Chuan arbeitete zunächst als Rechtsanwalt bei Chor Chanasongkram Law, einer großen Kanzlei in Bangkok, doch zog es ihn rasch in die Politik. 1969 wurde er als Abgeordneter für die ProvinzTrang gewählt. Er verteidigte seinen Sitz bei jeder der darauffolgenden 15 Wahlen.
Während der kurzen demokratischen Phase Mitte der 1970er-Jahre galt Chuan als Vertreter des gemäßigt-linken Flügels der Demokraten. Von rechten Hardlinern wurde er 1976 der Nähe zu den Kommunisten bezichtigt.[2][3] In den Kabinetten seines Parteikollegen Seni Pramoj diente Chuan als stellvertretender Justizminister (Februar–März 1975), Minister im Amt des Ministerpräsidenten (April–September 1976) und für zwei Wochen im September bis Oktober 1976 als Justizminister. Im Juli 1976 verbrannte die sogenannte Patriotische Volksgruppe Abbilder von Chuan und seinem Parteikollegen Surin Masdit sowie Bücher und Zeitungen, die sie für links hielten.[4] Chuan war einer der drei „linken“ Minister in Senis Regierung, deren Entlassung oder gar Tod militante Rechte der „Dorf-Pfadfinder“ während des Massakers an der Thammasat-Universität am 6. Oktober 1976 forderten.[5][6] Durch einen Putsch am selben Tag wurde die gesamte Regierung entmachtet.
In der Zeit der „Halbdemokratie“ war er unter dem Ministerpräsidenten Prem Tinsulanonda erneut Justizminister (März 1980–März 1981), Handelsminister (März 1981–Dezember 1981), Landwirtschaftsminister (Dezember 1981–März 1983) sowie Bildungsminister (Mai 1983–August 1986). Die Demokraten gewannen die Parlamentswahl 1986 und Chuan wurde am 4. August 1986 zum Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt. Damit war er nach der damaligen Verfassung zugleich Vizepräsident der Nationalversammlung (der Sprecher des Senats war Präsident). Das Parlament wurde im April 1988 vorzeitig aufgelöst.
Nach der vorgezogenen Neuwahl und dem Rücktritt Prem Tinsulanondas als Ministerpräsident amtierte Chuan in der Regierung Chatichai Choonhavans als Gesundheitsminister (August 1988–Dezember 1989), als stellvertretender Ministerpräsident (Dezember 1989–August 1990) sowie zum zweiten Mal als Landwirtschaftsminister (August–Dezember 1990). Dann schied die Demokratische Partei aus der Koalition aus.
Neben seiner politischen Tätigkeit war Chuan auch in verschiedenen akademischen Institutionen tätig:
Vizepräsident der Versammlung der Prinz Songhkla-Universität
Ehrenmitglied des Rates der Srinakarinwirot-Universität Bangkok
Ehrenmitglied des Rates der Thammasat-Universität Bangkok
Chuan erlangte Bekanntheit als wichtiger Fürsprecher der Demokratie in Thailand. Er galt als unempfänglich für Korruption und wurde als einer der ehrlichsten Politiker des Landes wahrgenommen. Beispielsweise galt das Handelsministerium vor seiner Ernennung zu dessen Leiter als Brutstätte für Korruption, während seiner Amtszeit gab es dagegen keine solchen Vorwürfe. Anders als andere thailändische Politiker hat er während seiner Tätigkeit keine großen Reichtümer angehäuft.[1]
Amtszeiten als Parteichef und Premierminister
Chuan Leekpai (1999)
Nach dem Rücktritt von Parteichef Bhichai Rattakul wurde er im Januar 1991 zum Vorsitzenden der Demokratischen Partei gewählt. Anschließend steigerte sich die Popularität der Partei merklich.[7] Chuan ist insbesondere für den anhaltenden Erfolg der Demokraten in seiner Heimatregion Südthailand verantwortlich.[8] Während der Regierungszeit von General Suchinda Kraprayoon gab Chuan an, mehrfach Todesdrohungen erhalten zu haben. Zur vorgezogenen Parlamentswahl im September 1992 warb Chuan mit dem Slogan „Ich glaube an das parlamentarische System“, was als Absage sowohl an die Militärherrschaft als auch an die oppositionellen Straßenproteste des „Schwarzen Mai“. Er stand für vernünftige Kompromisse und nicht für einen radikalen Systemwechsel.[9] Am 20. September 1992 wurde Chuan auf Vorschlag von fünf Parteien, die die Militärherrschaft abgelehnt hatten, zum Premierminister ernannt. Während seiner Regierungszeit kümmerte er sich vornehmlich um wirtschaftliche Stabilität und die Dezentralisierung der politischen Entscheidungen, die stärker in die Hände der Provinzverwaltungen gelegt werden sollten.
