise für die beteiligten Bauern gewährleistet sein sollen.

Konzept

Milcherzeuger, die in das Programm aufgenommen werden wollen, verpflichten sich auf strenge Produktionskriterien. Dazu zählen unter anderem der Verzicht auf gentechnisch verändertes Futter, eine artgerechte FĂĽtterung der Tiere und die Umsetzung von UmweltschutzmaĂźnahmen auf den Höfen. Die KĂĽhe erhalten zudem Futter mit mind. 50 % Grasanteil in der Ration. Ein VerstoĂź gegen diese Richtlinien fĂĽhrt zu einem zeitweiligen oder dauerhaften Ausschluss aus dem Programm. Die Milchbauern verzichten bei der FĂĽtterung auf Futter aus Ăśbersee und setzen Umwelt- oder Tierprojekte auf ihren Höfen um. Voraussetzung fĂĽr die Teilnahme am Programm ist die Mitgliedschaft im Bundesverband deutscher Milchviehhalter (BDM).[2] Des Weiteren muss jeder Teilnehmer eine definierte Zeit in Werbung investieren sowie einen finanziellen Startbeitrag leisten. Alle Milchbauern mĂĽssen zertifizierte Familienbetriebe fĂĽhren.

Die faire Milch ist außerdem die erste konventionelle Milchmarke, die eine Begrenzung der Tierhaltung auf der Betriebsfläche vorsieht. So dürfen nicht mehr als 2,5 ausgewachsene Tiere pro Hektar Betriebsfläche gehalten werden.

Das Konzept sieht hinsichtlich der Preiskalkulation vor, dass 'von unten nach oben' kalkuliert wird. So gehen von jedem verkauften Liter Milch 40 Cent an die am Projekt beteiligten Milchbauern. Weitere Aufwendungen, wie AbfĂĽllen, Verpackung, Transport und Handelsspanne ergeben den Verkaufspreis im Laden.

Die faire Milch ist eine H-Milch in den Fettstufen 1,8 % und 3,8 % und als laktosefreie Variante (1,8 %). AbgefĂĽllt wird die Milch von einer Molkerei in SchlĂĽchtern und in Nordrhein-Westfalen. Die Milch ist flächendeckend in verschiedenen Märkten und verschiedenen Bundesländern verfĂĽgbar.[3] AuĂźerdem sind Schokomilch und verschiedene Sorten Käse im Programm. Der Käse wird in einer Käserei in Bayern hergestellt.

Markenauftritt

Kuh Faironika – Maskottchen und Logo-Tier von Die faire Milch

Die Markenkommunikation befördert den Begriff „Die faire Milch“ zusammen mit einem schwarz-rot-goldenen Design. Dazu gehört das Maskottchen und Logo-Tier „Faironika“, eine schwarz-rot-golden gefärbte Kuh. Diese Kuh kam in der Vergangenheit als lebensgroße Plastikvariante bei Demonstrationen der Milchbauern zum Einsatz und wurde überregional bekannt.[4]

Geschichte

Die faire Milch war zunächst als Kommunikationskonzept ins Leben gerufen worden. Ab 2010 sollte sie auch als Produktmarke etabliert werden. Nach langer Suche erklärte sich schließlich eine Molkerei in Südhessen bereit, die Milch zu verarbeiten und abzufüllen. Die Upländer Bauernmolkerei im hessischen Willingen leistete Starthilfe. Rewe und Tegut nahmen sie schließlich ins Sortiment auf. Ab 2010 war die Milch zunächst in 300 Tegut- und 1200 Rewe-Filialen in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen erhältlich.[5] Ende 2010 weitete Rewe sein Angebot auf Nordrhein-Westfalen für dann insgesamt rund 2000 Rewe-Filialen aus. Die Jahresmenge betrug damals nach Schätzungen der in dieser Zeit zuständigen Vermarktungsgesellschaft „Milchvermarktungs-GmbH Süddeutschland (MVS)“ 10.000 Tonnen.[6]

Zum 1. April 2012 kĂĽndigte die Milcherzeugergemeinschaften (MEG) Abensberg 2,5 Mio. kg Milchlieferung wegen der niedrigen Erlöse bei der MVS, da weniger als 20 % der erfassten Menge ĂĽber Die faire Milch vermarktet werden konnte. Die Auflagen fĂĽr die Faire Milch fĂĽhrte bei den Betrieben zu höheren Produktionskosten fĂĽr die erzeugte Milch. Die Bauern bekamen hingegen nur den Basispreis. Anfang August 2012 stellten die Milchbauern in NRW ihre Lieferungen ein.[7] Ende 2012 kam es wegen juristischer Auseinandersetzungen mit der ehemaligen Vermarktungsgesellschaft MVS zu einem Verkaufsstopp bei REWE und Tegut. Seit Ende 2012 ist die DFM Vermarktungs GmbH (DFM) aus Grefrath Markeninhaber der fairen Milch.[1] 2020 waren etwa 80 Erzeuger als Programmteilnehmer registriert.[8]

