Die Farben der Palatia waren grün-rot-gold, die an die Stelle der verbotenen burschenschaftlichen Farben Schwarz-Rot-Gold traten. Der gewählte Name war kein landsmannschaftlicher – die meisten Mitglieder stammten aus Darmstadt –, sondern eine Reminiszenz an das Hambacher Fest und die Freiheitsbewegung in der Pfalz.[6] Name und Satzung sollen dem im November 1831 gestifteten Corps Palatia (II) in Heidelberg entlehnt worden sein.
Während sich eine Minderheit innerhalb des Corps, zu der auch der spätere Paulskirchen-Abgeordnete Carl Vogt gehörte, von revolutionären Zielsetzungen abwandte, hielten etwa zwei Drittel in alter burschenschaftlicher Tradition an den politischen Forderungen fest[7], und gerieten damit in Gegensatz zu den altlandsmannschaftlichen Corps Hassia und Rhenania. Tätliche Auseinandersetzungen nach dem Holzkomment zwischen beiden Parteien am 21. Februar 1834[8] führten zur Auflösung des Corps, um einer behördlichen Untersuchung zu entgehen[9]. Trotzdem leitete das Großherzogliche Universitätsgericht auf der Grundlage der Anfang 1834 unter Kanzler Justin von Linde erlassenen neuen Disziplinarstatuten ein Verfahren ein. 80 Burschenschafter, Starkenburger und Pfälzer wurden am 9. Dezember 1836 freigesprochen, gegen sieben Angeklagte wurde auf Fortsetzung der Untersuchung erkannt. Erst 1837 wurden die Prozesse wegen Teilnahme an der Palatia endgültig eingestellt.
Besondere Bedeutung erlangte das Corps durch die Beziehungen mehrerer seiner Mitglieder zu Georg Büchner[10], der im gleichen Zeitraum an der Gießener Universität immatrikuliert war. Mit Ausnahme von August Becker und Büchners Schulfreund Hermann Wiener waren sämtliche studentischen Mitglieder der beiden Sektionen der von Bücher gegründeten Gesellschaft für Menschenrechte zugleich Mitglied des Corps Palatia[11], darunter Franz Josef Amand Appiano, Hermann Trapp und Ludwig Christian Becker. Die Pfälzer Gustav Clemm und Karl Minnigerode wirkten bei der Verteilung des Hessischen Landboten mit, Clemm war derjenige, der durch seine Aussagen vor Gericht Büchners Agitation später publik machte.
Trotz ihrer kurzen Bestandsdauer spielte Palatia damit für die Geschichte der Universität Gießen in der Zeit des Vormärz eine wichtige Rolle und war von nachhaltiger Bedeutung auch für die spätere Entwicklung des Gießener SC. Als Nachfolger gilt das 1839[12] gestiftete Corps Teutonia, das die Farben und die Constitution der Palatia übernahm und in seiner progressistischen Ausrichtung bis 1849 ganz in der Tradition der Palatia stand.[13]
Paul Wentzcke: Burschenschafterlisten. Zweiter Band: Hans Schneider und Georg Lehnert: Gießen – Die Gießener Burschenschaft 1814 bis 1936. Görlitz 1942, K. Palatia.
Literatur
Hans-Georg Balder: Die deutschen Burschenschaften. Ihre Darstellung in Einzelchroniken. Hilden 2005, S. 159.
Georg Fritz: Corps Teutonia zu Gießen 1839–1935. Gießen 1939.
Florian Hoffmann: Corps oder Burschenschaft? Zur Verortung der Gießener Palatia (1833–1834). In: Beiträge der 67. Deutschen Studentenhistorikertagung 2007 in Gießen, o. O., o. J., S. 11–20.
↑Georg Lehnert, Herman Haupt: Chronik der Universität Giessen, 1607 bis 1907. Gießen 1907, S. 30.
↑Steffen Haßlauer: Polemik und Argumentation in der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts. Eine pragmalinguistische Untersuchung der Auseinandersetzung zwischen Carl Vogt und Rudolph Wagner um die "Seele". Reihe Germanistische Linguistik Band 291, Berlin, New York 2010, S. 61.
↑Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins. Gießen 1961, S. 108.
↑Ernst Kornemann: Geschichte des Corps Teutonia. Gründungszeit bis 1850. Gießen 1914, S. 8
↑Erich Zimmermann: Für Freiheit und Recht!. Der Kampf der Darmstädter Demokraten im Vormärz (1815–1848). Hrsg. von der Hessischen Historischen Kommission. Darmstadt 1987, S. 139
↑Jan-Christoph Hauschild: Georg Büchner. Biographie. Stuttgart, Weimar 1993, S. 243
↑Jan-Christoph Hauschild: Georg Büchner. Biographie. Stuttgart, Weimar 1993, S. 244
↑Paul Wentzcke: Burschenschafterlisten. Zweiter Band: Hans Schneider und Georg Lehnert: Gießen – Die Gießener Burschenschaft 1814 bis 1936. Görlitz 1942, S. 34.
↑Paul Wentzcke: Burschenschafterlisten. Zweiter Band: Hans Schneider und Georg Lehnert: Gießen – Die Gießener Burschenschaft 1814 bis 1936. Görlitz 1942, S. 35.
↑Thomas Michael Mayer: Georg Büchner. Leben, Werk und Zeit. Marburg. 2. Auflage. 1986, S. 109
↑E. H. Eberhard: Handbuch des studentischen Verbindungswesens. Leipzig, 1924/25, S. 47.
↑Ernst Kornemann: Geschichte des Corps Teutonia. Gründungszeit bis 1850. Gießen 1914, S. 15
↑Fritz Deppert: "Gut gebrüllt, Löwe!". 2007, S. 116
↑Steffen Haßlauer: Polemik und Argumentation in der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts. Eine pragmalinguistische Untersuchung der Auseinandersetzung zwischen Carl Vogt und Rudolph Wagner um die "Seele". Berlin, New York 2010, S. 61