Chuan zeigte sich gegenüber den Einflüssen von Militaristen immun. So ging er 1993 entgegen den Anordnungen der Militärs zusammen mit acht Friedensnobelpreisträgern an die Grenze von Birma, um die Freilassung von Aung San Suu Kyi einzufordern. Im Frühjahr versuchte er allerdings vergeblich, den Einfluss der Militärs zu mindern, die durch die Verfassung seit 1991 gegeben war. Der Einfluss des Militärflügels im Senat war zu gewichtig. Sein großes Projekt zur Landreform stieß allerdings auf breite Ablehnung und einer der Koalitionspartner – Palang Dharma – verließ die Koalition, so dass er am 19. Mai 1995 das Parlament auflösen musste. Die anschließenden Wahlen führten dann zur Ernennung von Banharn Silpa-archa.
Chuan Leekpai mit US-Präsident Bill Clinton (1999)
Nach der schwerwiegenden Wirtschaftskrise im Sommer 1997, die praktisch alle Länder Südostasiens erfasst hatte, wurde Chuan am 9. November 1997 erneut zum Premierminister ernannt. Er war damit der erste gewählte Premierminister, der für eine zweite Amtszeit ernannt wurde. In dieser Zeit wurde die Verfassung überarbeitet und die bürgerlichen Rechte verbessert, sowie eine Anti-Korruptionsbehörde aufgebaut, die seinen Nachfolger Premierminister Thaksin Shinawatra bei Beginn seiner Amtszeit verstärkt unter die Lupe genommen hatte. Da ein Interessenkonflikt als Premier und gleichzeitig Hauptanteilseigner an der Shin Corporation bestand.
Chuans Amtszeit endete am 17. Februar 2001. Die Demokraten gewannen bei der Wahl nur noch halb so viele Sitze wie die neue Thai-Rak-Thai-Partei von Thaksin Shinawatra und mussten in die Opposition gehen. 2003 trat er auch als Parteichef zurück. Er wurde von Banyat Bantadtan abgelöst, der sich parteiintern knapp gegen Chuans Wunschnachfolger Abhisit Vejjajiva durchsetzte.[10] Chuan wurde zum obersten Berater (Chief advisor) der Demokratischen Partei ernannt. Auch wenn er nicht mehr in der ersten Reihe der aktiven Politik stand, verteidigte er seinen Sitz im Repräsentantenhaus bei den Wahlen 2005, 2007, 2011 und 2019. Mit mittlerweile 16 Legislaturperioden ist er das dienstälteste Mitglied des thailändischen Parlaments.
Am 25. Mai 2019 wurde er zum zweiten Mal zum Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt. Nach der Verfassung von 2017 ist er damit zugleich Präsident der Nationalversammlung (die aus Repräsentantenhaus und Senat besteht). Seine Wahl ist vermutlich Teil einer Koalitionsabsprache der Demokratischen Partei mit der militärnahen Phalang-Pracharat-Partei des bisherigen Juntaführers Prayut Chan-o-cha und der Bhumjaithai-Partei.[11] Diese beiden Parteien stellen Chuans Stellvertreter.
Zudem erhielt er im Ausland die Sonderstufe des philippinischen Sikatuna-Ordens (1993), jeweils das Großkreuz des Orden El Sol del Perú und des portugiesischen Christusordens (beide 1999) sowie das Großkreuz des Sterns von Rumänien.
Literatur
Michael Leifer: Dictionary of the modern politics of South-East Asia. London: Routledge 1996, ISBN 0-415-13821-3. Stichwort: Chuan Leekpai.
Chuan Leekpai in: Internationales Biographisches Archiv 32/2001 vom 30. Juli 2001, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
↑Surin Maisrikrod: Thailand’s Two General Elections in 1992. Democracy Sustained. Institute of Southeast Asian Studies, Singapur 1992, S. 15.
↑King and Queen honour 8,000 village scouts at Lumpini Park rally. In: Nicholas Grossman: Chronicle of Thailand. Headline News since 1946. Edition Didier Millet, Singapur 2009, S. 209.
↑Kobkua Suwannathat-Pian: Thailand in 1976. In: Southeast Asian Affairs 1977. Institute of Southeast Asian Studies, Singapur 1977, S. 239–263, auf S. 241.
↑Paul M. Handley: The King Never Smiles. A Biography of Thailand's Bhumibol Adulyadej. Yale University Press, New Haven (CT)/London 2006, S. 236.
↑Anusorn Limmanee: Thailand. In: Political Party Systems and Democratic Development in East and Southeast Asia. Band 1. Ashgate, Aldershot/Brookfield VT 1998, S. 411.
↑Patit Paban Mishra: The History of Thailand. Greenwood, 2010, S. 18.
↑Duncan McCargo: Thailand’s political parties. Real, authentic and actual. In: Kevin Hewison: Political Change in Thailand. Democracy and Participation. Routledge, London/New York 1997, ISBN 0-415-14795-6, S. 114–131, auf S. 122–123.
↑Michael Kelly Connors: Thaksin’s Thailand. Thai politics in 2003–2004. In: Cavan Hogue: Thailand’s Economic Recovery. Institute of Southeast Asian Studies, Singapur 2006, S. 37.