Kritik und Gerichtsverfahren

VerbraucherschĂĽtzer kritisierten 2010, das Produkt sei weder regional noch „fair“ erzeugt.[9] Die Wettbewerbszentrale klagte vor dem Landgericht Landshut, weil sie in der Bezeichnung „Faire Milch“ eine Verbrauchertäuschung sah. Nur diejenigen 25 % der Milchmenge, die in der Produktaufmachung verkauft werden kann, werden mit 40 Cent entlohnt. Somit wĂĽrden 75 % der gelieferten Milch nicht entsprechend hoch vergĂĽtet.[10] Das Oberlandesgericht MĂĽnchen hat mit dem Urteil vom 1. März 2012, Az. 6 U 1738/11[11] entschieden, dass die Milch weiter unter der Bezeichnung „Die faire Milch“ angeboten werden darf. Entscheidend sei, dass die Erzeuger fĂĽr jeden Liter Milch, der als „Die faire Milch“ abverkauft werde, 40 Cent erhalten. Dies sei der Fall, auch wenn nicht fĂĽr jeden von den Bauern abgelieferten Liter Milch dieser Preis bezahlt wird. Die Aussage „kommt ausschlieĂźlich von Höfen aus Ihrem Bundesland“ beurteilte das Gericht hingegen als irrefĂĽhrend.

Auf Druck der Wettbewerbszentrale mussten im Jahr 2010 die Werbeaussagen bezüglich der regionalen Herkunft und des Gehaltes an Omega-3-Fettsäuren korrigiert werden.[12]

Die Zeitschrift Ökotest kommt in der Ausgabe 8/2012 zu dem Ergebnis, „Die faire Milch“ sei unfair, da die Betreiber keinerlei Auskunft über die Überwachung der Auszahlung des ausgelobten Preises geben, noch, ob es einen garantierten Mindestpreis für die Bauern gibt.[13]

Unter der Vermarktung der DFM GmbH sind derartige VorwĂĽrfe nicht mehr gegen die faire Milch erhoben worden.

Die faire Milch in Europa

Die faire Milch wird derzeit auch Belgien,[14] Luxemburg[15], Frankreich[16] und Italien[17] angeboten.[18] Im niederländischen Einzelhandel wird das dortige Produkt seit Juni 2012 nicht mehr gelistet, nachdem wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit die Abfüllung eingestellt worden war.[19] Die belgische Genossenschaft Faircoop, Vermarkter des Labels Fairebel bietet seit April 2015 auch zwei fair gehandelte Käsesorten an.[20]

Ă–sterreich

In Ă–sterreich wurde die 2006 gegrĂĽndete Bauerngenossenschaft A faire Milch Mitglied,[21] das Projekt wurde 2020 eingestellt.[22][23]

Schweiz

2017 wurde in der Schweiz die Genossenschaft Faire Milch Säuliamt gegründet.[24] Di fair Milch Säuliamt wird in den Volg-Läden im Säuliamt und in Hofläden in der Region vertrieben.[25]

2018 wurde in der Romandie die Genossenschaft Die Faire Milch gegründet. Die Milchprodukte (Milch, Kaffeerahm, Käse, Fertigkäsefondue) werden unter dem Label Faireswiss vertrieben.[26] Im September 2019 hat Manor Faireswiss-Produkte ins Sortiment aufgenommen.[27] Abgefüllt wird die Faireswiss-Milch von Cremo.[28] Seit Juni 2020 ist die Faireswiss-Milch auch bei den Spar-Märkten erhältlich[29][30] und seit April 2024 in rund einem Drittel der Filialen von Aldi Suisse.[31] Im Februar 2021 hat die Migros in der Romandie einen Test mit der fairen Milch in acht Filialen gestartet.[32] Da Migros aber schweizweit auf IP-Suisse-Wiesenmilch umstellte, wurde sie wieder aus dem Sortiment genommen.[33][34][35]

Siehe auch

Commons: Faironika â€“ Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. ↑ a b Faire Milch will mit neuem Vermarkter bundesweit durchstarten In: top agrar online. 3. August 2012.
  2. ↑ Fragen und Antworten (Memento vom 17. Mai 2014 im Internet Archive) (PDF; 79 kB)
  3. ↑ Website: Die faire Milch FAQ
  4. ↑ Porträt: Faironika, die bunte Kuh In: Frankfurter Rundschau. 29. Mai 2009.
  5. ↑ Faire Landwirtschaft: Renitente Bauern gründen eigenes Milchlabel In: Spiegel online. 18. Januar 2010.
  6. ↑ REWE weitet Angebot der fairen Milch auf NRW aus: Angebot in bundesweit rund 2.000 Märkte / 40 Cent je Liter für die Milchbauern Pressemitteilung REWE Group. 24. September 2010.
  7. ↑ Milchmarkt: Faire Milch in NRW gescheitert In: Elite – Magazin für Milcherzeuger. 2. August 2012.
  8. ↑ Programmteilnehmer (Memento vom 30. September 2020 im Internet Archive)
  9. ↑ Verbraucherschutz: Wie fair ist die faire Milch? In: Frankfurter Rundschau. 14. Mai 2010.
  10. ↑ Stellungnahme MVS GmbH zum Urteil Wettbewerbszentrale / „Die faire Milch“ (Memento vom 26. Juli 2011 im Internet Archive)
  11. ↑ OLG München: Urteil vom 1. März 2012, Az. 6 U 1738/11 auf: openjur.de. 1. März 2012.
  12. ↑ Landgericht verbietet "Die faire Milch". (Memento vom 8. April 2011 im Internet Archive) auf: agrarheute.com, 5. April 2011.
  13. ↑ Fairer Handel – Unfaire Geschäfte. In: ÖKO-TEST. August 2012.
  14. ↑ https://www.fairebel.be/
  15. ↑ https://fairmellech.lu/
  16. ↑ https://fairefrance.fr/
  17. ↑ Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 26. Januar 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprĂĽft. Bitte prĂĽfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.buonoeonesto.it
  18. ↑ Die faire Milch in 5 EU Ländern (Memento vom 6. Oktober 2012 im Internet Archive)
  19. ↑ Topagrar
  20. ↑ Geschichte: Käse (Memento vom 18. Mai 2015 im Internet Archive)
  21. ↑ Webseite europeanmilkboard.org (Memento des Originals vom 11. Oktober 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprĂĽft. Bitte prĂĽfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.europeanmilkboard.org, abgerufen am 10. Oktober 2018 – A faire Milch zu diesem Zeitpunkt noch als Mitglied angegeben.
  22. ↑ „A faire Milch“ wird nach 14 Jahren beendet. In: afairemilch.at. 30. Juli 2020, abgerufen am 30. Januar 2021.
  23. ↑ A: «A faire Milch» wird nach 14 Jahren beendet. In: LID.CH Landwirtschaftlicher Informationsdienst. 3. August 2020, abgerufen am 17. August 2020.
  24. ↑ Faire Milch Säuliamt: 5 Jahre später. Schweizer Bauer, 12. Januar 2023, abgerufen am 26. September 2024.
  25. ↑ Hier erhalten Sie «Di fair Milch Säuliamt». In: di-fair-milch.ch. Abgerufen am 30. Januar 2021.
  26. ↑ Die faire Milch. In: faireswiss.ch. Abgerufen am 23. September 2019.
  27. ↑ 1 Franken pro Liter fĂĽr Milchbauer. Schweizer Bauer, 23. September 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfĂĽgbar) am 23. September 2019; abgerufen am 23. September 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprĂĽft. Bitte prĂĽfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.schweizerbauer.ch
  28. ↑ Lait Ă©quitable. In: cremo.ch. Abgerufen am 30. Januar 2021.
  29. ↑ Faireswiss Milch neu in allen 180 SPAR Märkten. In: presse.spar.ch. 10. Juni 2020, abgerufen am 30. Januar 2021.
  30. ↑ Faire Milch gibts nun auch bei Spar. Schweizer Bauer, 10. Juni 2020, abgerufen am 30. Januar 2021.
  31. ↑ «Faire Milch» jetzt in 76 Aldi-Filialen. Schweizer Bauer, 15. April 2024, abgerufen am 6. Mai 2024.
  32. ↑ Migros teste la commercialisation du "lait Ă©quitable". In: agrihebdo.ch (Archiviert unter web.archive.org). 24. Februar 2021, archiviert vom Original am 25. Februar 2021; abgerufen am 27. Februar 2021 (französisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprĂĽft. Bitte prĂĽfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.agrihebdo.ch
  33. ↑ Belinda Balmer: «Wir fordern ultimativ mehr Respekt vor der Arbeit der Produzenten». In: bauernzeitung.ch. 4. März 2022, abgerufen am 4. März 2022.
  34. ↑ Uniterre richtete eine klare Botschaft an die Migros. In: schweizerbauer.ch. 5. März 2022, abgerufen am 6. April 2022.
  35. ↑ Nina Burri: Warum «Di fair Milch» nur im Säuliamt eine Erfolgsgeschichte ist. In: zueritoday.ch. 30. Januar 2023, abgerufen am 12. Februar 2023.